Aktuell liegt der Kammer die Beschwerde eines Apothekers vor. Eine Kundin habe ihm während eines Beratungsgespräches ein Medikament, welches sie am gleichen Tag in einer benachbarten Praxis „aus dem Schrank“ zur testweisen Anwendung bekommen hatte, gezeigt. Das aufgedruckte Verfalldatum sei 07/2011 abgelaufen.
Die Weitergabe von sogenannten Ärztemustern an Patienten ist in der Praxis trotz der gesetzlichen Einschränkungen immer noch verbreitet.
Gemäß § 47 Abs. 4 des Arzneimittelgesetzes (AMG) dürfen pharmazeutische Unternehmer Muster eines Fertigarzneimittels an Ärzte nur auf jeweilige schriftliche Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Das Muster dient nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels.
Die Weitergabe dieser Muster an den Patienten ist nur bei Einhaltung der auch dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden.
Nach Ablauf des Verfalldatums darf das Muster nicht mehr an Patienten weitergegeben werden. Abgesehen von möglichen haftungsrechtlichen Konsequenzen verbietet § 8 Absatz 3 AMG, Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, deren Verfalldatum abgelaufen ist. Sowohl beim Erhalt des Musters als auch vor der Herausgabe an den Patienten ist daher auf das Verfalldatum zu achten. Verstöße können gem. § 97 Absatz 2 Nr. 1 AMG ordnungsrechtlich geahndet werden, aber auch strafrechtliche oder berufsrechtliche Folgen haben.
Ebenso sollte vor der Weitergabe darauf geachtet werden, ob Präparate oder einzelne Chargen aus dem Handel genommen worden sind. In diesem Fall dürfen selbstverständlich auch Muster nicht mehr weitergegeben werden.
Es empfiehlt sich, die in der Praxis gelagerten Arzneimittel regelmäßig von Praxismitarbeitern durchsehen zu lassen, um verfallene Präparate auszusondern und zu vernichten.
Immer wieder berichten Patienten, dass sie einzelne Tabletten oder Blister vom behandelnden Arzt erhalten haben. Auch wenn es Gründe für das „Auseinzeln“ geben mag, es sollte auf wenige Ausnahmen beschränkt bleiben. Entsprechend § 10 AMG dürfen grundsätzlich nur vollständige Packungen mit der gesetzlich vorgeschriebenen Kennzeichnung und der Packungsbeilage weitergegeben werden. Letztere sollte zumindest in Kopie dem Patienten mitgegeben werden, auch wenn dies die Aufklärungspflicht über Risiken, Kontraindikationen und Anwendungseinschränkungen nicht ausschließt.
Dass Muster nicht gegen Entgelt weitergegeben werden dürfen, ist selbstverständlich. Das ausdrückliche Verbot in der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt wurde bei der letzten Novelle aufgrund des oben zitierten § 47 Abs. 4 AMG für entbehrlich gehalten.
Dennoch erreichen die Kammer immer wieder Beschwerden von Patienten, die einzelne Tabletten oder Blister, die sie vom Arzt erhalten hatten, bezahlt haben oder bezahlen sollten.
Der Verkauf von apothekenpflichtigen Arzneimitteln in der Praxis kann neben den berufsrechtlichen Folgen auch als Ordnungswidrigkeit mit erheblichen Bußgeldern geahndet werden oder bei Hinzutreten weiterer Umstände strafrechtliche Folgen haben.
Ass. jur. Kathleen Hoffmann