„Wenn es eng wird in der Brust – koronare Herzkrankheit“
Kurzfassungen der Vorträge
Das regionale Herzinfarktregister Sachsen-Anhalt (RHESA)
Hintergrund
Die altersstandardisierte Mortalität bei Herzinfarkt lag im Jahr 2010 in Sachsen Anhalt um 43% über dem Bundesdurchschnitt (Deutscher Herzbericht 2011). Damit nahm Sachsen-Anhalt bundesweit die Spitzenposition ein. Bisher liegen aber keine systematischen Erhebungen zur Ursache dieser erhöhten Mortalität vor. Das Ziel ist es, in einer städtischen und einer ländlichen Wohnbevölkerung des Landes Sachsen-Anhalt eine regionale bevölkerungsbezogene Herzinfarktregistrierung zu etablieren, um zu untersuchen, durch welche strukturellen und prozessualen Faktoren sich die überdurchschnittlich hohe Mortalität am akuten Myokardinfarkt im Land Sachsen-Anhalt erklären und durch welche Maßnahmen sie sich gezielt beeinflussen lässt.
Methoden
Eine städtische (Einwohner der Stadt Halle) und eine ländliche Bevölkerung (Einwohner der Region Altmark) stellen die Registerpopulation von 345.120 Menschen im Alter von 25 Jahren und mehr. Erwartet werden in dieser Population rund 1.700 Herzinfarkte pro Jahr. Für die Herzinfarktregister-Regionen werden Mortalitäts- und Letalitätsparameter (Prähospitalmortalität, Letalität <48h, 28 und 365 Tage) sowie Versorgungsparameter (u.a. pain to contact, contact to balloon, door to balloon) für ST-Hebungsinfarkte und Nicht-ST Hebungsinfarkte ermittelt. Des Weiteren werden Faktoren der Struktur-und Prozessqualität wie z.B. die Kapazität von Herzkathetern, Intensiv- und kardiologische Krankenhausbetten, kardiochirurgische Abteilungen und Betten, Notarztsystem, Notfallmaßnahmen in der Prähospitalphase sowie kardiale Interventionen untersucht. Registriert werden tödliche und überlebte Herzinfarkte. Überlebte Herzinfarkte werden durch 15 meldende Krankenhäuser an das RHESA übermittelt. Tödliche Herzinfarkte werden von Gesundheitsämtern der Registerregion in Kooperation mit den leichenschauenden Ärzten und Hausärzten an das RHESA pseudonymisiert gemeldet.
Ausblick
Das regionale Herzinfarktregister bietet eine Basis für gezielte Präventionsansätze, eine verbesserte Gesundheitsberichterstattung, eine Stärkung der epidemiologischen Versorgungsforschung, eine langfristige Senkung der Herzinfarktmortalität in Sachsen‐Anhalt und Vergleichbarkeit mit etablierten Herzinfarktregistern.Korrespondenzanschrift:
Prof. Dr. med. Andreas Stang, MPH
Institut für Klinische Epidemiologie (IKE)
Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Magdeburger Str. 8, 06097 Halle (Saale)
Tel. 0345-557-3567, Fax. 0345-557-4565
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Versorgung von Patienten mit einem Akuten Koronarsyndrom im Rettungsdienst
Der Rettungsdienst besteht aus Notfallrettung und qualifiziertem Patiententransport. Er ist in den Rettungsdienstgesetzen der Bundesländer geregelt und sorgt nach präklinischer medizinischer Versorgung durch dafür qualifiziertes Personal für die Beförderung in für die weitere Versorgung geeignete Einrichtungen. In einer oft unscharfen Abgrenzung zur Dringlichkeitsversorgung durch niedergelassene Ärzte oder den kassenärztlichen Notdienst adressiert der Rettungsdienst Personen, die sich in Lebensgefahr befinden oder denen schwere gesundheitliche Schäden drohen, wenn sie nicht unverzüglich medizinische Hilfe erhalten.
Landkreise und Kreisfreie Städte haben als Träger des Rettungsdienstes in den 14 Rettungsdienstbereichen von Sachsen-Anhalt dafür Sorge zu tragen, dass eine flächendeckende und bedarfsgerechte Vorhaltung von Rettungsmitteln besteht und unter Einhaltung der landesgesetzlich normierten Hilfsfrist von 12 Minuten für einen Rettungswagen und 20 Minuten für den Notarzt schnelle medizinische Hilfe geleistet werden kann. Diese Zeiten beginnen mit dem Eingang des Notrufes in der Rettungsleitstelle; sie müssen zumindest in 95 % der Fälle eingehalten werden.
In Sachsen-Anhalt stehen an mehr als 50 Standorten Notärzte für den Einsatz im Rettungsdienst bereit, sie leisten bei über 100.000 Einsätzen im Jahr notfallmäßig erste ärztliche Hilfe. Besonders bei Einsätzen in den Diagnosegruppen „Akutes Koronarsyndrom“, „Apoplex“, „Polytrauma“ und „Schädel-Hirn-Trauma“ bestimmt neben der Behandlungsqualität auch die Versorgungszeit über den Behandlungsausgang. Dies ist mit Schlagworten wie „Time is muscle“ eingängig vermittelt. Für diese wesentlichen notfallmedizinischen Krankheitsbilder ist die gesamte, für den Rettungsdienst zur Verfügung stehende Zeit im Konsens der Fachgesellschaften in den Eckpunkten zur Notfallmedizinischen Versorgung der Bevölkerung in Klinik und Präklinik auf 60 Minuten normiert worden. In diesem Zeitraum sind Notrufannahme, Anfahrt, Versorgung und Transport der Patienten subsummiert. Weitläufige und dünn besiedelte Regionen sind strukturell dadurch benachteiligt, dass die Entfernungen vom Einsatzort zur spezialisierten Einrichtung (Herzkatheter) hier besonders viel Zeit konsumieren kann. Bei größeren Entfernungen kann im Einzelfall durch den Einsatz von Rettungshubschraubern auch hier eine zeitgerechte Versorgung realisiert werden. Darüber hinaus kann beim ST-Hebungsinfarkt im Einzelfall der überbrückende Einsatz von Thrombolytika bis zur Herzkatheter-Intervention sinnvoll sein.
Zeitverläufe in der Klinik können bereits vom Rettungsdienst günstig beeinflusst werden; durch generelle Absprachen und intelligente Zuweisungsstrategien mit direktem telefonischem Kontakt zwischen Rettungsdienst und Krankenhausarzt können Katheterplätze bereits während der Anfahrt vorbereitet oder freigehalten werden. Die Versorgungszeit im Krankenhaus „Door to Balloon“ konnte in ersten Pilotuntersuchungen durch eine qualifizierte Voranmeldung um 25% gesenkt werden. Telemedizinische Elemente können durch EKG-Übertragung vom Notfallort zum Kardiologen zur Akzeptanz beitragen und möglicherweise zusätzlich Zeit sparen helfen; sie werden bereits punktuell auch in Sachsen-Anhalt erprobt und eingesetzt.
Neben der Betrachtung der Zeitabläufe ist natürlich die Qualität rettungsdienstlicher Leistungen eine wichtige Determinante des Behandlungserfolges. Strukturqualität bedeutet neben der flächendeckenden Vorhaltung besonders auch den Ausstattungsumfang der Rettungsmittel. Hier gehört seit einigen Jahren das 12-Kanal-EKG zum Standard, der in vielen Bereichen nicht nur im Notarzteinsatzfahrzeug sondern bereits in jedem Rettungswagen vorgehalten wird und die Diagnose des ST-Hebungsinfarktes erst umfänglich möglich macht.
In der ärztlichen Behandlung erfordert das akute Koronarsyndrom neben den Basismaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen regelhaft die notärztliche pharmakologische Intervention. Diese konzentriert sich besonders auf die Einsatzbereiche Kreislauftherapie/-ökonomisierung, Schmerztherapie/Sedierung und Antikoagulation/-aggregation/Thrombolyse. Sie sollte sich als vorgeschaltete Krankenhaustherapie verstehen und bedingt so, neben der Umsetzung der gültigen deutschen und europäischen Leitlinien, die enge Absprache mit den lokoregionalen Spezial- und Weiterversorgern. Die hierbei konsentierten Grundsätze lassen sich in rettungsdienstliche Algorithmen oder SOP´s umsetzen, die für die Akteure Handlungssicherheit herstellen, ohne die (not)ärztliche Therapiefreiheit dadurch begrenzen zu wollen. Eine kritische Analyse der Daten und Abläufe ermöglicht es den Ärztlichen Leitern Rettungsdienst, Verbesserungspotentiale in ihrem Bereich zu detektieren und im kontinuierlichen Qualitätssicherungsprozess umzusetzen.
Im Umfeld des Herzberichtes und der wiederholt für Sachsen-Anhalt sehr schlechten Ergebnisse hat der Rettungsdienst wie alle anderen Beteiligten natürlich ein besonderes Augenmerk auf Kardiale Notfälle zu richten und besondere Anstrengungen in diesem Teilbereich zu unternehmen; Vieles ist in den letzten Jahren bereits etabliert, Anderes möglicherweise noch nicht erreicht. Positive Elemente sind neben der Verbesserung der Ausstattung der Rettungsmittel und intensiver Schulungen des Personals beispielsweise Aktionen der Deutschen Herzstiftung zum früheren Notruf. Erste Hinweise aus dem südlichen Sachsen-Anhalt geben Hinweise auf einen im Gegensatz zum Bundesdurchschnitt mit fast 30 Minuten deutlich späteren Notrufzeitpunkt (104 vs. 79 Minuten). Die weitere Verbreitung von Hilfsmitteln zur Reanimation (AED) oder die erfolgten landesweiten Schulungsmaßnahmen für Telefonanweisungen durch die Rettungsleitstellen bei Notfällen sind weitere, gute Beispiele.
Gerne wird der Rettungsdienst an der in diesem Jahr angelaufenen wissenschaftlichen Evaluation in unserem Bundesland teilnehmen und in den festgelegten Regionen Altmark und Halle (Saale) motiviert am Herzinfarktregister Sachsen-Anhalt (Rhesa) mitwirken.
Korrespondenzanschrift:
Dr. Karsten zur Nieden,
Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, Halle/Nördlicher Saalekreis
BG-Kliniken Bergmannstrost
Klinik f. Anästhesiologie, Intensiv- u. Notfallmedizin
Merseburger Straße 165, 06112 Halle (Saale)
Tel.: 0345/132 77 11, Fax.: 0345-132 6344
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Medikamentöse Therapie nach akutem Koronarsyndrom
Hohe Sterblichkeit des Reinfarktes
Unverändert führen kardiovaskuläre Erkrankungen die Todesursachenstatistik an. Hierbei ist die (kumulierte) Sterblichkeit nach einem Reinfarkt weiterhin sehr hoch, so dass der Sekundärprävention zur Verhinderung eines erneuten Myokardinfarktes eine besonders große Bedeutung zukommt.
Leitlinienkonforme medikamentöse Therapie verbessert Prognose
Die entsprechenden Empfehlungen zur medikamentösen Nachbehandlung sind seitens der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in entsprechenden Leitlinien zur Behandlung des akuten Koronarsyndroms ohne (NSTEMI: European Heart Journal 2011) und mit ST-Streckenhebung (STEMI: EHJ, 2012) zusammengefasst (www.escardio.org/guidelines). Begleitend hierzu wurde eine deutschsprachige Kommentierung der europäischen Leitlinienempfehlung zur Behandlung des NSTEMI im vergangenen Jahr veröffentlicht (Kardiologe 2012; 6:283-301; http://leitlinien.dgk.org/leitlinien/).
Risikoeinschätzung mittels Scores
Verschiedene Risikotabellen (-scores) erlauben eine Vorhersage des Risikos kardiovaskulärer Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall u.a.). So besteht z.B. bei einem 65-jährigen Patienten, Raucher, mit arterieller Hypertonie (185/85 mmHg) und begleitender Hypercholesterinämie (7,8 mmol/l) entsprechend den ESC-Scorecharts (http://www.heartscore.org/de/Pages/welcome2.aspx) eine rund 50%ige Wahrscheinlichkeit für ein kardiovaskuläres Ereignis in den kommenden 10 Jahren. Bei entsprechender Blutdruck- und Cholesterinsenkung mittels Lebensstiländerung und medikamentöser Therapie kann dieses Risiko auf 9% abgesenkt werden; falls der Patient ergänzend noch das Rauchen einstellt: auf lediglich 4%!
Statintherapie – LDL-Zielwert<1.8 mmol
Im Mittelpunkt der medikamentösen Sekundärprävention bei akutem Koronarsyndrom steht die Absenkung des LDL-Cholesterins mittels Statintherapie auf Werte unter 1.8 mmol/l, da nach gegenwärtiger Datenlage unterhalb dieses Grenzwertes ein weiteres Voranschreiten der Koronarsklerose aufgehalten werden konnte. Dies war begleitend mit einer deutlichen Risikoverminderung für Reinfarkte verbunden. Falls auch mittels hochdosierter Statintherapie dieser Zielwert nicht erreicht wird oder aber unerwünschte Arzneimittelwirkungen eine Höherdosierung verhindern, kann eine Kombination mit einem Cholesterinresorptionshemmer (Ezetemib) erfolgen. Im Rahmen einer solchen Kombinationsbehandlung können auch unter niedrig dosierter Statintherapie beachtliche LDL-Absenkungen erreicht werden.
Verminderte Adhärenz (Einnahmetreue) erhöht die Sterblichkeit
Aus umfangreichen Registerdaten ist bekannt, dass die Einnahmetreue mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum akuten Myokardinfarkt abnimmt. Ebenso führen die zunehmende Anzahl verordneter Medikamente sowie deren Dosierungshäufigkeit über den Tag zu einer Abnahme der Therapietreue auf seiten des Patienten. Hier könnten Kombinations- und Retardpräparate sowie die individuelle Medikamentenblisterung einen Beitrag zur Abhilfe leisten. Darüber hinaus stellen strukturierte Versorgungsprogramme („managed care“) wie auch grupenpsychotherapeutische Interventionen (SWITCHD-Studie mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen zur Krankheitsaufklärung, Schulung der Selbstwahrnehmung und Beeinflussung von Fehlhaltungen) einen hilfreichen Ansatz zur prognostisch relevanten Verbesserung der Adhärenz dar.Korrespondenzanschrift:
Dr. med. R. Prondzinsky
Medizinische Klinik I
Carl von Basedow Klinikum
Weisse Mauer 52, 06217 Merseburg
Tel.: 03461/27 2001, Fax.: 03461/27 2002
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