Die Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und Apotheker Sachsen-Anhalts haben am 11. Januar 2017 auf ihrem traditionellen Neujahrsempfang und ihrem Pressegespräch den steigenden Versorgungsbedarf einer alternden Gesellschaft und deren Auswirkungen auf die medizinische Versorgung hervorgehoben. Die Ärztekammer Sachsen-Anhalt und die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA) waren in diesem Jahr die Ausrichter.
Pressegespräch
„Krebs- und Herzinfarktregister sind für die medizinische Versorgung im Land unerlässlich“
Die Präsidentin der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, Dr. Simone Heinemann-Meerz, führte in ihrem Statement aus, dass Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich eine viel zu hohe Herzinfarktsterblichkeit aufweist und ein erhöhtes Krebsrisiko mit dem steigenden Altersdurchschnitt einhergeht. Daher sind beide Register notwendig für die Erforschung der Ursachen und Faktoren der hohen Sterblichkeit.
Dabei verwies sie auf eine aus dem Jahr 2013 resultierende gesetzliche Verpflichtung aller Bundesländer, ein Klinisches Krebsregister bis Ende 2017 einzurichten. Andere Bundesländer sind da schon wesentlich weiter als Sachsen-Anhalt. Erst im Mai des vergangenen Jahres wurde die Ärztekammer durch das Ministerium angesprochen, inwiefern sie sich die Führung eines solchen Registers vorstellen kann. Nach intensiver Beratung im Vorstand wurde eine grundsätzliche Bereitschaft dazu erklärt. Jedoch ist der Zeitverzug von mittlerweile drei Jahren zu bedauern, wodurch die Umsetzung bis zum Jahresende kaum zu realisieren ist. Die Finanzierung des Registers muss auf festen Füßen stehen und in Ruhe vorbereitet werden, um ein funktionsfähiges und förderfähiges Landeskrebsregister zu realisieren. „Für uns muss Klarheit bestehen, dass die Kosten, die mit der Errichtung und dem Betrieb verbunden sind, von den Krankenkassen und dem Land getragen werden. Mittel der Ärztekammer dürfen dafür nicht verwendet werden“, stellte die Präsidentin klar. Anfang November 2016 fand eine Sitzung mit Vertretern des Ministeriums, der Krankenkassen und der Ärztekammer statt. In vielen Punkten des Gesetzestextes zum Krebsregistergesetz wurde eine Einigung erzielt. Doch es widerspricht jeglicher parlamentarischen Spielregel, dass dem Kabinett nun ein Entwurf zur schriftlichen Anhörung vorliegt, der in wesentlichen Teilen von der im November weitestgehend konsentierten Fassung abweicht.
Zudem wurde kurz vor dem Jahreswechsel bekannt, dass die Kosten für die Fortführung des 2013 ins Leben gerufene regionale Herzinfarktregister Sachsen-Anhalt (RHESA) nicht im Landeshaushalt eingeplant wurden. Es wurde seitens des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration darauf gesetzt, dass die Finanzierung durch den Innovationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss geregelt wird, was jedoch nicht passierte. Dazu meinte Frau Dr. Heinemann-Meerz: „Wenn das Ministerium die Daseinsvorsorge für unser Bundesland ernst nimmt, muss dieses Register die nächsten Jahre fortgesetzt werden.“ Daher ist es erfreulich, dass nunmehr die Finanzierung offenbar gesichert wird.
Neue Lösungswege für Sicherung der Versorgung
Der Vorsitzende des Vorstands der KVSA, Dr. Burkhard John, berichtete, dass eine flächendeckende medizinische Versorgung und die Nachbesetzung von Praxen auf dem Land immer schwieriger werden. Es wurden bereits viele Maßnahmen getroffen, um die ambulante Versorgung so weit wie möglich als flächendeckend und wohnortnah zu erhalten. In manchen Fällen muss diese durch eine Eigeneinrichtung der KVSA gesichert werden. Denn diese Probleme können nicht mehr durch Instrumente des vorherigen Jahrhunderts gelöst werden. Die Eigeneinrichtungen können jungen Kollegen die Angst vor der Selbstständigkeit nehmen, um später für eine eigene Praxis verantwortlich zu sein. Da sich die Einstellung der jungen Kollegen zum Beruf verändert hat und sie weniger das wirtschaftliche Risiko der Selbstständigkeit übernehmen möchten, sind neue Lösungswege erforderlich. Die Erhöhung der Landeskinderquote und die Einführung einer Landarztquote wären praktikable Instrumente, um den Versorgungsengpässen entgegen zu wirken.
Flüchtlingsversorgung sichern und vereinheitlichen
Für die Zahnärzteschaft ging Dr. Carsten Hünecke, Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, auf die Versorgung der Flüchtlinge ein. Die Zahnärzte im Land leisten dafür – trotz großer Hürden – einen großen Beitrag. Vor diesem Hintergrund forderte der Präsident einen einheitlichen Maßnahmenkatalog bei der zahnärztlichen Versorgung von Flüchtlingen, die noch immer durch Kommunikationsschwierigkeiten geprägt ist.
Ebenso stellen die nach Sachsen-Anhalt kommenden Kollegen mit Migrationshintergrund eine Chance dar, da es in vielen Praxen an gut ausgebildetem und motiviertem Personal fehlt. Die ersten Flüchtlinge hätten schon über die von der Kammer für ausländische Zahnärzte angebotene Gleichwertigkeitsprüfung ihre Chance ergriffen.
Wohnortnahe Arzneimittelversorgung wird schwieriger
Als große Herausforderung für die Versorgung durch die Apotheken sieht Dr. Jens-Andreas Münch, Präsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt, die wohnortnahe Arzneimittelversorgung. In Orten, in denen Ärzte praktizieren, aber keine Apotheke ansässig ist, wird die Versorgung mittels Rezeptsammelstellen geregelt.
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes wurde die deutsche Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente aufgehoben. Der Präsident warnte, dass es dadurch zu keinem Wettbewerb der Preise unter den Apotheken kommen darf, um viele Patienten zu gewinnen.
„Das Ministerium steht in der Verantwortung“
Auf dem anschließendem Neujahrsempfang verwies Frau Dr. Heinemann-Meerz noch einmal vehement auf die Problematik des Herzinfarkt- und klinischen Krebsregisters, die sie bereits in dem vorangegangen Pressegespräch erläutert hatte, und die Rolle des zuständigen Ministeriums. Sie richtete dabei klare und kritische Worte an die anwesende Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt, Petra Grimm-Benne. Sie forderte, diese Projekte endlich gemeinsam zu einem guten Ende zu führen.
Gemeinsam an einem Strang ziehen
Die Ministerin betonte in ihrem Grußwort die Notwendigkeit, dass die im Gesundheitsbereich Verantwortlichen an einem Strang ziehen müssen, um die Gesundheitsziele zu sichern. Dabei hofft sie, u. a. die Unterstützung der Ärztekammer zu bekommen. Sie äußerte ihr Verständnis für die Ungeduld bei der Umsetzung des klinischen Krebsregisters in Sachsen-Anhalt. Die Ministerin bat jedoch ihrerseits um Verständnis, dass das parlamentarische Verfahren hier beachtet werden muss. Sie weiß um die verantwortungsvolle Aufgabe, die die Kammer mit diesem Register übernimmt, und hat bei dessen Errichtung Vertrauen in ihr Ministerium und die Kammer.
Laut der Ministerin soll die Finanzierung des Herzinfarktregisters nun durch eine Umschichtung im Haushalt gesichert werden.
Es wurde eine gemeinsame Pressemitteilung der Heilberufe Sachsen-Anhalt unter dem Titel „Zukunftssichere Versorgung in Sachsen-Anhalt“ herausgebracht. Diese sowie die Pressemitteilung „Krebs- und Herzinfarktregister Sachsen-Anhalt für eine zukunftsfähige medizinische Versorgung im Land“ der Ärztekammer werden im Anschluss veröffentlicht.