
Herausfordernde Zeiten für die Heilberufler in Sachsen-Anhalt
Der diesjährige Neujahrsempfang der Heilberufe zum Jahresauftakt konnte durch die anhaltende Corona-Pandemie und der damit verbundenen Hygienemaßnahmen nicht stattfinden.
Das begleitende Pressegespräch hingegen konnte am 12. Januar 2022 in digitaler Form durchgeführt werden. Ausrichter waren die Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt. Die weiterhin bestehenden Herausforderungen der Pandemie für das Gesundheitswesen, die Impfkampagne, die Impfpflicht und die Finanzierung der sachsen-anhaltischen Kliniken waren zentrale Themen des Pressegesprächs.
Unterstützung beim Impfen durch die Zahnärzteschaft
Die Zahnärzteschaft eröffnete als diesjähriger Organisator das Pressegespräch. Vor dem Hintergrund, dass das aktuelle Infektionsschutzgesetz die Möglichkeit zulasse, dass auch weitere Berufsgruppen, wie u. a. die Zahnärztinnen und -ärzte, in die Impfkampagne einbezogen werden sollen, signalisierte sie ihre Unterstützung beim Impfen. Voraussetzung dafür sei eine zusätzliche fachliche Qualifikation, mit der sie bereits begonnen habe. Diese umfasse neben einer theoretischen Ausbildung als Online-Kurs einen praktischen Teil und Praktikum bspw. in einem Impfzentrum. Die technischen Anbindungen zur Übermittlung der notwendigen Meldungen bedarf einer dauerhaft tragfähigen Lösung. Daher werde es noch Zeit in Anspruch nehmen, bevor tatsächlich eine Impfung in einer Zahnarztpraxis stattfinden könne.
Abschließend wurde betont, dass man sich beim Impfen nicht als Konkurrenz zu den Ärzten verstehe. Vielmehr möchte man – beispielsweise in Impfzentren und mobilen Impfteams – bei Bedarf unterstützen können. Sowohl die Vertreter der Apotheker, als auch Tierärzte pflichteten dem später bei.

Corona-Pandemie – Brennglas für Probleme im Gesundheitssystem
Ärztekammerpräsident Professor Uwe Ebmeyer dankte der Ärzteschaft für ihr unermüdliches Engagement bei der Bewältigung der coronabedingten Herausforderungen und das bisher Geleistete. Er wies darauf hin, dass die derzeitige Pandemie ein Brennglas für bestimmte (Struktur-)Probleme sei. So wurde im Gesundheitssystem wieder einmal mehr der Personalmangel im Bereich der Ärzte und der Pflege vor Augen geführt. Die Ärztekammer Sachsen-Anhalt ist im intensiven Austausch mit beiden Medizinischen Fakultäten und der Landesregierung, um Wege zu finden, die eine langfristige medizinische Versorgung im stationären als auch ambulanten Bereich sicherstellen. Diese Bemühungen zielen insbesondere darauf ab, dass sachsen-anhaltische Abiturienten zukünftig vermehrt in Sachsen-Anhalt studieren können.
Der Investitionsstau in den Krankenhäusern sei ein weiterer Punkt, der durch die Pandemie deutlicher geworden ist. In den Krankhäusern sei es unter den Bedingungen der Corona-Pandemie zu erheblichen finanziellen Belastungen gekommen. Die Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag Maßnahmen zum Abbau des Investitionsstaus beschlossen. Der Kammerpräsident mahnte deren zügige und erfolgreiche Umsetzung an.
Bundesweit müssten neue Maßnahmen gefunden werden, um die Versorgung von Patientinnen und Patienten zu gewährleisten, so Professor Ebmeyer. Hierbei wird das Kleeblatt-Konzept seit eineinhalb Jahren erfolgreich eingesetzt. In den vergangenen Wochen und Monaten konnte dadurch die länder-übergreifende intensivmedizinische Versorgung in den Bundesländern gewährleistet werden.
Rückendeckung für Medizinerinnen und Mediziner beim Impfen
Der Kammerpräsident erklärte gemein-sam mit Dr. Jörg Böhme, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA), dass die Ärztinnen und Ärzte die Impfkampagne vorangebracht haben und dies auch in Zukunft leisten können. Beide Ärzteschaft-Vertreter bekräftigten, dass eine Steigerung der Zahl der Impfungen möglich wäre, wenn der Impfstoff nicht seit Wochen quotiert werden würde. Vor dem Hintergrund der Aussagen der anwesenden Vertreter der Heilberufler zum Impfen durch andere Berufsgruppen erklärte Professor Ebmeyer: „Wir brauchen nicht mehr Berufsgruppen, die mitimpfen. Wir brauchen dauerhaft mehr Impfstoff ohne Mengenbegrenzung, um Impftermine und Impfaktionen zuverlässig planen zu können.“
Für die Ärzteschaft sei es normal, sich der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe des Impfens zu stellen. Sie arbeiten neben ihrer ärztlichen Tätigkeit in Fieberambulanzen, Impfzentren und mobilen Impfteams. Es sei nicht akzeptabel, wenn sie dabei diversen Beschimpfungen ausgesetzt werden oder auch Drohbriefe erhalten. „Das darf nicht ohne Weiteres hingenommen werden“, so Professor Ebmeyer und Dr. Böhme. Vor diesem Hintergrund unterstützen beide die Forderung des 125. Deutschen Ärztetages, „Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte“ nicht zu tolerieren. Zudem verwiesen sie darauf, dass der Gesetzgeber bereits 2018 dazu aufgefordert wurde, die ambulant und stationär tätigen Ärzte in den Straftatbestand (§ 115 StGB) mit aufzunehmen und sie durch diesen Paragraphen zu schützen. Dies muss für alle Mitarbeitenden im Gesundheitswesen gelten.
In Bezug auf die Digitalisierung betonte der Vorstandsvorsitzende der KVSA, dass es für die Politik eine Selbstverständlichkeit sein sollte, der Vertragsärzteschaft den Rücken für die Impfkampagne zu stärken und die Praxen der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte in dieser besonderen Zeit nicht mit unausgereiften IT-Anwendungen zu belasten. Die verpflichtende Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und des eRezepts zu Beginn des Jahres erhöhe den Druck in den Praxen, der zusätzlich zum Impfen, Testen und Behandeln auf den Schultern der Ärzteschaft laste. Der tägliche Arbeitsablauf sollte nicht durch noch mehr unausgereifte Anwendungen beeinträchtigt werden.
Die Impfpflicht sei ein Baustein, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Zudem bringe sie einen höheren Schutz der älteren und chronisch kranken Bevölkerung mit sich. Falle eine Praxis aufgrund nichtgeimpften Personals und der Ärztinnen und Ärzte aus, könne vor allem im ländlichen Raum die medizinische Versorgung gefährdet sein, so Böhme.
Es werden jedoch erhebliche Probleme in der Durchsetzung einer allgemeinen Impfpflicht gesehen. Unklar sei derzeit, wie lange der Schutz anhalte und wie oft geimpft werden muss. Darüber hinaus sind weitere Fragen, wie schnell ein Impfregister aufzubauen sei, wer ab wann nach der Impfung und Boosterung nicht mehr als geimpft gelte, wer den Impfstatus des Einzelnen kontrolliere und wer wie Verstöße ahndet, zu klären.
Herausfordernde Aufgaben
Das vergangene Pandemie-Jahr war für die Apothekerinnen und Apotheker durch Sonderleistungen geprägt, die sie zu erbringen hatten, wie z. B. die Maskenverteilung im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums und die logistisch anspruchsvolle Versorgung der Arztpraxen mit dem neuen Impfstoff. Seit vergangenem Sommer sei für sie ergänzend die Ausstellung des digitalen Impfzertifikates hinzugekommen. Diese zusätzlich übernommenen Leistungen haben die Apothekerinnen und Apotheker neben ihrer eigentlichen Aufgabe der flächendeckenden Arzneimittelversorgung zu erfüllen.
Nicole Fremmer
Redaktion Ärzteblatt Sachsen-Anhalt
Foto: KVSA