
Am 22. und 23. April trafen sich die Mitglieder der Kammerversammlung unter Beachtung der geltenden Hygieneregeln zu ihrer 3. Sitzung der VIII. Wahlperiode in Quedlinburg. Die Sitzung begann mit der Verleihung des Ehrenzeichens der Ärztekammer Sachsen-Anhalt an Herrn Dr. med. habil. Dr. rer. nat. Jürgen Metzner. Er wurde als eine bedeutende Persönlichkeit aus den Reihen der Sachsen-Anhaltischen Ärzteschaft ausgezeichnet.
„Als Ethikkommission sollen wir den Arzt vor der Durchführung biomedizinischer Forschung berufsethisch und berufsrechtlich beraten. Herr Dr. Metzner hat dies durch seine vielfachen wissenschaftlichen Arbeiten hervorragend umgesetzt.“

Frau Dr. med. Maike Hartmann würdigte in ihrer Laudatio das besondere Engagement des Hallenser Arztes in der Ethikkommission, deren Gründungsmitglied er war.

Es war ihm nicht nur ein Anliegen, das Leben, die Gesundheit, die Privatsphäre und die Würde der Patientinnen und Patienten in den Studien zu schützen, genauso kümmerte er sich um die Anliegen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Dr. Maike Hartmann dankte ihm für seine Arbeit in der Ethikkommission, zu deren Vorsitzender er 2008 gewählt wurde. Sie hob dabei seine herausragende Führung dieser Kommission hervor, die sich durch seine besonnene und ruhige Art auszeichnete, mit der er auch bei hitzigen Diskussionen einen gemeinsamen Konsens erreichen konnte.
Aktuelle Herausforderungen in Folge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges
In seinem Statement äußerte sich der Vizepräsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, Herr Thomas Dörrer, zur aktuellen Gesundheitspolitik. Der bereits seit zwei Monaten andauernde Ukraine-Krieg bestimme auch die Tätigkeit der Kammer. Schätzungsweise fünf Millionen Geflüchtete außerhalb der Ukraine habe dieser Krieg hervorgerufen, von denen eine größere Zahl in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt Zuflucht gefunden haben.
Für Sachsen-Anhalt ist von mindestens 20.000 Geflüchteten auszugehen, unter ihnen sind ca. 6.000 Kinder. Gerade für die Kinder ist eine schnelle Integration z. B. in die Schulen erforderlich.
Vor diesem Hintergrund fand auf Initiative der Ärztekammer im März dieses Jahres ein Gesundheitskabinett in der Staatskanzlei statt. Neben der Ärztekammer waren Vertreter des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, des Ministeriums für Inneres und Sport, des Ministeriums der Finanzen und der Staatskanzlei anwesend, ebenso Vertreter des Gesundheitswesens, u.a. der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA). Inhalte dieser Beratung waren u.a. die Herausforderungen bei der Versorgung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge und die gegenwärtige Situation der Corona-Pandemie. Hinsichtlich der Situation der Kriegsflüchtlinge wurde deutlich, dass die Interaktion der Ministerien zu diesem Thema deutlich entwickelt werden muss. Dem Gesundheitskabinett folgte ein weiteres Treffen der Vertreter aus dem Gesundheitswesen und zusätzlich den Vertretern beider Universitätskliniken als „Gesundheitsgipfel“ in der Ärztekammer. Dabei einigte man sich auf ein gemeinsames Schreiben an die Gesundheitsministerin, Petra Grimm-Benne, in dem auf die prekäre Vorbereitung des Gesundheitssystems auf derartige Sonderlagen hingewiesen wurde, wie z. B. die Versorgung der Geflüchteten und der Einsatz in der Pandemie
„Gerade für die minderjährigen Schutzsuchenden ist eine schnelle Integration und medizinische Versorgung unabdingbar.“

Herr Dörrer führte weiter aus, dass unnötige und aufwendige Bürokratie einer schnellen Integration und Versorgung noch im Weg stehen. Bisher müssten Geflüchtete vor einem Arztbesuch erst einen Behandlungsschein beim Sozialamt beantragen, der ihnen dann den Zugang zu eingeschränkten medizinischen Leistungen ermögliche. Hier sei die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte auch in Sachsen-Anhalt dringend erforderlich. „Dass es funktioniert, zeigt die Umsetzung in einigen Bundesländern. Da sich auch Ministerin Grimm-Benne unlängst dafür ausgesprochen hat und da sie aktuell die Gesundheitsministerkonferenz als Vorsitzende leitet, hofft die Ärzteschaft auf eine zügige Umsetzung im Land“, so Thomas Dörrer weiter. In Anbetracht dieser Tatsache, forderten die Teilnehmenden zu einem späteren Zeitpunkt in der Sitzung der Kammerversammlung einstimmig die sofortige Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) für Geflüchtete.
Durch den Krieg in der Ukraine gerate die Corona-Pandemie aus dem Fokus, betonte Thomas Dörrer weiter. Die allgemeine Impflicht fand keine politische Mehrheit. Daher stelle sich die Frage, ob dadurch die seit dem 16. März gültige Impfpflicht für Mitarbeitende im Gesundheitswesen in Frage gestellt werde.
In seinem Statement wies Thomas Dörrer auf die Gespräche mit dem Vorstandsvorsitzenden der KVSA, Dr. med. Jörg Böhme, und der Bildungsministerium, Eva Feußner hin. Gemeinsam wird die konkrete Umsetzung des Projekts „Ärzte für Sachsen-Anhalt“ forciert. Herr Dörrer übernähme selbst als Vizepräsident dieses Vorhaben. Geplant sei ein dreistufiger Veranstaltungsblock in den Schulen des Bundeslandes, in dem den Abiturientinnen und Abiturienten die Möglichkeiten und Chancen eines Medizinstudiums im Land erläutert werden.
Im weiteren Verlauf der Versammlung wurde die Anpassung des Leitbildes der Ärztekammer Sachsen-Anhalt beschlossen. So findet sich nun u.a. ein Bezug zur Umwelt im Leitbild. Der Vizepräsident wies darauf hin, dass die Ärztekammer eine Baumpflanzaktion im Harz initiiert hat, dies wurde positiv von der Kammerversammlung aufgenommen.
Im Fokus der weiteren Sitzung standen die Haushaltsangelegenheiten, wie die Prämissen der Haushaltsplanung 2023.
Des Weiteren wurde auch über die kinder- und jugendmedizinische Sicherstellung in den Kliniken des Bundeslandes beraten, ebenso über die Gesundheitsfachberufe – hier besonders über das Studium zum Physician Assistant – und die strukturiertere Gestaltung der Weiterbildung. Der Beschluss über den Tätigkeitsbericht 2021 und die 1. Änderung der Satzung der Schlichtungsstelle für Arzthaftungsfragen waren weitere Punkte auf der Tagesordnung. Die gemachten Erfahrungen mit der im letzten Jahr beschlossenen Satzung der Schlichtungsstelle machten hier verfahrenstechnische Anpassungen erforderlich. Abschließend einigten sich die Mitglieder der Kammerversammlung auf die vier folgenden wesentlichen Forderungen, die an den Deutschen Ärztetag im Mai in Bremen gerichtet werden sollen.
- Besonders wichtig ist die sektorübergreifende Sicherstellung der Kinder- und Jugendmedizin. Die Pädiatrie wird aufgrund der gegenwärtigen Erlössituation in den Kliniken oft aus Kostengründen aufgegeben – neben der fehlenden Versorgung der Patientinnen und Patienten entfallen dabei immer mehr Weiterbildungsstellen in der Pädiatrie.
- Ebenso soll auf die Einführung des persönlichen Weiterbildungsbudget für die Facharztkandidaten hingewirkt werden.
- Gerade in den ländlichen Regionen ist die Integration der verschiedenen Gesundheitseinrichtungen dringend erforderlich, dabei muss eine verlässliche Finanzierung über die vorhandenen Fallpauschalen hinaus auch die Vorhaltekosten sicherstellen.
- Für Deutschland ist eine krisenfeste und resiliente Struktur der Gesundheitseinrichtungen notwendig – dazu muss auch die Bevorratung mit medizinischem Sachbedarf und besonders mit den erforderlichen Arzneimitteln überregional, bundesweit und sektorübergreifend geregelt werden.
Die Übersicht aller Beschlüsse der 3. Sitzung der Kammerversammlung finden Sie im Anschluss. Die nächste Kammerversammlung findet am 19. November 2022 statt.
Prof. Dr. Hermann-Josef Rothkötter
Fotos: ÄKSA