
vom 24. bis 27. Mai 2022:
Der diesjährige Deutsche Ärztetag (DÄT) in Bremen konnte in fast gewohnter Form stattfinden. Ein Ausfall des Ärztetages oder größere pandemiebedingte Einschränkungen waren, erstmals seit dem DÄT 2019 in Münster, nicht notwendig geworden.
Eröffnungsveranstaltung
Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, dankte in seiner Rede den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitswesens für ihr Engagement in der Corona-Pandemie. Ihnen ist die Aufrechterhaltung des Gesundheitswesens zu verdanken gewesen.
Mehrfach verwies der Präsident auf die weiter zunehmende Arbeitsverdichtung, auch aufgrund von Personalmangel. Das Personal stehe einem immer höheren zeitlichen und wirtschaftlichen Druck gegenüber. Dr. Reinhardt forderte daher dringend notwendige Reformen im Gesundheitswesen. 6.000 zusätzliche Medizinstudienplätze müssen schnell geschaffen werden. Er erneuerte die Forderung, dass der Bund Verantwortung bei den Investitionen der Krankenhäuser übernehme, dies sei neben den Investitionsverpflichtungen der Bundesländer notwendig.

Mit deutlichen Worten stellte sich Herr Dr. Reinhardt nicht zuletzt gegen die ausbleibende Umsetzung der Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Dies empfinde die Ärzteschaft als Affront. Eine reformierte GOÄ würde die ärztliche Arbeit erleichtern und mehr Transparenz auf allen Seiten schaffen. Das rechtliche Regelwerk sei bereits komplett fertiggestellt und konsentiert. Die Erarbeitung der Leistungsbeschreibungen erfolgte unter Einbeziehung von 165 ärztlichen Berufsverbänden und Fachgesellschaften. Derzeit erfolgen intensive Verhandlungen über die Preise. Dr. Reinhardt forderte den Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach auf, die GOÄ-Reform nach den vielen Jahren des Stillstandes anzugehen und übergab dem Bundesgesundheitsminister als Gastgeschenk das erste gedruckte Exemplar der neuen GOÄ.
Prof. Lauterbach sicherte die unvoreingenommene Prüfung der GOÄ zu. In seinem Grußwort dankte auch er der Ärzteschaft für das Geleistete in den vergangenen Jahren und bestätigte die Notwendigkeit zusätzlicher Medizinstudienplätze.
Solidarität mit der Ukraine
Zu Beginn der Plenarsitzung des Ärztetages berichtete der Präsident der Weltförderation Ukrainischer Ärztlicher Vereinigungen, Herr Professor Dr. Andrey Bazylevych, über die Lage in seinem Land. Zahlreiche Krankenhäuser und Apotheken seien durch den Angriffskrieg zerstört und medizinische Ausrüstung gestohlen oder beschädigt. Mindestens 12 medizinische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien getötet und viele verletzt worden. Nach seiner emotionalen Rede zeigten die Abgeordneten den Schulterschluss mit ihren ukrainischen Kolleginnen und Kollegen durch Standing Ovations.
Im Anschluss begannen die Debatten und Beschlüsse zu den Themen des Ärztetages. Die Beschlüsse können Sie online abrufen unter: https://126daet.baek.de/
Die wichtigsten Beschlüsse stellen wir Ihnen im Folgenden kurz dar.

Leitantrag zur Reformierung des Gesundheitswesens
In dem Leitantrag „Zuwendung statt Zuteilung – den Menschen zum Maßstab“ haben die Abgeordneten des DÄT eine umfassende Reformierung des Gesundheitswesens gefordert. Sie verweisen darauf, dass die Corona-Pandemie auch Defizite des Gesundheitssystems in Deutschland aufgezeigt hat. So wurde klar, dass die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung gestärkt werden müsse. Aber „Insbesondere sind die ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen patientengerecht, sektorenverbindend und digital vernetzt auszugestalten.“ Ein Antrag der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, der gemeinsam mit Kollegen der Landesärztekammer Sachsen eingereicht wurde, geht bei der Frage der Resilienz weiter und fordert „die personelle, materielle und organisatorische Krisenfestigkeit des Gesundheitssektors der Bundesrepublik Deutschland zeitnah signifikant zu erhöhen“.
Dafür müssen angemessene planerische, organisatorische und personelle Vorbereitungen zur Bewältigung möglicher Krisen getroffen werden. Gleichzeitig ist die ausreichende Finanzierung aller zur Bewältigung von Sonderlagen relevanten Regelversorgungsbereiche sicherzustellen. Der Antrag wurde zur weiteren Umsetzung dem Vorstand der Bundesärztekammer überwiesen.
Das Ärzteparlament forderte zudem eine rasche Fertigstellung der Novelle der ärztlichen Approbationsordnung. Außerdem wurde eine Verbesserung der Bedingungen im Praktischen Jahr eingefordert.

Beschlussanträge aus Sachsen-Anhalt
Am zweiten Tag des DÄT wurden auch die Anträge der Ärztekammer Sachsen-Anhalt beraten und beschlossen. Diese resultierten aus der vergangenen Kammerversammlung, in der die Delegierten unserer Kammer beauftragt worden waren, die von der Kammer beschlossenen Forderungen beim DÄT einzubringen.
Ein wesentlicher Antrag forderte die Sicherstellung der Finanzierung von Gesundheitseinrichtungen in ländlichen Regionen. Basierend auf diesem Antrag hat der Deutsche Ärztetag die Finanzierung eines flächendeckenden Netzes von Gesundheitseinrichtungen, insbesondere in ländlichen Regionen, gefordert. Diese soll durch eine Modernisierung der Investitions- und Betriebsfinanzierung dieser Einrichtungen sichergestellt werden.
Dabei wurde darauf verwiesen, dass stationäre Gesundheitseinrichtungen in ländlichen Regionen seit Jahren nicht mehr auskömmlich aus dem wettbewerbsorientierten DRG-Vergütungssystem finanziert werden können. Gesundheitseinrichtungen mit einem ausschließlichen Leistungsspektrum der Basisversorgung können so nicht auskömmlich betrieben werden. Die Notfallversorgung leidet unter vergleichbaren Zuständen. Es bedarf daher der dringenden Anpassung der Finanzierungssystematik des Gesundheitssystems an diese Situation.
Auch der sachsen-anhaltinische Antrag zur Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin wurde erfolgreich eingebracht und beschlossen. Er fordert die Modifizierung oder den Ersatz des DRG-Systems für die stationäre Versorgung im Fachgebiet Kinder- und Jugendmedizin. Zudem soll ein geeignetes System geschaffen werden, um die Facharztweiterbildung im Fachgebiet Kinder- und Jugendmedizin unabhängig von der Weiterbildungsstätte zu finanzieren.
Weiter soll u. a. die Anzahl von ambulanten Weiterbildungsstätten in der Kinder- und Jugendmedizin erhöht und deren Finanzierung ähnlich der in der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin mit Fördermitteln in ausreichender Höhe ermöglicht werden.
Auf Initiative unserer Delegierten erfolgte zudem der Beschlussantrag zur Schaffung der Voraussetzungen für ein persönliches Vergütungsbudget für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung. Dabei soll die Finanzierung zentral aus dem Gesundheitsfond und personenbezogen bereitgestellt werden. Darüber hinaus soll ein unkomplizierter Arbeitsplatzwechsel zwischen Weiterbildungsstätten unter Mitnahme dieses persönlichen Vergütungsbudgets erfolgen können. Hintergrund ist, dass Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung zunehmend einen oder mehrere Wechsel der Weiterbildungsstätten vornehmen. Arbeitsvertraglich als auch vergütungsbezogen entstehen hierbei häufig Schwierigkeiten.

Personalvorgaben für Ärzte
Zudem stand an diesem zweiten Tag die Thematik Ärztemangel und Personalvorgaben für Ärzte in Krankenhäusern im Mittelpunkt, die in den Beschluss mündete, dass die Bundesärztekammer (BÄK) darum gebeten wird, das bereits bestehende Instrument zur Kalkulation der abteilungsbezogenen ärztlichen Personalausstattung im Krankenhaus weiterzuentwickeln. Dies mit dem Ziel, dass der künftige Bedarf an den zu bewältigenden Aufgaben und nicht an dem Profit ausgerichtet wird.
Auswirkung der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche
Am dritten Tag befasste sich der DÄT mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche als Schwerpunktthema. In den eingehenden wissenschaftlichen Referaten und den folgenden Berichten und Beratungen, wurden die seelischen und körperlichen Auswirkungen sowie die Langzeitfolgen der Pandemie beeindruckend dargelegt. Gleichzeitig wurden die Möglichkeiten der Eindämmung negativer Auswirkungen beraten. Im Ergebnis forderte der DÄT die Verantwortlichen auf Bundes- und Landesebene dazu auf, bei zukünftigen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung das Wohl von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen. Als Beispiel wird gefordert, die Kitas und Schulen zukünftig so lange wie möglich geöffnet zu lassen.

Digitalisierung
Die Digitalisierung in der Medizin war das bestimmende Thema des letzten Kongresstages. Die Vorsitzenden des Ausschusses Digitalisierung der BÄK, Dr. Erik Bodendieck und Dr. Peter Bobbert, führten mit ihrem Sachstandsberichten in die Thematik ein. Die Beratungen im Anschluss zeigten den bestehenden Unmut in der Ärzteschaft, der aus der seit Jahren stockenden technischen Umsetzung der Digitalisierung resultiert. Gleichwohl bekannten sich die Abgeordneten zu einer zukünftigen Digitalisierung, soweit sie die Interessen der Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt setzt und technisch ausgereift ist. Der 126. DÄT fordert hierfür die Etablierung einer Erprobungsregion und eine eindeutige Rechtslage bezüglich der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeiten der Ärzteschaft. Dabei müssen die technologischen Neuerungen und notwendigen Hardware-Adaptationen zügig umgesetzt werden.
Weitere Beschlüsse
Der Einblick in die Entscheidungen des diesjährigen Ärztetages kann immer nur die zentralen Beschlüsse beleuchten. Bei Interesse können Sie alle Beschlüsse im Beschlussprotokoll einsehen unter:
https://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/126-deutscher-aerztetag-2022/beschlussprotokoll-des-126-deutschen-aerztetages-bremen-24-27052022/
Die Referate können Sie hier nachlesen:
https://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/126-deutscher-aerztetag-2022/referate-zu-den-tagesordnungspunkten/
Der kommende Deutsche Ärztetag ist vom 16. bis 19. Mai 2023 in Essen geplant.
Fotos: Jürgen Gebhardt
Fotos: ÄKSA