Einsichtsrecht für Ärztinnen und Ärzte in das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (ZVR) und Ehegatten-Notvertretungsrecht
Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts tritt zum 1. Januar 2023 in Kraft. Durch das Gesetz werden das Vormundschafts- sowie das Betreuungsrecht neu strukturiert und inhaltlich umfassend modernisiert.
Die Reform will insbesondere das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen stärken. Dieses Ziel wird unter anderem durch das neu geschaffene Ärzteeinsichtsrecht in das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (ZVR) erreicht, denn genauso wichtig wie die wirksame Regelung von Vorsorgeangelegenheiten ist es, dass die entscheidenden Stellen von den Regelungen erfahren, um diese berücksichtigen zu können.
Recht der Ärztinnen und Ärzte auf Einsicht in das ZVR
Für behandelnde Ärztinnen und Ärzte eines nicht ansprechbaren Patienten ist in einer medizinischen Notfallsituation wichtig, zu erfahren, wer Entscheidungen für den Patienten treffen kann und ob der Patient Vorgaben und Wünsche zu einer konkreten medizinischen Behandlung geäußert hat.
Diese Fragen können künftig in vielen Fällen durch Einsicht in das ZVR geklärt werden. Im Rahmen der Gesetzesreform ist der Kreis der Einsichtsberechtigten auf alle in Deutschland zugelassenen Ärztinnen und Ärzte erweitert worden. Eine Einsichtnahme durch Ärztinnen und Ärzte in das Register darf jedoch nur erfolgen, wenn sie für die Entscheidung über eine dringende medizinische Behandlung erforderlich ist.
Die Bundesnotarkammer führt das ZVR als staatliche Einrichtung mit gesetzlichem Auftrag seit 2004. Durch die öffentlich-rechtliche Trägerschaft ist sichergestellt, dass das ZVR auf Dauer zur Verfügung steht und nicht auf Gewinnerzielung angelegt ist. Mittlerweile sind im ZVR über 5,6 Mio. Vorsorgeverfügungen registriert.
Im ZVR können Privatmelder – also Bürgerinnen und Bürger – und sog. institutionelle Nutzer (z.B. Notare, Betreuungsvereine) Daten zu Vorsorgeregelungen registrieren. Darunter fallen Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen, Patientenverfügungen und Widersprüche gegen das neue gesetzliche Ehegatten-Notvertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten.
Im Register erfasst werden Daten zu:
- Art und Umfang der Vorsorgeverfügung(en),
- der Person des Vorsorgenden, sowie
- der Vertrauenspersonen, die der Vorsorgende benannt hat, damit sie im Ernstfall für ihn Entscheidungen treffen und kontaktiert werden können.
Die Registrierung einer Vorsorgevollmacht, Betreuungs- oder Patientenverfügung im ZVR entfaltet derzeit keine eigenständige Rechtswirkung, sie wirkt lediglich deklaratorisch. Das bedeutet, dass eine Registrierung nicht die wirksame Errichtung dieser Vorsorgeverfügungen ersetzen kann. Vielmehr muss einer Registrierung stets mindestens eine wirksam errichtete Vorsorgeverfügung zugrunde liegen.
Ehegatten-Notvertretungsrecht
Der Gesetzgeber führt für verheiratete Personen das zeitlich auf sechs Monate befristete Recht ein, den Ehegatten in einem gesundheitlichen Notfall – d.h. im Fall dessen Handlungsunfähigkeit aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit – in Angelegenheiten der Gesundheitssorge zu vertreten. Für Ärztinnen und Ärzte begründet § 1358 Absatz 4 BGB k.F. neue Dokumentations- und Nachweispflichten.
Das gesetzliche Vertretungsrecht besteht beispielsweise nicht, wenn dem Ehegatten oder der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der Betroffene eine Vertretung durch seinen Ehegatten in Gesundheitsangelegenheiten ablehnt oder er jemanden zur Wahrnehmung dieser Angelegenheiten bevollmächtigt hat, § 1358 Absatz 3 Nr. 2 BGB k.F.
Um den Willen des Betroffenen hinreichend berücksichtigen zu können, haben behandelnde Ärztinnen und Ärzte künftig die Möglichkeit, im ZVR zu überprüfen, ob der Patient entsprechende Eintragungen zu seinen Vorsorgeverfügungen veranlasst hat.
Ablauf des Registerabrufs
Wie bei den Betreuungsgerichten erfolgt die Auskunft an Ärztinnen und Ärzte im Wege eines automatisierten und elektronischen Verfahrens auf Abruf.
Das ZVR ist künftig an die Telematikinfrastruktur (TI) der gematik GmbH angebunden. Somit können sich Ärztinnen und Ärzte aus der TI heraus authentifizieren und beim ZVR anmelden. Hierdurch wird gewährleistet, dass die abfragende Person zur Einsichtnahme berechtigt ist. Für den Zugang benötigen Ärztinnen und Ärzte einen elektronischen Heilberufsausweis, ein Kartenlesegerät und den „Authenticator“ der gematik GmbH. Bei Letzterem handelt es sich um eine Desktop-Anwendung mit grafischer Benutzerschnittstelle, die von (Web-) Anwendungen aufgerufen wird, um Benutzer zu authentisieren. Wer über die technischen Voraussetzungen verfügt („gematik Konnektor“) und sich in der Produktivumgebung der TI befindet, kann das ZVR mit Hilfe eines Browsers unter der URL https://zvr-ae.bnotk.de erreichen. Nach Eingabe der Patientendaten in der Suchmaske erhält man eine übersichtliche Anzeige der Suchergebnisse. Im Anschluss erstellt das ZVR eine Negativ- oder Positivauskunft für die Dokumentation der Ärztin bzw. des Arztes. Im Rahmen einer Negativauskunft wird zudem ein Formular zum Ehegatten-Notvertretungsrecht bereitgestellt, mit dem der Arzt seinen Dokumentationspflichten (§ 1358 Abs. 4 BGB k.F.) nachkommen kann.
Nähere Informationen zu den technischen Zugangsvoraussetzungen für Ärztinnen und Ärzte bzw. Kliniken werden seitens der gematik GmbH bereitgestellt.
Protokolleinsicht durch Ärztekammern
Für Ärztekammern wird künftig die Möglichkeit bestehen, beim ZVR zu erfragen, ob und welche Auskünfte einem Kammermitglied auf dessen Anfrage hin erteilt worden sind (Protokolleinsicht). Hierdurch kann z.B. überprüft werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen gewahrt wurden, nach denen eine Einsicht in das ZVR nur gestattet ist, wenn diese für die Entscheidung über eine dringende medizinische Behandlung erforderlich ist.
Support durch die Registerbehörde
Das Zentrale Vorsorgeregister ist erreichbar unter der gebührenfreien Telefonnummer: 0800 35 50 500 oder per E-Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Weitere Informationen finden Sie außerdem auf www.vorsorgeregister.de.
Für die Beschaffung des elektronischen Heilberufsausweises und des Kartenlesegeräts können sich Ärzte an die Bundesärztekammer wenden, für die Beschaffung der Software "Authenticator" an die gematik GmbH.