Die Mitglieder der Kammerversammlung trafen sich am 21. und 22. April 2023 zu ihrer 5. Sitzung der VIII. Wahlperiode in Lutherstadt Wittenberg. Die Sitzung begann mit der Verleihung des Ehrenzeichens der Ärztekammer Sachsen-Anhalt an Herrn Dr. rer. nat. Horst von Kracht. Das Ehrenzeichen wird an Persönlichkeiten verliehen, die für den Bereich der Medizin und in der ärztlichen Selbstverwaltung Bedeutendes geleistet haben.

Ingo Genz ehrte Dr. rer. nat. Horst von Kracht
Ingo Genz ehrte Dr. rer. nat. Horst von Kracht

„Bei den kollegialen Gesprächen in der Ärztekammer, die wir im Rahmen unserer Tätigkeit durchführten, habe ich die ruhige und sachlich kompetente Art von Dr. von Kracht sehr geschätzt.“

Der Vorsitzende der Ärztlichen Stelle Röntgen der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, Ingo Genz, würdigte in seiner Laudatio das besondere Engagement des Magdeburger Medizinphysikers in der radiologischen Qualitätssicherung und später in der Fort- und Weiterbildung der Ärztekammer. Trotz seiner vielfältigen beruflichen Verpflichtungen zeigte er sich über zwei Jahrzehnte lang sehr engagiert und war nahezu wöchentlich ehrenamtlich tätig. (Die Laudatio haben wir Ihnen im Anschluss an diesen Artikel abgedruckt.)


Ansprache des Präsidenten

Aktuelle gesundheitspolitische Probleme

Der Präsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, Professor Uwe Ebmeyer dankte am Anfang seines Statements allen haupt- und ehrenamtlich Tätigen der Ärztekammer für die erbrachten Leistungen in den vergangenen drei Jahren, die stark von der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen geprägt waren:

„Sie alle haben gemeinsam bewiesen, dass ärztliche Selbstverwaltung auch unter schwierigen Bedingungen funktioniert.“

Die Pandemie habe sehr deutlich zahlreiche Schwachstellen des Systems gezeigt. So erreiche der Föderalismus seine Grenzen, wenn beispielsweise bei gleicher Lage ein Flickenteppich an Regeln und Maßnahmen angeordnet werde. Dies führe zu Verunsicherungen in der Bevölkerung, genauso wie die oft nicht erforderlichen und nicht abgesprochenen fachlichen Meinungsäußerungen. Daraus sollte auch die Ärzteschaft Lehren ziehen, folgerte der Kammerpräsident.

Der Präsident äußerte sich zur aktuellen Gesundheitspolitik
Der Präsident äußerte sich zur aktuellen Gesundheitspolitik

Die Kleeblatt-Struktur: Bewährtes System
Die Kleeblatt-Struktur, die während der ersten Pandemiewelle aus der Not heraus entwickelt wurde, habe sich als wirkungsvolles System bewährt. Es funktionierte Ende des vergangenen Jahres zeitweilig auch bei der Suche nach allgemeinstationären und Intensiv-Kapazitäten für Kinder mit schweren Atemwegsinfekten und wird weiterhin für die Aufnahme und Behandlung von etwa 700 kriegsverletzten Patienten aus der Ukraine genutzt, fasste Professor Ebmeyer zusammen. Es gebe seitens der Länder und des Bundes ernsthafte Bestrebungen, die Kleeblatt-Struktur dauerhaft zu etablieren.

Blick auf die Krankenhausreform
In seinen weiteren Ausführungen lenkte der Kammerpräsident den Blick auf die Krankenhausreform, die nicht nur weitreichende Auswirkungen auf den stationären Bereich, sondern auch auf die ambulante Versorgung haben solle. Der stationäre und der ambulante Sektor im deutschen Gesundheitssystem arbeiten bis heute ziemlich deutlich voneinander abgegrenzt. Neben dem kontinuierlichen Anstieg der Kosten in der stationären Versorgung werden gleichzeitig die Personalprobleme immer größer. Die Notfallversorgung, die sich zwischen diesen Welten bewege, solle keinen eigenen Sektor bilden, so Professor Ebmeyer. Die Übergänge zwischen der ambulanten und stationären Versorgung sollen offener werden – von einer zunehmenden Verzahnung der Sektoren sei hier die Rede.

Vor dem Hintergrund der komplexen Gesamtproblematik habe die Bundesregierung auf eine vom Gesundheitsminister zusammengestellte Kommission gesetzt, die bisher vier Stellungnahmen veröffentlicht habe. Während sich die erste Stellungnahme mit kurzfristig zu veranlassenden Maßnahmen befasse, um die Versorgung in der Pädiatrie und Geburtshilfe zu sichern, sei Thema der zweiten die bereits erwähnte Ambulantisierung. Die dritte Stellungnahme habe mit ihrem Schwerpunkt Krankenhausreform und Reform der Notfallversorgung eine sehr strategische Orientierung. In der vierten Stellungnahme stehe die Notfall- und Akutversorgung im Mittelpunkt.

Hier merkte Professor Ebmeyer beispielsweise die bisher fehlende Berücksichtigung des Rettungsdienstes und die noch immer leidige Frage einer effektiven IT-Vernetzung kritisch an. Der Kammerpräsident verwies in diesem Zusammenhang auf die eigene Krankenhausreform, die zeitgleich zu den angestrebten Strukturanpassungen auf Bundesebene von Sachsen-Anhalt angestoßen wurde. Hierzu wurde ein Krankenhausgutachten in Auftrag gegeben. Dieses konstatiert u. a., dass die Versorgung der Bevölkerung im Land mit 54 Krankenhausstandorten insgesamt gut, aber eine Bettenauslastung von nur 63 Prozent im Jahr 2021 die niedrigste aller Bundesländer sei. Bis 2035 würden daher 2.000 bis 4.000 vollstationäre Betten weniger benötigt. Jedoch sei insgesamt die fehlende Evaluation der Effekte zu beanstanden, die der im Gutachten festgestellte Fachkräftemangel auf die Leistungsfähigkeit oder daraus erwachsene Leistungseinschränkungen haben könne. Der Kammerpräsident bezeichnet dies als ein gravierendes Versäumnis – ebenso wie die fehlenden Empfehlungen, wie bestimmte Strukturveränderungen herbeigeführt werden können.

Gewinnung des ärztlichen Nachwuchses – grundlegende Reform notwendig
Ein weiteres zentrales Thema für alle Gremien in dieser Wahlperiode sei die Problematik der Gewinnung des ärztlichen Nachwuchses. Die gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Bildungsministerium ins Leben gerufene Aktion „Raus aus der Schule, rein in die Medizin“ könne allein das Nachwuchsproblem nicht lösen, so der Kammerpräsident. Eine grundlegende Reform der Zulassung zum Medizinstudium und der Kapazität an Studienplätzen sei hier zwingend erforderlich.

Abschließend kündigte Professor Ebmeyer eine zweite Baumpflanzaktion an, die nach der erfolgreichen Aktion im vergangenen Jahr am 17. November 2023 im Harz geplant sei. Er forderte alle Anwesenden auf, sich aktiv daran zu beteiligen, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Denn das gesundheitspolitische Thema Klimawandel werde uns in nächster Zeit intensiv beschäftigen, stellte er abschließend fest


127. Deutscher Ärztetag in Essen

Im Folgenden befasste sich die Kammerversammlung mit der Vorbereitung des 127. Deutschen Ärztetages (DÄT) vom 16.-19. Mai in Essen. Themen auf dem Ärztetag werden neben der allgemeinen Aussprache sein:

  • Aktuelle Fragen der ärztlichen Berufsausübung und der Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession,
  • Gesundheitsbildung,
  • ärztliche Weiterbildung,
  • diverse Sachstandberichte und
  • natürlich die Vorstandswahl.


Ein wesentlicher Diskussionspunkt war die Position der Kammerversammlung zum Personalbemessungstool, das bei den vergangenen Deutschen Ärztetagen beschlossen worden war und für das jetzt die Weiterentwicklung und Umsetzung ansteht. Dafür müssen bei der Haushaltsplanung die erforderlichen Finanzmittel bereitgestellt werden. Dieses Thema wurde kontrovers diskutiert, insbesondere stellte sich den Mitgliedern der Kammerversammlung die Frage, ob eine Verwendung eines Teiles der Finanzen der Kammer für nur einen Teil der Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern genutzt werden sollte. Außerdem bestand die große Sorge, dass das Personalbemessungstool der Ärzteschaft die auf Kostenoptimierung hinarbeitenden Geschäftsführungen der Krankenhäuser bei der Reduktion von Stellen für Ärztinnen/Ärzte und Pflegende unterstützen könnte.  

Da das Bemessungstool nur von den Ärztekammern zur Verfügung gestellt werden wird und auch die Rechengrundlagen nicht weitergegeben werden, konnte dieser Einwand entkräftet werden. Darüber hinaus bestand Einigkeit, dass durch das geplante Verfahren erstmals von ärztlicher Seite eine bundeseinheitliche Bemessungsgrundlage entwickelt wird. Die Kammerversammlung entschied mit Mehrheit, dass die sachsen-anhaltinischen Delegierten auf dem DÄT bei der Verabschiedung des Haushaltes der Bundesärztekammer für die Finanzierung des Personalbemessungstools stimmen.

Arzneimittelengpässe

Ein weiteres wichtiges Thema der Kammerversammlung waren die Arzneimittelengpässe. Dieses Thema beschäftigt Ärzte und Patienten sowie die Apotheken schon über Jahre. Aktuell hat sich die Lage weiter zugespitzt, so dass immer mehr und immer wichtigere Medikamente und Impfstoffe gar nicht oder zeitweise nicht verfügbar sind.

„Die aktuelle Situation zeigt leider, dass unsere Warnungen bislang kein Gehör gefunden haben und die Arzneimittelversorgung immer prekärer wird“, so der Präsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt. Das geplante Gesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium wurde als eine Möglichkeit gesehen, da es erstmals neue Ansätze findet und frühere Forderungen der Ärzteschaft aufgreift. „Ob das Vorhaben mutig und konsequent genug umgesetzt wird, verfolgt die Ärzteschaft kritisch“, fasste der Kammerpräsident die Beratungen zusammen.

Die dazu veröffentlichte Pressemitteilung finden Sie auf unserer Webseite unter https://t1p.de/engpass

Weitere Tagesordnungspunkte

Eine Änderung der Weiterbildungsordnung war dann Thema der Versammlung, sie betraf den neuen Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie. Aus formalen Gründen wurde die Kostenordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt geändert und von der Kammerversammlung beschlossen.

Weiterhin erfolgten Nachberufungen von Mitgliedern in die Ausschüsse der Kammer und eine Nachbenennung eines Delegierten für den DÄT. Die Kammerversammlung nahm den Tätigkeitsbericht des Vorstandes der Kammer zustimmend zur Kenntnis.

Anträge für den 127. Deutschen Ärztetag in Essen

Ein Antrag wird zu den „Leitplanken für digitale Arztkontakte“ gestellt. Es werden Grenzen für die virtuelle Patientenbetreuung von der Politik eingefordert.

„Die Politik verfolgt das Ziel der verstärkten, rein virtuellen Patientenbetreuung. Qualitätsstandards sehen die Vorhaben nicht vor. Diese sind jedoch essentiell“, so Prof. Dr. Uwe Ebmeyer.

In der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die auf der Basis rein digitaler Konsultationen erstellt wurden, massiv erhöht. Im Zusammenhang damit etablieren sich zunehmend Organisationen, die ausschließlich telemedizinische Dienstleistungen anbieten. Nicht selten haben diese Unternehmen formal einen Sitz in Deutschland, nutzen jedoch ausländische Standorte und Ärzte für die angebotenen Dienstleistungen. Diese Online-Praxen bergen bei einer Aufhebung der Begrenzung des Anteils telemedizinischer Leistungen am Gesamtleistungsvolumen die Gefahr, dass Informationsverluste durch fehlenden persönlichen Patientenkontakt sowie durch fehlende körperliche und technische Untersuchungen entstehen und dadurch die Qualität von Diagnostik und Therapie gemindert wird. Aus Sicht der Kammerversammlung können telemedizinische Angebote die wohnortnahe ambulante haus- und fachärztliche sowie stationäre Versorgung ausschließlich ergänzen, jedoch nicht ersetzen.

Ein weiterer Antrag enthält die Forderung an die Politik des Bundes und der Länder, die Anzahl der Studienplätze für Humanmedizin zu erhöhen und in einer gemeinsamen Anstrengung von Bund und Ländern auch auskömmlich zu finanzieren.

Dazu Prof. Dr. Ebmeyer:

„Es bedarf nach meiner festen Überzeugung einer grundlegenden Reform der Zulassung zum Medizinstudium und der Kapazität an Studienplätzen. Erstmalig seit Bestehen der Ärztekammer hatten wir im letzten Jahr weniger berufstätige Mitglieder als im Vorjahr. Berücksichtigt man weiter den stetig zunehmenden Anteil an in Teilzeit tätigen Kolleginnen und Kollegen, so wird schnell klar, dass die formale ‚Netto-Arbeitskraft Arzt‘ in Sachsen-Anhalt in besorgniserregender Weise abnimmt. Ohne politische Eingriffe wird die ärztliche Versorgung im gesamten Bundesgebiet nur noch mit Einschränkungen abgesichert werden können.“

Die Übersicht aller Beschlüsse der 5. Sitzung der Kammerversammlung finden Sie im Anschluss. Die nächste Kammerversammlung findet am 04. November 2023 statt.

Prof. Dr. Hermann-Josef Rothkötter
Chefredakteur des Ärzteblattes Sachsen-Anhalt

Fotos: ÄKSA