vom 28.05.-31.05.2013 in Hannover

Der 116. Ärztetag vom 28.-31.05.2013 wurde in diesem Jahr von den Themen der Finanzierung des Gesundheitswesens, der Zukunft des dualen Systems, der Verunglimpfung des Berufsstandes, und der Überarbeitung der Musterweiterbildungsordnung dominiert. Aber auch die Auswirkung von Armut auf die Gesundheit diskutierten die Delegierten in Hannover.
Wir möchten für Sie die wesentlichen Themen und Entscheidungen darstellen.

Eröffnungsveranstaltung
Die Eröffnung des Deutschen Ärztetages im Kuppelsaal des Hannover Congress Centrum war durch die Reden des Präsidenten des Ärztetages und der Bundesärztekammer, Herrn Prof. Montgomery, und von Herrn Minister Bahr geprägt.  Auch wurde Frau Prof. Taube aus Halle im feierlichen Rahmen die höchste Auszeichnung der deutschen Ärzteschaft – die Paracelsusmedaille – verliehen. Die Laudatio finden Sie auf Seite 23 des vorliegenden Ärzteblattes.

Herr Prof. Montgomery warb in seiner Rede in aller Deutlichkeit für das duale System aus gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Er verwies dabei auf die gute Aufstellung des dualen Systems. Gerade die finanzielle Situation mit angesammelten Beitragsüberschüssen zeige keine Not auf, das System auf den Kopf zustellen. Er forderte vielmehr, das duale System zu stärken und zukunftssicher zu gestalten. Dabei erinnerte er daran, dass sich der Deutsche Ärztetag in Nürnberg ausdrücklich für die Beibehaltung des Versicherungssytems ausgesprochen hat und hierzu den Vorstand der Bundesärztekammer dazu aufgefordert hatte, ein entsprechendes Konzept zu erstellen.
Energisch richtet er sich gegen die Diffamierung der Ärzteschaft. Hier werde immer mehr versucht, mit fragwürdigen Schlagzeilen Politik auf Kosten der Ärzte zu forcieren. Zudem ging er auf das Thema der Pharmastudien in der ehemaligen DDR ein. Der damalige Umgang mit den ethischen Standards sei zurzeit nicht geklärt und bedürfe einer Sachaufklärung und sodann der Erarbeitung gemeinsamer Konsequenzen. Auch zeigte er die Bereitschaft zu gesetzlichen Regelungen im Bereich der Korruption auf. Nur so könne Klarheit in dem derzeitigen Graubereich geschaffen werden, um Verdächtigungen und Unterstellungen entgegentreten zu können. Er bedauerte den Vertrauensverlust in die Gerechtigkeit der Medizin, welcher durch Verfehlungen Einzelner in der Organspende entstanden ist. Hier müsse nun durch Aufklärung und Information das verlorene Vertrauen zurückgewonnen werden.

Die Eröffnungsrede von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) stand unter dem Eindruck der anstehenden Bundestagswahlen. So erklärte er in Richtung der vorgeschlagenen Bürgerversicherung von SPD und Grünen, dass „die Bürgerversicherung den Versicherten zum Bittsteller einer Einheitskasse macht“, eine Zwei-Klassen-Medizin könne das geplante System gerade nicht verhindern. Er wolle daher in der nächsten Wahlperiode die Vorteile weiter stärken. Zudem zeigte auch er sich tief bestürzt über die Verfehlungen in der Transplantationsmedizin. Er forderte die Ärzteschaft auf, intensiv für die Organspende zu werben.

Wie viel Markt verträgt die Medizin?
Herr Prof. Dr. med. Giovanni Maio referierte über Ökonomisierung in der Medizin. Der Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Freiburg machte zunächst deutlich, dass ökonomisches Denken auch in der Medizin notwendig sei. Zugleich warnte er davor, die ökonomische Logik auf die Medizin unkontrolliert zu übertragen. Dabei zeigte er Spannungsfelder auf, aus denen hervorging, wie Ökonomie in der Medizin zu Problemen führen kann. Treffend formulierte er hierbei, dass nicht die Mediziner zu Ökonomen werden müssen und können, sondern die Ökonomen lernen müssen, medizinisch zu denken.

Novelle der GOÄ ohne weitere Verzögerung
Bezüglich der weiter ausbleibenden Ergebnisse und Erfolge bei der Novellierung der GOÄ wurde die Politik aufgefordert, diese nunmehr aktiv voranzutreiben. Bis die Novellierung erfolgreich abgeschlossen wird, müsse zudem als Übergangslösung ein Inflationsausgleich eingeführt werden.
So liege seit 1996 in Deutschland eine Inflation von 30,4 Prozent vor, ohne dass der Punktwert in der GOÄ angepasst wurde.
Zugleich sprach sich der Deutsche Ärztetag deutlich für die Beibehaltung des dualen Systems aus.

Zugang zum Medizinstudium
Der immer weiter steigende Ärztemangel insbesondere im ländlichen Bereich veranlasste den Deutschen Ärztetag, die Kultusministerkonferenz aufzufordern, die Kriterien für die Vergabe von Studienplätzen zu überprüfen. So soll der Fokus bei der Vergabe von Medizinstudienplätzen mehr auf Kriterien wie sozialer Kompetenz und Engagement im medizinischen Bereich gerichtet werden. Eine Vergabe der Studienplätze allein über die Abiturnote führe dazu, dass viele für den Arztberuf interessierte junge Menschen keinen Studienplatz erhielten. Die geeigneten Kriterien zur Auswahl der Medizinstudenten sollten in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern entwickelt werden.
Auch richtete der Deutsche Ärztetag einen Appell an die medizinischen Hochschulen, ihre Möglichkeit, 60 Prozent der Studienplätze durch ein Auswahlverfahren der Hochschulen zu vergeben, auch umzusetzen und die Bewerbungen nicht wieder an die zentrale Vergabestelle zurückzugeben.

Überarbeitung der (Muster-) Fortbildungsordnung
Die veränderten Bedingungen im Alltag aller tätigen Ärzte soll sich auch in der Ausgestaltung der (Muster-) Fortbildungsordnung niederschlagen. Neue Methoden wie das ärztlichen Peer Review Verfahren oder blended-e-learning Techniken müssen genauso in die Fortbildungsordnung einfließen wie eine eindeutige Regelung zur Handhabung von Unterbrechungszeiten, die nunmehr  aufgenommen wurden. Dies bedeutet, dass Ausfallzeiten wie während des Mutterschutzes oder einer Eltern- und Pflegezeit Anerkennung finden.
Bei Fortbildungsveranstaltungen werden dem zuständigen Ärztlichen Leiter zudem eine stärkere Verantwortung im Hinblick auf Qualität und Unabhängigkeit der Veranstaltung übertragen.

Novellierung der Musterweiter-bildungsordnung (MWBO)
Die Weiterbildung soll nach Beschluss des Deutschen Ärztetages im vergangenen Jahr inhaltlich neu ausgerichtet und in eine kompetenzbasierte Weiterbildung umgewandelt werden. Auf dem Ärztetag in Hannover konnten nun erste Ergebnisse vorgestellt werden. Grundlegend soll sich dabei die inhaltliche Struktur im Kern zwar verändern, ohne jedoch die bisherigen Facharzt-, Schwerpunkt- und Zusatzbezeichnungen zu ändern.

Die Änderungen erfolgten unter Auswertung der Evaluation der Weiterbildung. Aus dieser ergab sich, dass die Verbundweiterbildung verbessert werden müsse und ein Wechsel zwischen den einzelnen Weiterbildungsstationen vereinfacht werden soll. Im Mittelpunkt soll nunmehr eine kompetenzbasierte MWBO stehen. Anstatt der bisherigen Auflistung von Weiterbildungsinhalten sollen nun Kompetenzblöcke den Inhalt der Weiterbildung umreißen. Kompetenzblöcke sind dabei inhaltliche Bausteine für eine Weiterbildungsbezeichnung. Erst wenn die Anforderungen aller erforderlichen Kompetenzblöcke erreicht sind, kann die Zulassung zur Weiterbildungsprüfung erfolgen. Jeder Kompetenzblock wird durch vier Kompetenzebenen näher ausgestaltet. Von fachlichen Grundlagen in der Kompetenzebene 1 über eingehende Kenntnisse und Anwendung von medizinischen Maßnahmen bis hin zur Kompetenzebene 4, die das routinemäßige und selbstständige Anwenden der erworbenen Kenntnisse beinhalten soll.
Weitere Änderungen sind die Einbeziehung moderner Lernmöglichkeiten wie Skill Labs und E-Learning-Angebote.
Über den weiteren Verlauf der Novellierung werden wir Sie aktuell unterrichten.

Kompromiss zur Stärkung der ambulanten Weiterbildung
Nach intensiven Debatten über zwei Tage hinweg erarbeitete eine Verhandlungskommission einen Kompromissantrag, der sodann mit einer großen Mehrheit beschlossen wurde. Inhaltlich soll dieser die ambulante Weiterbildung fördern. So sieht er vor, dass Ärzte in Weiterbildung Kompetenzen und Inhalte, die nur in der ambulanten Versorgung vermittelbar sind, auch dort erlernen müssen.

Zur zusätzlichen finanziellen Ausgestaltung sollen die ambulanten Weiterbildungsstellen zudem Zuwendungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Ärzte in Weiterbildung im ambulanten Bereich die gleichen tariflichen Konditionen vorfinden sollen wie ihre Kollegen im Krankenhaus.

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen
Vom Deutschen Ärztetag wurden die Arbeitgeber im deutschen Gesundheitswesen aufgefordert, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und bessere Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen, sodass Mitarbeiter im Gesundheitswesen durch eine adäquate Kinderbetreuung ihrer Tätigkeit nachgehen können.

Sicherstellung der medizinische Versorgung von Migranten
Verschiedenste Vorgaben und Unwägbarkeiten verhindern nach Ansicht des Ärztetages eine adäquate und ausreichende medizinische Versorgung von Migranten. So sehen sich Ärzte verschiedenen rechtlichen Vorgaben, versicherungsrechtlichen Einschränkungen und Meldepflichten ausgesetzt. Dies halte zudem Migranten von notwendigen ärztlichen Behandlungen ab.
So forderten die Delegierten in ihrem Beschluss, die Meldepflichten an öffentlichen Stellen aufzugeben.

In weiteren Beschlüssen wurden beispielsweise bundeseinheitliche Kriterien für Sprachnachweise oder die freie Wahl der saisonalen Impfstoffe gefordert, ohne Exklusivverträge, die zu Versorgungsproblemen geführt haben.

Nicht zuletzt wurde auch die ausreichende finanzielle Ausgestaltung der Universitätskliniken verlangt. So wurde in einem Beschluss gefordert, dass die finanziellen Zuschüsse an die Universitätskliniken zukünftig automatisch um die jeweiligen tariflichen Entgeltsteigerungen anzupassen sind.

Ein einstimmig gefasster Beschluss bezieht sich auf die geplanten Spar- und Schließungspläne im Land. Hier hat der Ärztetag die Landesregierung und den Landtag von Sachsen-Anhalt aufgefordert, die universitätsmedizinischen Standorte in Halle und Magdeburg zu erhalten und deren Finanzierung zu sichern.

Tobias Brehme
Pressesprecher