Ärzteblatt Sachsen-Anhalt 12/2012
Liebe Kolleginnen und Kollegen
nach einem mit Arbeit vollgestopften Jahr freuen sich alle auf ein bisschen Regeneration über die Feiertage. Die verantwortungsvollen Ärzte haben mit ihren fachgleichen Kollegen schon die Urlaubsvertretung koordiniert und ihre Terminkalender entsprechend aufgestellt.
Nun gibt es natürlicherweise immer wieder Patienten, die genau in dieser Zeit der Besinnung akut erkranken. Schwierig gestaltet sich zunehmend das Problem, wenn man im Altenheim untergebracht ist. Zum Glück für den Patienten aber zum Leidwesen der Ärzte gibt es die Möglichkeit, dann einen Haus,- bzw. Heimbesuch anzumelden.
Wieso eigentlich zum Leidwesen der Ärzte?
Akut angeforderte Heimbesuche werden relativ gut honoriert, aber sie sind Bestandteil des Regelleistungsvolumens und unterliegen demnach der Budgetierung. Außerdem gestalten sich Heimbesuche extrem zeitaufwendig. Oft muss erst einmal die Stationsschwester gefunden werden, dann geht man auf die Suche nach dem Patienten. Nebenbei müssen Angehörige besänftigt werden, und dann beginnt nach der klinischen Untersuchung ein bürokratischer Kraftakt. Für jedes Altenheim unterschiedlich müssen in den buchdicken Betreuungsakten diverse für die Heimleitung extrem wichtige Papierblätter ausgefüllt werden. Oft wird man dann auch noch gebeten, zu Bagatellstörungen anderer Heimbewohner Stellung zu nehmen und natürlich dabei nicht die diversen Papierblätter zu vergessen. Wer schreibt, der bleibt, im wahrsten Sinne des Wortes. Für Patienten mit Pflegestufe 2 aufwärts gibt es die gesetzlich geregelte Erstattung der nötigen Transportkosten zu ambulanten ärztlichen Behandlungsstellen. Dies ist aber mit erheblichem organisatorischen und zeitlichen Aufwand des Pflegepersonals verbunden, für akut Erkrankte physisch und psychisch erheblich belastend und ethisch nur vertretbar, wenn unabdingbar eine Diagnostik mit nicht transportablen Geräten erforderlich wird. Trotzdem schleicht sich in zunehmendem Maße unter den Kollegen ein Trend ein, die Diagnostik und Behandlung in den Arztpraxen zu fordern, und das nicht nur bei fachärztlichen, sondern auch hausärztlich tätigen Kollegen. Oft aus zeitlichen und Ohnmachtsgründen wird dieses Problem dann durch das Heimpersonal in den kassenärztlichen Notdienst verlagert, der bekanntlich außerbudgetär vergütet wird, mit dem Ergebnis, dass der Bereitschaftsarzt einen ihm völlig unbekannten Patienten vorfindet und dadurch die Hemmschwelle zur stationären Einweisung erheblich niedriger liegt.
Wie kann man der Problematik Herr werden?
Bestimmt nicht mit Ethikappellen an die Kollegen, wohl aber durch Änderung der Vergütungsanreize und Verkürzung des zeitlichen Aufwandes eines Heimbesuches. Ich möchte nicht über das Wort „Bürokratieabbau“ philosophieren. Jeder Versuch, hier tätig zu werden, wird sofort mit noch mehr Bürokratie belohnt. Aber vielleicht kann sich die Kassenärztliche Vereinigung für die Möglichkeit der außerbudgetären Vergütung für angeforderte Pflegeheimbesuche erwärmen!? Weiterhin sollten wir auf die jeweiligen Altenpflegeheimleitungen zugehen, und vermehrt Visitenabläufe und Zeiten absprechen. Ich weiß, wie schwierig das momentan ist, wenn z.B. in größeren Städten manche Heime von mehr als 15 verschiedenen Hausärzten und zusätzlich noch von Fachärzten aufgesucht werden. Wir haben in Deutschland das hohe Gut der freien Arztwahl zu verteidigen. Aber wo endet das? Bis zu welcher Entfernung von der Arztpraxis ist dies einhaltbar? Bei dementen Patienten, die ihren Arzt nicht mehr erkennen, ist es da nicht wichtiger, dass sie gut betreut werden als von wem?
In Halberstadt haben die Hausärzte sich mit den Pflegedienstleitungen der Heime an einen Tisch gesetzt und nach Lösungen gesucht. Für Neubewohner ohne Hausarzt stehen jetzt pro Heim nur noch 2-3 Kollegen als Ansprechpartner zur Verfügung, bei Einwilligung des Heimbewohners oder des Betreuers ebenfalls. In den Arztpraxen können sich die Patienten informieren, in welchen Heimen ihr Hausarzt regelmäßig anwesend ist. Hierdurch verringert sich schrittweise die Anzahl der Ärzte pro Heim. Die Anzahl der Patienten pro Heim erhöht sich. Dadurch können Visiten besser organisiert werden, gleichlautende Absprachen mit dem Heimpersonal getroffen werden. Der Hausarzt braucht nicht mehr alle Heime der Region anfahren, das Pflegeheimpersonal kann die Visite besser vorbereiten, es resultiert eine erhebliche Zeitersparnis. Nebenbei haben wir eine gerechtere Verteilung auf alle Hausarztschultern erreicht.
Wie hieß eigentlich das Thema? Ach ja, Weihnachten im Altenpflegeheim!
Vielleicht können wir so in Zukunft noch mehr Heimbewohnern zu einem ungestörten Weihnachtsfest in ihrem persönlichen Umfeld verhelfen. Und vergessen wir nicht, in 20 bis 40 Jahren sitzen wir dort und freuen uns, wenn uns mit fieberhaftem Infekt oder Bauchschmerzen vor Ort geholfen wird.
In diesem Sinne möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen einen guten Rutsch durch die Feiertage und ins neue Jahr wünschen!
Stefan Andrusch, Halberstadt