Kollege da Vinci

Dr. med. Uwe Rose
Dr. med. Uwe Rose

Operationsroboter halten Einzug in den Krankenhäusern

Die digitale Entwicklung hat die Medizin in den letzten Jahren voll eingeschlossen. Fortschritte in der Digitalisierung und Computertechnik haben auch wesentliche Auswirkungen auf die Medizintechnik hinsichtlich innovativer Lösungen bewirkt. Auch in den chirurgischen Fachgebieten kommt es zunehmend zur Kooperation zwischen Mensch und Maschine, was unterschiedlich – von Faszination bis zu einer gewissen Besorgnis – gesehen wird.

In den Operationssälen halten Operationsroboter Einzug. Dabei handelt es sich, bei Operationen am Weichgewebe der Menschen, um das „da-Vinci-Surgical-System“ einer amerikanischen Firma, die momentan das einzige zugelassene System herstellt. Weltweit sind bereits mehr als 4.000 Systeme im Einsatz, wobei in den USA der Hauptanteil mit ca. 2.600 zu finden ist. In Deutschland liegt die Zahl unter 100 „da-Vinci-Systemen“ bei insgesamt 650 in Europa.

Wie bei den bisher üblichen minimal-invasiven Eingriffen über eine Laparoskopie werden die Instrumente über kleine Trokare eingeführt und der Roboter mit vier Armen bewegt die Instrumente, während der Operateur an einer Konsole sitzend, diese mit seinen Handbewegungen steuert und ein Assistent mit OP-Schwester am Operationstisch stehen. Die Bezeichnung als Roboter ist insofern nicht korrekt, da es sich um ein sogenanntes Master-Slave-System handelt und das „da-Vinci-System“ kein selbstständig arbeitendes System darstellt. Also noch keine Science-Fiction made in Hollywood.

Die Vorteile des Systems liegen in einer optimalen 3-dimensionalen Sicht des Operateurs an der Konsole und der 10-fach-Vergrößerung der Strukturen, was ein subtilstes Operieren ermöglicht. Die angewendeten Instrumente besitzen gegenüber der üblichen starren Laparoskopie 7 Freiheitsgrade der Bewegung, während die menschlichen Gelenke meist über 2 bis 3 Freiheitsgrade verfügen und ermöglichen damit ergonomische Vorteile für den Operateur. Die Nachteile des Systems liegen in den hohen Kosten der Anschaffung (bis zu 2,5 Mio. €), den Systemwartungskosten von 100.000 € im Jahr und den Instrumentenpreisen. Leider wird der Robotereinsatz von den Kostenträgern nicht separat vergütet und wie ein normaler laparoskopischer Eingriff bezahlt. Bislang sind auch alle Versuche der Etablierung der Roboterchirurgie als „Neue Behandlungs- und Untersuchungsmethode“ (NUB) gescheitert.

Eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit besteht in der multidisziplinären Anwendung mehrerer Fachabteilungen und der damit verbundenen Senkung der Fixkosten. Dies ist durch das aktuellste „da-Vinci-XI-System“ gewährleistet, da dieses durch technische Neuerungen Operationen über die Urologie hinaus in der Visceralchirurgie, der Thoraxchirurgie und der Gynäkologie besser ermöglicht.

Seit der im Jahr 2000 weltweit ersten roboterassistierten minimal-invasiven Prostataentfernung in Deutschland wurden 80.000 Prostatektomien durchgeführt. Weltweit sind bisher insgesamt mehr als 4 Millionen Menschen mit dem „da-Vinci“ operiert worden und dieser Trend setzt sich international weiter fort.

Die Entwicklung der minimal-invasiven Chirurgie in den letzten Jahrzehnten stellt einen eindeutigen Beleg dar, dass technische Entwicklungen und neue Operationsmethoden sich gegenüber früheren Befürwortern der offenen Chirurgie durchgesetzt haben. Viele minimal invasive Eingriffe sind heute zum Goldstandard erklärt.

Ich bin der Überzeugung, dass robotergestützte und automatisierte Teilprozesse in Zukunft weiter in der Chirurgie Einzug halten werden, allerdings immer unter der menschlichen Entscheidung und Führung.

Dr. med. Uwe Rose

Sinnvolle Mindestmengenregelung

Dr. med. Thomas Langer
Dr. med. Thomas Langer

Mit den Mindestmengenregelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 136b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser, in Kraft getreten am 1. Januar 2017, werden Krankenhäuser von der Erbringung bestimmter Leistungen ausgeschlossen, wenn sie nicht eine Mindestzahl an Eingriffen vorweisen können. Dies betrifft gegenwärtig folgende medizinische Maßnahmen: Lebertransplantation (inklusive Teilleber-Lebendspende): 20, Nierentransplantation (inklusive Lebendspende): 25, kom-plexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus: 10, komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas: 10, Stammzellentransplantation: 25, Kniegelenk-Total­endoprothese: 50, (koronarchirurgische Eingriffe: nicht festgelegt), Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht <1.250g: 14.

In seiner Begrüßungsrede zur Eröffnung des 120. Deutschen Ärztetages am 23.05.2017 nahm der Bundesminister für Gesundheit Hermann Gröhe unter anderem humorvoll Bezug auf die neue Mindestmengenregelung in der deutschen Medizinlandschaft und wies diese als Erfolg seiner Arbeit aus. Er sagte sinngemäß, dass ein Patient, der vom Chefarzt eines Krankenhauses mit den Worten begrüßt wird, so etwas wie ihren Fall hätten wir schon lange nicht gehabt, wohl etwas irritiert sein und der Einrichtung vermutlich kein Vertrauen entgegen bringen würde. Es ist naheliegend, dass eine gewisse Mindestzahl an Eingriffen das Ergebnis verbessern kann. Hierzu gibt es entspechende wissenschaftliche Untersuchungen.

Viel beachtet wurde unter anderem die Studie „Mindestmengen und Krankenhaussterblichkeit – Beobachtungsstudie mit deutschlandweiten Krankenhausabrechnungsdaten von 2006 bis 2013“ von U. Nimptsch1, D. Peschke2 und T. Mansky1 (1 Fachgebiet Strukturentwicklung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen, TU Berlin, Berlin; 2 Institut für Public Health und Pflegeforschung – IPP, Universität Bremen, Bremen). Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen der Einhaltung der Mindestmengenvorgabe auf Krankenhaus­ebene und dem Behandlungsergebnis bei komplexen Eingriffen am Pankreas und am Ösophagus, dem Kniegelenks­ersatz, der Leber- und Nierentransplantation und der Stammzellentransplantation. Überwiegend ging eine höhere Fallzahl mit einem qualitativ besseren Ergebnis einher. Allerdings zeigte sich bei den Lebertranplantationen kein Vorteil für die Kliniken, welche die Mindestmengenvorgabe einhielten. Bei der Stammzellentransplantation ergab sich sogar ein Nachteil bei höheren Fallzahlen.

Es gibt auch andere Untersuchungen, die beispielsweise medizinische Nachteile einer Klinikbelegung von über 90 % nachweisen (Stichwort: Fließbandmedizin). Insgesamt kommt die kritische Hinterfragung hoher Fallzahlen m. E. in den Publikationen und auch in der Mindestmengenregelung zu kurz. So strebe der Gemeinsame Bundesausschuss eine wissenschaftliche Begleitung der Auswirkungen von Mindestmengen an. Eine zwingende Vorschrift ist dies nicht.

In den Diskussionen um die Mindestmengen kommen auch Befürchtungen um die Qualität der Indikationsstellung zu den jeweiligen medizinischen Eingriffen auf. Eine entsprechende Überprüfung sei erforderlich. Dies erinnert mich stark an die Diskussionen im Zusammenhang mit der Einführung des DRG-Systems. Hier gehören inzwischen ausufernde Einflussnahmen von außen (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) zum Klinikalltag.

Ein entscheidender Mangel der jetzigen Mindestmengenregelung scheint mir zu sein, dass die Bedeutung der einzelnen Arztpersönlichkeit mit ihren Erfahrungen und hart erarbeiteten Fähigkeiten (z. B. chirurgische Expertise) für das qualitative Ergebnis aus medizinischer Sicht nur ungenügend berücksichtigt wird. Es zählt letztlich die Krankenhausebene. Natürlich kommt es auch auf das gesamte Team an. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass sich ein hochrangiger Politiker im Falle persönlicher Betroffenheit allein an der Klinikstatistik orientiert. Vermutlich wird er sich einem ausgewiesenen Spezialisten anvertrauen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Mindesmengenregelung eine Steigerung der Bürokratie mit sich bringt. Sie ist als Ergänzung des DRG-Systems skalierbar, ohne dass zwingend ärztliche und wissenschaftliche Einwände gehört werden müssen. Es ist dringend erforderlich, dass Ärztekammern, Fachverbände und Universitäten diese Entwicklung aufmerksam beobachten und sich gegebenenfalls einmischen.

Dr. med. Thomas Langer

Masterplan 2020, nun geht's los ...

Dr. med. Jörg Böhme
Dr. med. Jörg Böhme

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserinnen und Leser,

nachdem mein Vorstandskollege Peter Wolf noch in der Mai-Ausgabe des Ärzteblattes Sachsen-Anhalt geschrieben hat, der Masterplan 2020 sei erst einmal zu Grabe getragen worden, haben ihn Bund und Länder Anfang April nun doch auf den Weg gebracht. Das Medizinstudium soll kompetenzorientierter, praxisbezogener und patientennäher werden. Es sollen kommunikative und wissenschaftliche Kompetenzen der angehenden Mediziner gestärkt werden. Das Auswahlverfahren soll verändert und über Quoten soll häufiger als bisher eine Niederlassung auf dem Land realisiert werden. Für die Hausarztmedizin und für die hausärztliche Versorgung der Patienten ist dies ein großer Erfolg. Als erstes Bundesland will Bayern eine Landarztquote einführen. Es sollen bis zu 5 Prozent der Studienplätze an Bewerber gehen, die sich verpflichten, als Hausarzt in Regionen zu arbeiten, die unterversorgt sind oder in denen eine Unterversorgung droht. Hier ist das Land der Frühaufsteher gefordert, den Bayern zeitnah zu folgen. Ob durch diese Entscheidung ein Nachteil für andere Fachrichtungen entsteht, wird diskutiert. Dieser Masterplan wurde auch notwendig, nachdem auf dem Deutschen Ärztetag 2016 in Hamburg Forderungen nach einer Stärkung der Hausarztmedizin mit großer Mehrheit abgelehnt wurden. Nun hat die Politik diese Themen aufgegriffen. Es wird ein Quartal des praktischen Jahres in der ambulanten Medizin abzuleisten sein. Die ursprüngliche Forderung des Deutschen Hausärzteverbandes war, ein Tertial in einer hausärztlichen Praxis zu verbringen. Da dieser Antrag auf dem Deutschen Ärztetag 2016 nicht mehrheitsfähig schien, wurde dieser kurzfristig auf ein Tertial in der ambulanten Medizin geändert. Noch nicht einmal dieser Antrag zur Stärkung der ambulanten haus- und fachärztlichen Versorgung in Deutschland fand bei den Delegierten eine Mehrheit. Nun haben es die Gesundheitsministerkonferenz und die Kultusministerkonferenz entschieden. Keinem ärztlichen Kollegen schadet es, einmal in seinem Berufsleben einen 3-monatigen Einblick in eine ambulante Einrichtung zu bekommen. Wenn man diese Zeit effektiv nutzt, kann man davon in seinem weiteren beruflichen Werdegang nur profitieren. Für die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen ambulanten und stationären Sektoren – für das Verständnis untereinander – ist es immer sinnvoll, auch die andere Versorgungsebene zu kennen. Sicher sind dafür 3 Monate auch zu wenig. Aber immer noch besser als gar nichts. Jeder Hausarzt und Facharzt, der im ambulanten Sektor tätig ist oder tätig wird, hat einen Teil seiner Weiterbildung in einer stationären Einrichtung abgeleistet. Schon kommen Forderungen auf, auch die Krankenhäuser hätten Ambulanzen...

Solange es aber nicht mehr Absolventen gibt, wird auch mit diesem Masterplan nur der Mangel verwaltet. Ich sehe schon die Diskussionen auf dem nächsten Deutschen Ärztetag. Auch in unserer Kammer wird dies nicht nur zustimmend zur Kenntnis genommen. In einem sollten wir uns alle einig sein, es darf keinen Hausarzt light geben. Wir verwahren uns gegen Modellstudiengänge, deren Grundlage nicht die bisher gültige Approbationsordnung ist. Mit dem immer größer werdenden Ärztemangel auf dem Land und der Fehlverteilung der Ärzte wird uns als Selbstverwaltung das Zepter des Handelns mehr und mehr aus der Hand genommen. Erste Eingriffe der Politik sind schon festzustellen.

Ob der Masterplan 2020 tatsächlich für die hausärztliche Versorgung auf dem Land Verbesserungen bringen wird, kann man frühesten in etlichen Jahren sehen. Er gehört aber zu einem riesigen Maßnahmenkatalog, um die hausärztliche Versorgung auch in der Fläche zu sichern. Es finden Informationsveranstaltungen in den Gymnasien statt. Über das veränderte Aufnahmeverfahren zum Studium ist schon viel geschrieben, aber in Sachsen-Anhalt noch nicht umgesetzt worden. Das Herbstsemester steht bald vor der Tür. Für die Studenten, die sich frühzeitig für die Haus- und Familienmedizin entscheiden, gibt es finanzielle und ideelle Unterstützung im Studium. Nach dem Studium wird mittels KOSTA, Weiterbildungsverbünden und den Kompetenzzentren für Allgemeinmedizin die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin fachlich aufgewertet und praxisnäher gestaltet. Auch bei der Planung der Niederlassung steht mit der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt ein kompetenter Partner zur Verfügung. In den Kommunen ist die medizinische Versorgung neben vielen anderen Dingen als weicher Standort erkannt worden. Das Thema der haus- und fachärztlichen Versorgung wird dort eifrig diskutiert. Erste Maßnahmen sind beschlossen.

Nun noch einmal zum Masterplan 2020 zurück. Auch ich habe einen Masterplan. Der heißt Masterplan 2030. In 2030 werde ich meinen Ruhestand vorbereiten wollen. Ich hoffe, dass unsere Hausarztpraxis dann in 3. Generation weitergeführt wird. Ich wünsche Ihnen allen eine schöne Sommer- und Urlaubszeit.

Dr. med. Jörg Böhme

Masterplan 2020, quo vadis?

Dr. med. Peter Wolf
Dr. med. Peter Wolf

Liebe Kolleginnen und Kollegen,


das Medizinstudium dient der Sicherung unseres beruflichen Nachwuchses. Vor dem Hintergrund eines zunehmend drohenden Ärztemangels bei gleichzeitig steigendem medizinischem Bedarf wurde bereits 2013 von der Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag eine Reform des Medizinstudiums vereinbart. In einer ersten gemeinsamen Sitzung haben am 8. Mai 2015 Vertreter von Bund und Ländern mit der Arbeit am „Masterplan Medizinstudium 2020“ begonnen. Der letzte Stand: 17.03.2017. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat die Entscheidung zum Masterplan Medizinstudium 2020 kurzfristig von ihrer gestrigen Agenda genommen. Laut KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann (CDU) aus Baden-Württemberg ist bisher „die Finanzierung wesentlicher Teile des Masterplans ungewiss“.

Bekannt über den Masterplan, über dessen Inhalte sich das BMG in Stillschweigen hüllt, ist, dass die Allgemeinmedizin im Studium aufgewertet werden soll. Das praktische Jahr wird künftig in Quartale unterteilt, von denen die Studierenden verpflichtend eines in der ambulanten Versorgung ableisten müssen und die Allgemeinmedizin wird verpflichtendes Prüfungsfach im dritten Staatsexamen. Außerdem fordert die Politik eine Landarztquote, eine bestimmte Zahl von Medizinstudienplätzen in einem Bundesland für künftige Landärzte zu reservieren und diese Plätze nur an Abiturienten zu vergeben, die sich verpflichten, nach vollständig abgeschlossener Ausbildung für eine bestimmte Zeit in einer unterversorgten Region im ländlichen Raum zu praktizieren.

Es ist verständlich, dass bei einer so starken Fokussierung auf die Allgemeinmedizin und den Hausarztmangel die Diskussion über andere Inhalte des Masterplanes, wie Reform des Auswahlverfahrens für Studienbewerber, Praxis- und Patientenorientierung des Studiums, Entwicklung kommunikativer, interprofessioneller und wissenschaftlicher Kompetenzen, die Wissenschaftlichkeit im Medizinstudium, Überarbeitung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs und des Gegenstandskatalogs der ärztlichen Prüfung, Einführung neuer Prüfungsformate, die Forderung nach mehr Studienplätzen u. v. a. m. zumindest auf politischer Ebene völlig in den Hintergrund treten.


„Landarztquote“, dieses politische Schlagwort suggeriert Aktionismus, die Lenker unserer Gesellschaft haben sich etwas einfallen lassen. Die Studierenden wie auch alle anderen der Hochschulmedizin angehörende Gesellschaften fordern: „Studieninhalte sollten aus sich heraus und wissenschaftlich begründet sein. Wir lehnen es daher kategorisch ab, dass die Zulassungs- und Ausbildungsbedingungen mit dem Ziel verändert werden, regionale und fachspezifische Versorgungsprobleme zu lösen.“ Sogar die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und  Familienmedizin (DEGAM) befürchtet, dass die Quote das Image der hausärztlichen Medizin auf dem Lande sogar eher beschädigen könne und empfiehlt, von einer Quotenregelung Abstand zu nehmen, um das Ansehen der hausärztlichen Medizin auf dem Land nicht zu diskreditieren. Das Ziel des Medizinstudiums muss nach wie vor ein allumfassend ausgebildeter Absolvent mit entsprechenden wissenschaftlichen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen sein. Spezialisierung findet später statt. Oder wollen wir vielleicht in 10 Jahren eine Augen- oder Hautarztquote einführen?

Um dem Ärztemangel und der Fehlverteilung der Ärzte im Land zu begegnen, bedarf es keiner Reformation des Medizinstudiums. Wie soll ein Abiturient sich ehrlichen Herzens verpflichten können, am Ende seiner Ausbildung mehr als 10 Jahre später die Liebe zur hausärztlichen Tätigkeit auf dem Lande immer noch in sich zu tragen. Will man Hausärzte auf dem Land, muss man die Rahmenbedingungen so verbessern, dass es für die jungen Kollegen attraktiv wird. Das bedeutet in erster Linie Weiterbildung zum Facharzt in geordneten Bahnen, gezielte Unterstützung bei der Niederlassung, aber eben auch Verbesserung der Struktur (Schule, Sport, Freizeit, Kultur) in den Gemeinden. Sieht eine junge Arztfamilie für ihre Kinder auf dem Land keine Perspektive, bleibt sie in der Stadt. Das ist aber eine Aufgabe der Politik, dafür braucht man einen Plan, einen langen Atem und Geld. Will man das Wahlvolk beeindrucken, lässt man die Medien drucken: „Die Landarztquote kommt“ (Tagesspiegel 25.01.2017).

Nun aber ist erst einmal der Masterplan 2020 zu Grabe getragen worden. Medizinstudierende haben am 17.03.2017 in Berlin anlässlich der Kultusministerkonferenz einen Kranz zum Gedenken „an den Tod der echten Reform“ niedergelegt. Viele Diskussionen, viele kluge Gedanken, viel Engagement. Ohne Finanzierung keine Reform. Was bleibt, ist die Quote.

Dr. med. Peter Wolf

Foto: Archiv

Digitale Health – was kommt über uns?

Prof. Dr. Udo Rebmann
Prof. Dr. Udo Rebmann

Digitalisierung hat nicht nur in Großkonzernen Einzug gehalten. Wir sind längst angekommen im digitalen Zeitalter des Gesundheitswesens. Daran werden wir auch nichts mehr ändern können. Verändern müssen wir aber unseren Umgang damit, denn besonders diese Veränderungen werden in Zukunft unser Leben bestimmen. Die medizinische Informatik entwickelt primär die Anwendung, die in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegehäusern eingesetzt werden. Dagegen eröffnet die digitale Vernetzung völlig neue Möglichkeiten der Patientenüberwachung wie auch der Selbstkontrolle. Die fortschrittlichen Technologien der Smartphones ermöglichen auch für medizinische Zwecke unzählige Möglichkeiten. Vernetzungen im Gesundheitswesen und „Big Data“ sind die Trends der Zeit.

Mit dem 2016 in Kraft getretenen E-Health-Gesetz hat die Bundesregierung wichtige Ansätze auf den Weg gebracht. Dabei wird dieses Gesetz schon wieder von der Wirklichkeit überholt. Während auf der Gesundheitskarte lediglich Name, Anschrift, Geburtsdatum und Versicherungsnummer stehen, ist es mit Hilfe verschiedener angebotener Apps möglich, via Smartphone Erkrankungen von Herz, Kreislauf, Diabetes und Psyche diagnostizieren zu lassen. Diabetiker können ihre Erkrankung über Internetplattformen managen und lernen so nicht nur Blutzucker, Insulinmengen und Broteinheiten zu verwalten, sondern gleichfalls auch, wie man mit seinem Diabetes durchs Leben kommt. Die Schwangere kann täglich ihre App befragen und muss nicht auf den nächsten Termin beim Gynäkologen warten. Herzrhythmusstörungen kann der Patient selbst diagnostizieren. Sein eigenes Heim wird damit zu seinem Sprechzimmer. In der Welt der Internetmedizin bestimmt nicht mehr der Arzt, was der Patient zu tun hat, sondern der Patient wählt aus dem großen Angebot, was er für nützlich hält.

Faszinierend oder erschreckend? Es bleibt die berechtigte Frage, wie gut diese Welt tatsächlich für unsere Patienten ist? Wie valide sind die selbst erhobenen Daten? Wird Medizin dadurch menschlicher? Mit Sicherheit aber anonymer und schneller! Brauchen wir das? Wird die Verdichtung der Arbeit noch zunehmen? Wird Medizin der begrenzten Mittel noch ökonomisierter? All diese Fragen mit den daraus resultierenden Ergebnissen sind bereits übergangen, die Digitalisierung ist da. Sicher ist allerdings, dass die Ausbildung des Arztes sich nicht einfach in Software gießen lässt. Allerdings wird sich das Arzt-Patienten-Verhältnis ändern. Apps werden den Arztbesuch im Positiven nicht ersetzen, aber eher zielgerichteter gestalten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Akzeptanz der „Tele- oder Digitalen Medizin“ in der Bevölkerung noch überschaubar, wird sich aber in Zukunft wahrscheinlich erheblich vergrößern.

Über Datenschutz wird, was Apps angeht, noch kein Wort verloren. Während Daten resultierend aus dem E-Health-Gesetz auf „sicheren“ Wegen verwaltet werden, sind Daten der kommerziellen App-Anbieter letztendlich „freie Ware“, die einer Währung gleichen und zu Marketingzwecken, eventuell zu Forschungszwecken verkauft werden. Diese Apps werden von vielen Menschen aktuell freiwillig und begeistert mit Daten gefüttert, das ist der „Facebook-Effekt“. Andere lehnen es strikt ab. Welche der Entscheidungen überwiegen, ist derzeit völlig unklar – entscheidend wird wie immer sein, wo sich die Masse irgendwann hinbewegt und vor allem, wie die Industrie es schafft, sie zu manipulieren! Ohne Frage ergibt sich durch die Auswertung von Daten auf diesem neuen, immens schnellen Weg eine massive Beschleunigung der klinischen Forschung. Einerseits revolutionär gut, andererseits ein lauerndes gigantisches Geschäft und eine Geldmaschine. Man darf davon ausgehen, dass zwar die Datenerhebung bahnbrechend schneller und besser wird, aber dass die unangenehmen Wahrheiten in Zukunft noch viel mehr im Verborgenen bleiben werden. Wenn dieser Markt nicht irgendwie regulierbar wird, drohen hier tatsächlich auch große Gefahren für die Gesundheitsfürsorge. Vergessen wird hierbei das Charisma des Arztes im Zusammenspiel mit dem Patienten, das Gefühl, die spirituelle Seite sowie die Hinwendung und die Haptik. All diese Dinge sind entscheidend für richtige Diagnostik und Therapie.

Ob auch die im E-Health-Gesetz genannte „Telemedizin“ hinsichtlich Kostenersparnis im Gesundheitswesen positive Effekte hat, zeigt sich zurzeit nicht. Studien der hKK-Krankenkasse zeigen außer einem kleinen Nutzen nur ein großes Geschäft für die Anbieter. Nur wenn wir uns einmischen, kann das Richtige entstehen und passieren. Wir sollten kritisch sein – aber bitte nicht den alten Fehler machen, Dinge nur deshalb abzulehnen, weil sie „Neu“ sind. Alle bewährten Verfahren und Vorgehensweisen waren in der Vergangenheit auch mal „Neu“. Und bedenken Sie – bisher war die Zukunft der Medizin immer besser als die Vergangenheit.

Prof. Dr. med. Udo Rebmann
Mitglied des Vorstandes