
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Medizinstudium dient der Sicherung unseres beruflichen Nachwuchses. Vor dem Hintergrund eines zunehmend drohenden Ärztemangels bei gleichzeitig steigendem medizinischem Bedarf wurde bereits 2013 von der Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag eine Reform des Medizinstudiums vereinbart. In einer ersten gemeinsamen Sitzung haben am 8. Mai 2015 Vertreter von Bund und Ländern mit der Arbeit am „Masterplan Medizinstudium 2020“ begonnen. Der letzte Stand: 17.03.2017. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat die Entscheidung zum Masterplan Medizinstudium 2020 kurzfristig von ihrer gestrigen Agenda genommen. Laut KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann (CDU) aus Baden-Württemberg ist bisher „die Finanzierung wesentlicher Teile des Masterplans ungewiss“.
Bekannt über den Masterplan, über dessen Inhalte sich das BMG in Stillschweigen hüllt, ist, dass die Allgemeinmedizin im Studium aufgewertet werden soll. Das praktische Jahr wird künftig in Quartale unterteilt, von denen die Studierenden verpflichtend eines in der ambulanten Versorgung ableisten müssen und die Allgemeinmedizin wird verpflichtendes Prüfungsfach im dritten Staatsexamen. Außerdem fordert die Politik eine Landarztquote, eine bestimmte Zahl von Medizinstudienplätzen in einem Bundesland für künftige Landärzte zu reservieren und diese Plätze nur an Abiturienten zu vergeben, die sich verpflichten, nach vollständig abgeschlossener Ausbildung für eine bestimmte Zeit in einer unterversorgten Region im ländlichen Raum zu praktizieren.
Es ist verständlich, dass bei einer so starken Fokussierung auf die Allgemeinmedizin und den Hausarztmangel die Diskussion über andere Inhalte des Masterplanes, wie Reform des Auswahlverfahrens für Studienbewerber, Praxis- und Patientenorientierung des Studiums, Entwicklung kommunikativer, interprofessioneller und wissenschaftlicher Kompetenzen, die Wissenschaftlichkeit im Medizinstudium, Überarbeitung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs und des Gegenstandskatalogs der ärztlichen Prüfung, Einführung neuer Prüfungsformate, die Forderung nach mehr Studienplätzen u. v. a. m. zumindest auf politischer Ebene völlig in den Hintergrund treten.
„Landarztquote“, dieses politische Schlagwort suggeriert Aktionismus, die Lenker unserer Gesellschaft haben sich etwas einfallen lassen. Die Studierenden wie auch alle anderen der Hochschulmedizin angehörende Gesellschaften fordern: „Studieninhalte sollten aus sich heraus und wissenschaftlich begründet sein. Wir lehnen es daher kategorisch ab, dass die Zulassungs- und Ausbildungsbedingungen mit dem Ziel verändert werden, regionale und fachspezifische Versorgungsprobleme zu lösen.“ Sogar die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) befürchtet, dass die Quote das Image der hausärztlichen Medizin auf dem Lande sogar eher beschädigen könne und empfiehlt, von einer Quotenregelung Abstand zu nehmen, um das Ansehen der hausärztlichen Medizin auf dem Land nicht zu diskreditieren. Das Ziel des Medizinstudiums muss nach wie vor ein allumfassend ausgebildeter Absolvent mit entsprechenden wissenschaftlichen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen sein. Spezialisierung findet später statt. Oder wollen wir vielleicht in 10 Jahren eine Augen- oder Hautarztquote einführen?
Um dem Ärztemangel und der Fehlverteilung der Ärzte im Land zu begegnen, bedarf es keiner Reformation des Medizinstudiums. Wie soll ein Abiturient sich ehrlichen Herzens verpflichten können, am Ende seiner Ausbildung mehr als 10 Jahre später die Liebe zur hausärztlichen Tätigkeit auf dem Lande immer noch in sich zu tragen. Will man Hausärzte auf dem Land, muss man die Rahmenbedingungen so verbessern, dass es für die jungen Kollegen attraktiv wird. Das bedeutet in erster Linie Weiterbildung zum Facharzt in geordneten Bahnen, gezielte Unterstützung bei der Niederlassung, aber eben auch Verbesserung der Struktur (Schule, Sport, Freizeit, Kultur) in den Gemeinden. Sieht eine junge Arztfamilie für ihre Kinder auf dem Land keine Perspektive, bleibt sie in der Stadt. Das ist aber eine Aufgabe der Politik, dafür braucht man einen Plan, einen langen Atem und Geld. Will man das Wahlvolk beeindrucken, lässt man die Medien drucken: „Die Landarztquote kommt“ (Tagesspiegel 25.01.2017).
Nun aber ist erst einmal der Masterplan 2020 zu Grabe getragen worden. Medizinstudierende haben am 17.03.2017 in Berlin anlässlich der Kultusministerkonferenz einen Kranz zum Gedenken „an den Tod der echten Reform“ niedergelegt. Viele Diskussionen, viele kluge Gedanken, viel Engagement. Ohne Finanzierung keine Reform. Was bleibt, ist die Quote.
Dr. med. Peter Wolf
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