Dr. med. Thomas Langer
Dr. med. Thomas Langer

Mit den Mindestmengenregelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 136b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser, in Kraft getreten am 1. Januar 2017, werden Krankenhäuser von der Erbringung bestimmter Leistungen ausgeschlossen, wenn sie nicht eine Mindestzahl an Eingriffen vorweisen können. Dies betrifft gegenwärtig folgende medizinische Maßnahmen: Lebertransplantation (inklusive Teilleber-Lebendspende): 20, Nierentransplantation (inklusive Lebendspende): 25, kom-plexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus: 10, komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas: 10, Stammzellentransplantation: 25, Kniegelenk-Total­endoprothese: 50, (koronarchirurgische Eingriffe: nicht festgelegt), Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht <1.250g: 14.

In seiner Begrüßungsrede zur Eröffnung des 120. Deutschen Ärztetages am 23.05.2017 nahm der Bundesminister für Gesundheit Hermann Gröhe unter anderem humorvoll Bezug auf die neue Mindestmengenregelung in der deutschen Medizinlandschaft und wies diese als Erfolg seiner Arbeit aus. Er sagte sinngemäß, dass ein Patient, der vom Chefarzt eines Krankenhauses mit den Worten begrüßt wird, so etwas wie ihren Fall hätten wir schon lange nicht gehabt, wohl etwas irritiert sein und der Einrichtung vermutlich kein Vertrauen entgegen bringen würde. Es ist naheliegend, dass eine gewisse Mindestzahl an Eingriffen das Ergebnis verbessern kann. Hierzu gibt es entspechende wissenschaftliche Untersuchungen.

Viel beachtet wurde unter anderem die Studie „Mindestmengen und Krankenhaussterblichkeit – Beobachtungsstudie mit deutschlandweiten Krankenhausabrechnungsdaten von 2006 bis 2013“ von U. Nimptsch1, D. Peschke2 und T. Mansky1 (1 Fachgebiet Strukturentwicklung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen, TU Berlin, Berlin; 2 Institut für Public Health und Pflegeforschung – IPP, Universität Bremen, Bremen). Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen der Einhaltung der Mindestmengenvorgabe auf Krankenhaus­ebene und dem Behandlungsergebnis bei komplexen Eingriffen am Pankreas und am Ösophagus, dem Kniegelenks­ersatz, der Leber- und Nierentransplantation und der Stammzellentransplantation. Überwiegend ging eine höhere Fallzahl mit einem qualitativ besseren Ergebnis einher. Allerdings zeigte sich bei den Lebertranplantationen kein Vorteil für die Kliniken, welche die Mindestmengenvorgabe einhielten. Bei der Stammzellentransplantation ergab sich sogar ein Nachteil bei höheren Fallzahlen.

Es gibt auch andere Untersuchungen, die beispielsweise medizinische Nachteile einer Klinikbelegung von über 90 % nachweisen (Stichwort: Fließbandmedizin). Insgesamt kommt die kritische Hinterfragung hoher Fallzahlen m. E. in den Publikationen und auch in der Mindestmengenregelung zu kurz. So strebe der Gemeinsame Bundesausschuss eine wissenschaftliche Begleitung der Auswirkungen von Mindestmengen an. Eine zwingende Vorschrift ist dies nicht.

In den Diskussionen um die Mindestmengen kommen auch Befürchtungen um die Qualität der Indikationsstellung zu den jeweiligen medizinischen Eingriffen auf. Eine entsprechende Überprüfung sei erforderlich. Dies erinnert mich stark an die Diskussionen im Zusammenhang mit der Einführung des DRG-Systems. Hier gehören inzwischen ausufernde Einflussnahmen von außen (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) zum Klinikalltag.

Ein entscheidender Mangel der jetzigen Mindestmengenregelung scheint mir zu sein, dass die Bedeutung der einzelnen Arztpersönlichkeit mit ihren Erfahrungen und hart erarbeiteten Fähigkeiten (z. B. chirurgische Expertise) für das qualitative Ergebnis aus medizinischer Sicht nur ungenügend berücksichtigt wird. Es zählt letztlich die Krankenhausebene. Natürlich kommt es auch auf das gesamte Team an. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass sich ein hochrangiger Politiker im Falle persönlicher Betroffenheit allein an der Klinikstatistik orientiert. Vermutlich wird er sich einem ausgewiesenen Spezialisten anvertrauen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Mindesmengenregelung eine Steigerung der Bürokratie mit sich bringt. Sie ist als Ergänzung des DRG-Systems skalierbar, ohne dass zwingend ärztliche und wissenschaftliche Einwände gehört werden müssen. Es ist dringend erforderlich, dass Ärztekammern, Fachverbände und Universitäten diese Entwicklung aufmerksam beobachten und sich gegebenenfalls einmischen.

Dr. med. Thomas Langer