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Am 11. November wird in Halle im Rahmen eines akademischen Festaktes die dritte Erxleben-Lecture gehalten. Frau Prof. Brigitte Vollmar wird sich in ihrem Vortrag mit der Thematik „Gesund altern: aktuelle Beiträge aus der experimentellen Grundlagenforschung“ auseinandersetzen.
Die Bedeutung von Dorothea Christiane Erxleben, der ersten deutschen Ärztin, wurde an dieser Stelle mehrfach gewürdigt. Wie wir wissen, verdankte sie ihre Zulassung zum Promotionsstudium einem Dekret Friedrich II. Damals wie heute erfordert dies einen Spagat zwischen Beruf und Familie. Dorothea Erxleben verzichtete zunächst für mehrere Jahre auf die Inanspruchnahme ihres Privilegs, um sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen. Für eine lange Zeit war es für junge Mütter in der Medizin üblich, sehr schnell wieder den Weg ins Berufsleben zu finden. Heute hingegen haben junge Eltern (Dank Elternzeit- und Teilzeitmodellen) sehr viel bessere Möglichkeiten, ihr Berufs- und Familienleben miteinander in Einklang zu bringen. Was zu Erxlebens Zeiten unvorstellbar war, der kinderbetreuende Vater (während die Mutter arbeitet) ist heute allgegenwärtige Realität. Genauso wie das Bestreben, nicht mehr 50 oder 60 Stunden in der Woche zu arbeiten, sondern nur noch 30 oder 40. Zwangsläufige Konsequenz: wir brauchen mehr Ärzte. Gleichzeitig brauchen wir aber auch mehr Ärzte, um den stetig wachsenden Bedarf an ärztlichen Leistungen erbringen zu können.
Nun kommt wieder die Sache mit dem „König“. Friedrich II. wies zu seiner Zeit die Universität Halle an, Dorothea Erxleben zur Promotion zuzulassen. Mit seiner Entscheidung brach er mit gesellschaftlichen Tabus und legte den Grundstein dafür, dass heute 55 % unserer Kammermitglieder Frauen sind. Bei den Studienanfängern sind es sogar rund
60 %.
So wie zu Friedrichs Zeiten die Gesellschaft nicht darauf vorbereitet war, dass Frauen in der Medizin eine tragende Rolle einnehmen würden, so drängt sich der Eindruck auf, dass die Medizin des 21. Jahrhunderts bisher nicht ausreichend auf den Einklang von moderner Work-Life-Balance und der Sicherstellung der medizinischen Versorgung vorbereitet ist. Bedarf es hier wieder eines Dekrets der Obrigkeit? Immerhin steht zum vierten Mal eine Frau an der Spitze der Regierung. Landesweit fehlen inzwischen hunderte Ärztinnen und Ärzte, Tendenz steigend. Krankenhäuser suchen händeringend nach Assistenz- und Fachärzten, Praxisinhaber nach Nachfolgern und Mitarbeitern. Gleichzeitig verlassen noch immer zu viele Absolventen unserer beiden Medizinischen Fakultäten unser Bundesland. Die Diskussion um den Masterplan 2020 – an dieser Stelle auch schon mehrfach thematisiert – soll allgemein eine Verbesserung der Ausbildung unseres Ärztenachwuchses bringen. Ganz speziell soll er auch dazu beitragen, zukünftig die Grundversorgung in der Fläche zu sichern.
Spätestens an dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir wieder bei Dorothea Erxleben, den Regierenden und bei jedem Einzelnen von uns. Erxleben lehrt uns in dieser Situation, dass wir, um etwas zu verändern, von etablierten Pfaden abweichen müssen. Dazu bedarf es politischer Rahmenbedingungen. Veränderungen bei der Zulassung zum Medizinstudium (qualitativ und nominal), individualisierte Bedingungen zu Beginn der ärztlichen Weiterbildung und Unterstützung im sozialen Umfeld sind dringend notwendig.
Gerade hat an beiden Fakultäten das neue Semester begonnen. Die Studierenden werden in den kommenden Monaten wieder intensiv mit uns in Kontakt kommen: auch in Lehrkrankenhäusern, Lehrpraxen, bei Praktika und Famulaturen.
Wir müssen gemeinsam unseren zukünftigen Kollegen vermitteln, wie schön es sein kann, Ärztin oder Arzt in Sachsen-Anhalt zu sein. Wir sollten gemeinsam mit den Fakultäten, den Krankenhäusern, der KV und den politisch Verantwortlichen eine „Initiative Ärzte für Sachsen-Anhalt“ starten. Ich bitte Sie darum, diese Initiative zu unterstützen, denn es geht um nicht weniger als um unseren eigenen Nachwuchs.
apl. Prof. Dr. med. habil. Uwe Ebmeyer