apl. Prof. Dr. med. habil. Udo Rebmann
apl. Prof. Dr. med. habil.
Udo Rebmann
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Mediale Schlagzeilen über Abweisung von Notfallpatienten oder Stationsschließungen in Krankenhäusern des Landes mehren sich in den letzten Wochen. Als Gründe wurden vor allem Personalmangel angegeben. Die Reaktion des Sozialministeriums erfolgte in einem neuen Krankenhausgesetz. Angedroht wurden Sanktionen bis zur Schließung von Krankenhäusern aus Gründen des Versorgungsauftrages und der fehlenden Qualität.

Laut Bundesministerium für Gesundheit sind 38.000 Stellen in Kliniken und Pflegeeinrichtungen vakant. Bis 2035 wird vom Bundesberufsbildungsinstitut ein Fachkräftemangel von 280.000 Personen erwartet. Ist diese Situation neben der demografischen Entwicklung auch hausgemacht verstärkt?

13.000 Stellen sollen im nächsten Jahr zusätzlich zu 100 % finanziert werden – das ist laut Pflege-Personal-Stärkungsgesetz gut. Gleichzeitig wurden gemäß Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnungen aus Qualitätsgründen Personaluntergrenzen in bisher 4 Bereichen festgelegt (ITS, Geriatrie, Kardiologie, Traumatologie). Auch das ist gut – oder? Woher soll das Personal kommen? Der Markt ist leer, Ausbildung von Nachwuchs dauert und ist auch für diesen nicht sehr lukrativ, ausländische Pflegekräfte sind auch in entsprechender Anzahl nicht vorhanden.

Wie können also stationäre Einrichtungen auf die Personaluntergrenzen reagieren, um nicht vom „Markt“ genommen zu werden? Erfahrungsgemäß wird dann der einfachste Weg das Abwerben von Personal aus dem ambulanten oder dem Pflegebereich der Altersheime sein. Treffen würde es vor allem die Pflegeheime und Reha-Einrichtungen, aber auch Schwestern niedergelassener Kollegen, da die Bezahlung in den Bereichen deutlich schlechter als im Krankenhaus ist.

Das Spannungsfeld wird sich innerhalb der medizinischen Gebiete einerseits und andererseits zwischen Ökonomie und Medizin erheblich verschlechtern. Woher kommt das zusätzliche Geld dafür – von den Krankenkassen. Es erfolgt die 100%ige Finanzierung laut Pflege-Personal-Stärkungsgesetz für Neueinstellungen. Gefördert wird die gesamte Situation noch durch die Zustimmung des Bundestages, dass die Ausbildung in der Altenpflege „auf einem deutlich niedrigeren Niveau“ erfolgen soll, als in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Also eine Ausbildung 2. Klasse verbunden mit einem geringeren Gehalt.

Woher kommen eigentlich die Daten für Personaluntergrenzen? Grundsätzlich ist keine Datenlage bekannt, die valide eine Personalbesetzung abbildet. Der „politische Handlungswille“ des Bundesministeriums für Gesundheit, die Personalsituation in stationären Einrichtungen zu verbessern, ist zu begrüßen. Aber es besteht die große Gefahr, dass die Personalsituation zurzeit ökonomisch optimiert, aber pflegetechnisch völlig unzureichend dann in einer Verordnung als der „tatsächliche Bedarf“ festgelegt wird. Immer nach dem Motto „Nichts währt so lange wie ein Provisorium“.

Während die gewollte Personalbesetzung der Intensivpflege mit einer Personalzuordnung von 1:2 (Schwestern/Patient) noch nachzuvollziehen ist, scheint im Bereich Geriatrie die Betrachtung der Behandlungsrealität völlig aus den Fugen geraten zu sein. Ein Verhältnis von 1:10 verschlechtert für dieses betreuungsintensive Gebiet die Situation noch zusätzlich.

Apropos Untergrenzen für Schwestern – wie ist das mit den Ärzten? Ist es nicht legitim auch darüber nachzudenken? Was lernen wir aus einzelnen gut gemeinten Eingriffen in die Ordnung des Gesundheitswesens – es kommt zu neuen Problemen. Trotzdem ist es gut mit Reformen zu beginnen. Die Umstrukturierung erfordert ein hoch kompetentes und motiviertes Team und zwar aus Medizinmachern kombiniert mit dem Gesetzgeber.

apl. Prof. Dr. med. habil. Udo Rebmann
Vorstandsmitglied der Ärztekammer Sachsen-Anhalt

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