Liebe Kollegen und Kolleginnen,

Dr. Simone Heinemann-Meerz
Dr. Simone Heinemann-Meerz,
Foto: Archiv

das Jahr ist neu, die Herausforderungen bleiben die alten. Dazu zählt der bedrohliche Trend zur Konzernbildung in unserem Gesundheitswesen. In Zeiten von Niedrigzinsen suchen Private-Equity-Gesellschaften händeringend nach neuen Möglichkeiten, ihr Kapital gewinnbringend anzulegen. Immer mehr rückt dabei das Gesundheitswesen in den Fokus. Durch den medizinischen Fortschritt werden die Behandlungsmöglichkeiten zunehmend ausgefeilter und damit aufwändiger. Gleichzeitig bietet das Gesundheitssystem in Deutschland stabile und verlässliche Rahmenbedingungen. Kein Wunder, dass Kapitalgeber in diesem Umfeld auf satte und verlässliche Rendite hoffen. Beliebte Spekulationsobjekte sind neben Pflegeeinrichtungen auch Medizinische Versorgungszentren (MVZ).

Rund 2.500 MVZ gibt es in Deutschland, etwa 420 davon sind inzwischen schon in Investorenhand. Und es werden immer mehr: Allein bis zum August des vergangenen Jahres wurden 36 MVZ von in- oder ausländischen Investoren übernommen. Sie konzentrieren sich bisher auf technik- und kapitalintensive Facharztdisziplinen wie die Labormedizin, Dialyseeinrichtungen, die Radiologie oder die Augenheilkunde. Gern werden auch ganze Krankenhäuser aufgekauft, nur um damit MVZ gründen zu können.

Diese Entwicklung muss gestoppt werden. Denn sie führt dazu, dass die Renditeinteressen anonymer Anleger in Konkurrenz treten zu dem Wohlergehen von Patientinnen und Patienten. Und diese Entwicklung droht den freiberuflichen Charakter der ärztlichen Tätigkeit zu verändern und die Wahlfreiheit der Patienten einzuschränken. Denn wo sich immer mehr Marktmacht in wenigen Händen konzentriert, steht die Einzelpraxis auf verlorenem Posten.

Obwohl die Ärzteschaft vor diesem Trend zur Kommerzialisierung schon seit langem warnt, schaute die Politik dem Treiben der Investoren bisher weitgehend tatenlos zu. Immerhin, inzwischen scheint der Gesetzgeber den Ernst der Lage erkannt zu haben. So findet sich im Entwurf für das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) zumindest ein Ansatz von Gegenwehr. Vorgesehen ist, die Gründung von Versorgungszentren durch Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen auf fachbezogene MVZ zu beschränken. Das ist gut und richtig, kann aber nur ein erster Schritt sein. Dass weitere folgen müssen, hat auch der Bundesrat erkannt. Er fordert in seiner Stellungnahme Nachschärfungen beim TSVG, um monopolartige Strukturen zu verhindern und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Wie könnte das konkret aussehen? Es wäre beispielsweise denkbar, eine Größenbeschränkung für MVZ einzuführen und ihre Zulassung zeitlich zu begrenzen. Der Gesetzgeber könnte festlegen, dass die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte bei Ärzten liegen muss, die in dem MVZ tätig sind. Regionale Beschränkungen wären eine Möglichkeit, um zu verhindern, dass Krankenhäuser als Trojanische Pferde zur bundesweiten MVZ-Gründung missbraucht werden. Klare Transparenzvorschriften könnten es für den Patienten nachvollziehbar machen, wer an einem MVZ beteiligt ist.

Der Ruf nach strengeren Vorschriften bedeutet nicht, dass wir Ärztinnen und Ärzte grundsätzlich gegen MVZ sind. In den richtigen Händen und mit dem klaren Fokus auf das Patientenwohl können sie einen wichtigen Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung leisten. Auch ökonomisches Denken ist an sich nicht falsch. Schließlich kann auch eine Einzelpraxis nur überleben, wenn sie wirtschaftlich geführt wird. Und niemand stellt in Frage, dass Ärzte mit dem Geld der Versicherten sparsam umgehen müssen. Was wir aber ablehnen, sind auf Gewinn getrimmte Gesundheitsfabriken, die erst ausgequetscht und dann an den Höchstbietenden weiterverkauft werden. Wir Ärzte müssen darauf pochen, dass im Gesundheitswesen die medizinischen Ziele im Vordergrund stehen, nicht die betriebswirtschaftlichen. Lassen Sie uns dafür auch im neuen Jahr gemeinsam kämpfen!

Herzlichst Ihre
Dr. Simone Heinemann-Meerz
Präsidentin der Ärztekammer Sachsen-Anhalt