Dr. med. Gunther Gosch
Dr. med. Gunther Gosch
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„Der eine oder andere Arzt wird ab Mittwochnachmittag auf dem Golfplatz gesehen.“ Karl Lauterbach (SPD) am 20. Dezember in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ zum Ruf der Krankenkassen nach mehr Arztsprechstunden in den Abendstunden und an Samstagen.

Diese gewiss nicht einfach dahingesagte, sondern mit Kalkül getätigte Bemerkung des Gesundheitspolitikers Karl Lauterbach ordnet sich ein in den gefährlichen Kontext ehrverletzender Verunglimpfungen unseres ärztlichen Berufstandes durch vermeintliche Experten, deren Verhaftung in der Realität nicht nur des Gesundheitssystems bezweifelt werden muss. Wie kürzlich in einem offenen Brief einer jungen Assistenzärztin einer Potsdamer Hausarztpraxis stellen selbst SPD-Mitglieder die Expertise Lauterbachs in Frage. Möglicherweise ist dem Kollegen Lauterbach die Neufassung des Ärztlichen Gelöbnisses nicht bekannt. Hier gelobt der Arzt, eigene Gesundheit und Wohlergehen zu berücksichtigen, um Patienten auf höchstem Niveau behandeln zu können. Dem Arzt abzusprechen, nach den durchschnittlich 52 Arbeitsstunden allein in der Praxis Sport im Sinne der eigenen Gesunderhaltung treiben zu dürfen, ist stillos und anmaßend.

Zu Recht nimmt der ärztliche Widerstand gegen die überregulatorische Bevormundung durch Politiker und Kassenfunktionäre zu, die ihren Gipfel im TSVG-Entwurf und den Bemühungen findet, die notwendige Digitalisierung der Medizin mit veraltetem Konzept und ohne ausreichende Breitbandbasis durchzupeitschen. Da ist der Kassenfunktionär Johann-Magnus Frhr. v. Stackelberg (GKV-Spitzenverband), der in Kenntnis des schon jetzt mit 15 % hohen Anteils durch niedergelassene Ärzte unvergütet erbrachter Leistungen die Ausweitung der Sprechzeiten in die Abendstunden und die Wochenenden fordert. Da ist der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der sich als Entscheider sieht und schon einmal mit der Keule der Bürgerversicherung droht, wenn die Sinnhaftigkeit einiger seiner Vorhaben durch die Ärzteschaft in Zweifel gezogen wird. Es wird nicht gelingen, allein durch populistischen Aktionismus und Ärztebashing von denjenigen Problemen abzulenken, die dringend einer Lösung bedürfen. Das sind der in einigen Regionen und Fachrichtungen längst nicht mehr nur drohende Ärztemangel durch Überalterung, mangelnden Nachwuchs, die Feminisierung der Versorgungsmedizin und selbstbewusstere Lebensmodelle der nachwachsenden Ärztegeneration. Das ist die Verschlechterung der Patientenversorgung durch die Gefahren einer zunehmenden Kommerzialisierung und Ökonomisierung auch der ambulanten Medizin, die sich in der steigenden Zahl renditeorientierter MVZ zeigt, welche ganz unabhängig von Besitzverhältnissen allein quantitativ nur ca. 80 % des Leistungsumfangs vergleichbarer Vertragsarztpraxen abbilden. Da ist der vorausgesagte und tatsächlich eingetretene Versorgungsmangel an Grippeimpfstoffen, der auf dem Boden einer rechtlich umstrittenen, aber politisch geduldeten Quasimonopolisierung des Impfstoffmarktes entstehen musste.

Da versucht der Bundesgesundheitsminister die Macht des G-BA zu beschneiden, indem er in Abkehr der Prinzipien evidenzbasierter Entscheidungsfindung bestimmen will, welche Leistungen die GKV künftig bezahlen müsse. Hätte er nicht vielmehr einschreiten müssen, als die GKV allein aus Kostengründen an der Versorgung mit einem weitgehend unwirksamen trivalenten Grippeimpfstoff bis zum Ende der schwerverlaufenden Grippesaison im Frühjahr 2018 festhielt? Spätestens nach der Veröffentlichung der STIKO-Empfehlung Anfang 2018 hätte es einer politischen Entscheidung des BMGs bedurft, die Bevölkerung mit verfügbaren quadrivalenten Impfstoffen sinnvoll zu schützen und influenzabedingte Komplikationen und Todesfälle zu verhindern. Das Infektionsschutzgesetz hätte es hergegeben. Dringend bedarf es einer Verbesserung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung, die schon in Kindergärten und Schulen einsetzen und konsequent in die Ausbildung von Erziehern und Lehrern implementiert werden muss. Dringend muss der Masterplan Medizinstudium 2020 umgesetzt und die Zahl der Medizinstudienplätze an deutschen Universitäten erhöht werden. Und endlich bedarf es nicht nur der Reform realitätsferner Zulassungsbeschränkungen wie beispielsweise in der Kinder- und Jugendmedizin, sondern auch der konsequenten Endbudgetierung ärztlicher Leistungen. Die Kostenargumente deren Gegner würden sich relativieren, wenn Leistungen ohne wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis aus dem Leistungskatalog der GKV gestrichen und der eigendynamisch wachsende Markt verschiedener nichtärztlicher Leistungserbringer genauso konsequenten Kostenkontroll- und Qualitätsmanagementregelungen unterworfen würde wie die Tätigkeit von Ärzten.

Lassen Sie uns gemeinsam und unmissverständlich deutlich machen, dass als conditio sine qua non auch für notwendige Reformen im Gesundheitssystem unser ärztlicher Sachverstand gehört und akzeptiert werden muss.

Dr. med. Gunther Gosch
Vorstandsmitglied der Ärztekammer Sachsen-Anhalt