Dr. med. Thomas Langer
Dr. med. Thomas Langer
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Diese Überschrift las ich kürzlich in einem Onlinebeitrag einer Zeitung. Sie bezog sich auf Verlautbarungen des Vorsitzenden des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“, Herrn Prof. Ferdinand Gerlach, der erneut zum Vorsitzenden dieses Gremiums gewählt wurde.

Dieser erstmals 1985 eingesetzte Rat umfasst sieben Mitglieder aus den Bereichen Medizin, Ökonomie und Pflegewissenschaften. Er hat unter anderem die Aufgabe, Vorschläge für medizinische und ökonomische Orientierungsdaten vorzulegen sowie Möglichkeiten und Wege zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens aufzuzeigen. Thematisiert wurde in diesem aktuellen Beitrag neben der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit und der Work-Life-Balance der jungen Ärztegeneration vor allem die Notwendigkeit einer digitalen Patientenakte. Hierbei dürfe der Datenschutz aber nicht als vorgeschobenes Argument gegen eine sinnvolle Digitalisierung der Gesundheitsversorgung missbraucht werden. Die Adressaten dieser Kritik könnten Ärztinnen und Ärzte sein, die kritisch ihren Finger in diese Wunde legen. Bis vor wenigen Jahren stellten diese Kritiker beim Ärztetag sogar die Mehrheit.

Bei mir erzeugt der Missbrauchsvorwurf gegen die Thematisierung des Datenschutzes allerdings ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Es gibt eine mit hohem bürokratischen Aufwand europaweit eingeführte Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). An diese hat man sich zu halten – Punkt! So wurde es uns von allen Seiten mitgeteilt. Man sollte sich in diesem Zusammenhang bewusst machen, welche Firmen und Institutionen (selbst solche mit „intelligence“ im Namen) bisher Datendiebstahl erlitten haben. Es gibt IT-Experten, die davon ausgehen, dass so sensible Daten auf jeden Fall irgendwann gehackt werden. Man solle sich darauf einstellen und den zu erwartenden Schaden von vornherein in die Überlegungen einbeziehen. Kritikern Fortschrittsfeindlichkeit zu unterstellen ist ein Totschlagargument. Man sollte aufmerksam die Erfahrungen der Praxen und Kliniken zur Kenntnis nehmen. Die „Digitalisierung“ ist ja schon in vollem Gange. Der zusätzliche Aufwand der Onlineanbindung der Praxen fiel in eine Zeit, in der die oben genannte DSGVO umgesetzt werden musste. Die Komplexität nahm zu. Einige ältere Kolleginnen und Kollegen wollten sich der galoppierenden Bürokratie nicht mehr stellen und flüchteten in den vorgezogenen Ruhestand. Man könnte meinen, dass sie den Begriff Work-Life-Balance der jungen Ärztegeneration für sich entdeckt haben.

Ich will allerdings die Möglichkeiten und Notwendigkeiten neuer Technologien nicht grundsätzlich kleinreden. Das Land Brandenburg könnte mit der „Digital-Engineering-Fakultät“, einer durch die Hasso-Plattner-Stiftung privat finanzierten Fakultät an der Universität Potsdam, eine Vorreiterrolle einnehmen. Drei der vierundzwanzig Professuren beschäftigen sich mit Digital Health. Es zeugt aber von großem Optimismus, zu glauben, dass mit diesen Aktivitäten der Ärztemangel behoben wird. Hierzu sind in erster Linie nach Ansicht der Ärztekammern mehr Studienplätze für Mediziner erforderlich.

Im Rahmen dieses Editorials sei mir abschließend ein persönlicher Blick über den Tellerrand des Gesundheitswesens erlaubt. Ich sehe hier deutliche Parallelen zum Bildungswesen sowohl bezüglich des Mangels an Akteuren als auch des Themas Digitalisierung. Ob jedoch eine elektronische Tafel, die nach 4-6 Jahren vielleicht Schrott ist bzw. teuer repariert werden muss oder ein I-Pad für Schulanfänger geeignet sind, das System zu verbessern, darf bezweifelt werden.

Insider beklagen eine schleichende Absenkung der Anforderungen an die Kinder, offenbar um das sinkende Bildungsniveau zu kaschieren. Wahrscheinlich sind die Probleme des Bildungswesens für die Zukunft einer Gesellschaft viel gravierender als unser Ärztemangel und die damit erzwungene Umstrukturierung des Gesundheitswesens. Als Arzt tröstet mich das aber überhaupt nicht.

Dr. med. Thomas Langer
Vorsitzender der Geschäftsstelle Halle (Saale)
der Ärztekammer Sachsen-Anhalt