Prof. Dr. med. Udo Rebmann
Prof. Dr. med. Udo Rebmann
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Russen sorgen sich um die Qualität, Amerikaner um Kosten, Deutsche um fehlendes Personal (61 %) – zu Recht?

Die Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Schließung der Hälfte aller Krankenhäuser hat für ein politisches Erdbeben mit Entrüstung einerseits und Zustimmung andererseits gesorgt. Zumindest hat es erheblich polarisiert. Auch hierbei sind Personalüberlegungen versteckt inbegriffen. Wenn die Hälfte aller Kliniken geschlossen wird, wird Personal für die Verbleibenden frei – eine Personalbeschaffungsmaßnahme? Gesundheitsexperte Augurzky unterstützt diese Annahme, indem er postuliert, dass es die gravierend knappen Nachwuchskräfte in Zentren zieht! Prof. Reinhard Busse (TU Berlin) erklärt – es werde zu viel operiert, es gebe zu viele stationäre Patienten, es werde zu viel Pflegepersonal im Vergleich mit dem europäischen Durchschnitt eingesetzt, ohne dass es bei den Patienten ankommt. Also – brauchen wir gar nicht mehr Fachkräfte, Pflege und Ärzte? Genügt eine einfache Umstrukturierung?

Die quadrantengleiche Aufteilung der Krankenhauslandschaft der Bertelsmannstudie spiegelt nicht die Lebensverhältnisse in Deutschland, geprägt von regionalen Unterschieden, wider (Deutschlandatlas). Während in einer Region Deutschlands die Krankenhausdichte sehr hoch ist, haben vor allem die ostdeutschen Länder, auch Sachsen-Anhalt, ihre Hausaufgaben gemacht (novelliertes Krankenhausgesetz). Und trotzdem fehlt Fachpersonal an allen Ecken und Kanten. Dass der „Kampf“ um Ärzte schärfer geworden ist, zeigt die „freche“ Abwerbeaktion der Stadt Wolfsburg in den beiden Universitätsstädten Halle und Magdeburg, die zwar statthaft, aber ärgerlich ist. Geworben wird mit Kopfprämien und anderen Vergünstigungen.

Die prekäre Personalsituation, vor allem der Pflegekräfte, ist teilweise auch hausgemacht. Der Gesundheitsminister Jens Spahn ist ein Fleißiger. In kürzester Zeit hat er mehrere Gesetze (16 Gesetze in 19 Monaten) und Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht. Zu nennen sind das Pflege-Personal-Stärkungsgesetz, das Impfgesetz gegen Masern, den Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung und die gesellschaftliche Diskussion um ein Transplantationsgesetz. Inhaltlich sind kaum Einwände zur Verbesserung der Versorgungssituation zu machen. Gravierende Probleme in der praktischen Umsetzung entstehen durch fehlendes Personal, – woher nehmen? – durch unklare Finanzierung und durch Kompetenzgerangel der Akteure. Zurzeit soll eine große Anzahl von Ärzten (Haus- und Fachärzte) fehlen – viele davon auf dem Lande. Nach Zahlen der Ärztekammer Sachsen-Anhalt sind 2.500 Kollegen im Jahr 2025 65 Jahre alt oder älter. Wieviel Pflegepersonal fehlt ist unklar, die Größenordnung dürfte die der Ärzte deutlich überschreiten. Grund dafür ist die fehlende Attraktivität der Pflegeberufe, bedingt durch Überbelastung, Überbürokratisierung, Unterbezahlung und auch negative Berichterstattung durch Medien.

Politische Entscheider auch in Sachsen-Anhalt müssen sicherstellen, dass es nicht wegen finanzieller Mängel oder anderer Vergünstigungen gelingt, vorhandenes Personal noch abzuwerben. Ärmere Regionen werden dabei immer das Nachsehen haben. Das geht alles nach der bekannten Aussage „Wer zu spät kommt …“. Hamburgs Senatorin für Gesundheit, C. Prüfer-Storcks, erklärt folgerichtig: „Das fehlende Personal ist der einzige Faktor, der die Entwicklung des Gesundheitswesens ausbremsen kann – und zwar aus Sicht der Versorgung als auch aus Sicht der Gesundheitswirtschaft“. Die Implementierung von IT-Komponenten kann zwar helfen, ersetzt aber nicht „die Spritze“. Webbasierte Interaktionen
z. B. „Ohne-Arzt-Praxen“ (PhilonMed GmbH Heidelberg) sparen Personal, sind eventuell auch zeit- und kostensparend, induzieren aber auch eine 24-Stunden-Erreichbarkeit des Personals und damit eine neue Form der Belastung.

Wie kann man Personal gewinnen, halten und effektiv einsetzen? Die Schaffung von Versorgungsmodellen, die wirklich sektorübergreifend sind, mit der entsprechenden Ausfinanzierung, sollten im Mittelpunkt stehen. Dabei sind „sektoregoistische Schützengräben“ und „betriebswirtschaftliches Kästchendenken“ mehr als hemmend. Die gesellschaftliche Wertschätzung des medizinischen Personals muss wieder in den Bereich gerückt werden, der ihm zusteht. Gleichzeitig sind die finanzielle Auskömmlichkeit sowie die Arbeits- und Umfeldbedingungen deutlich zu verbessern.

apl. Prof. Dr. med. habil. Udo Rebmann
Vorstandsmitglied der Ärztekammer Sachsen-Anhalt