Henrik Straub
Henrik Straub

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Unser ärztliches Handeln wird vom allgegenwärtigen und zunehmenden Ärztemangel bestimmt, auch in den nächsten Jahren. WAS TUN?
Die verantwortlichen Politiker in Sachsen-Anhalt beschlossen im Jahr 2019 das Landarztgesetz mit der Einführung der Landarztquote. Dieses Gesetz ist ein Baustein für die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung, doch bereits jetzt ist absehbar, dass die Absolventenzahlen in ca. 15 Jahren (!!!), wenn die ersten „Landärzte“ ihre Ausbildung beendet haben, keinesfalls ausreichen werden. Und was passiert bei dem allgegenwärtigen Ärztemangel, der ebenso bei niedergelassenen Fachärzten, in Krankenhäusern und im öffentlichen Gesundheitsdienst besteht?

Diskussionen und Absichtserklärungen, die den Ärztemangel als sektorübergreifendes Problem erkennen, dem mit der Bündelung von Aktivitäten zur Nachwuchsgewinnung und Nutzung der (in den Kinderschuhen steckenden) Digitalisierung begegnet werden kann, sind doch für die aktuelle und mittelfristige Sicherung einer qualifizierten Versorgung wenig wert. Hiermit wird nur das unter Sparzwängen seit Jahrzehnten gelebte Prinzip der verbalen Aufgeschlossenheit bei praktizierter Verhaltensstarre fortgesetzt.

Eine bessere Antwort kann unter Vorbehalt die Weiterbildung und Akademisierung des mittleren medizinischen Personals sein. So hat die Ausbildung akademisierter Pflegekräfte bereits begonnen (MLU Halle), die Etablierung von Hochschulstudiengängen zum Physician Assistent (PA) wird 2020 in Sachsen-Anhalt an mindestens einer Fachhochschule etabliert.

Hier liegt aus meiner Sicht eine große Chance zur Stabilisierung und Verbesserung der Patientenversorgung. Erfahrene und motivierte Fachkräfte übernehmen mehr Verantwortung nach angemessener Weiterbildung an einer Fachhochschule und ambitionierten Abiturienten*innen steht neben dem Medizinstudium eine weitere attraktive Möglichkeit der Ausbildung in einem erfüllenden Gesundheitsberuf zur Verfügung.

Trotzdem müssen und werden wir hier noch diskutieren und streiten, wie wir diese dringend benötigten Mitarbeiter*innen effektiv und bedarfsrelevant ausbilden und wo sie dann nutzbringend in der Patientenversorgung zur Sicherung der gewohnten Versorgungsqualität, eingesetzt werden können. Zur Erbringung delegierbarer Leistungen haben sich VERAH, OTA und ATA schon bewährt, die noch profunder auszubildenden PA können ein Mehr an Arztzeitentlastung schaffen. Bei der schon konfliktiv diskutierten Substitution von Arztleistungen habe ich zumindest noch Bedenken, die sich nicht mit wenig zielführenden Hinweisen auf „an Besitzstandswahrung orientiertes Denken und naive Hoffnungen auf das Potenzial der Landarztquote“ (s. Leserbrief Ärzteblatt 9/2019, S. 57) ausräumen lassen. Neben den hohen fachlichen Qualifikationen, die z. B. akademisierte Pflegekräfte für die Substitution von Arztleistungen mitbringen müssten, hätte ich auch eine durchaus emotionale Barriere für eine eventuelle Akzeptanz zu überwinden. Wie können wir unseren sehr guten und guten Abiturienten den Zugang zum Medizinstudium aus Leistungsgründen verweigern, zu wenige Ärzte ausbilden und dann ureigenste, von uns in einem universitären Studium mit anschließender mindestens fünfjähriger Facharztausbildung erworbene ärztliche Fähigkeiten von schlechter ausgebildeten Gesundheitsberuflern, ohne abschließende Qualitätskontrolle durch einen Arzt, erbringen lassen? Wie groß muss der Arztmangel sein, der das erzwingt? Warum soll hier eine ärztliche Besitzstandswahrung nicht angebracht sein?

Ich bin auf die weitere Entwicklung sehr gespannt und freue mich schon auf sachlich durchdachte Argumente, die mich neu nachdenken lassen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Entschließung der Kammerversammlung zur Zukunft der ärztlichen Versorgung in Sachsen-Anhalt vom 04. November 2017 weiter eine zentrale Forderung an die Gesundheitspolitik des Landes darstellt, die umzusetzen ist:

  1. Die Anzahl der Studienplätze in der Humanmedizin muss angemessen erhöht werden.
  2. Es müssen Zulassungskriterien angewendet werden, die die ärztliche Nachwuchsgewinnung für eine flächendeckende haus- und fachärztliche Versorgung in Sachsen-Anhalt in den Fokus stellen.


Henrik Straub
Vorstandsmitglied der Ärztekammer Sachsen-Anhalt
Mitglied im Ausschuss Medizinische Fachberufe