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Im Rahmen der aktuellen Pandemie erleben wir eine empfindliche Einschränkung des weltweiten Warenverkehrs. Überoptimierte globalisierte Prozesse zeigen unbarmherzig ihre Schattenseiten. Selbst der Austausch von Waren und Arbeitskräften innerhalb Europas kommt ins Stocken. Was man im Falle der Spargelernte, abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden, je nach individueller Vorliebe vielleicht noch hinnehmen könnte, bedeutet im medizinischen Bereich unter Umständen mittelbar Lebensgefahr. Dies betrifft nicht zuletzt Medikamente. Es hat mich überrascht und erschreckt, dass das banale Medikament Cotrimoxazol nicht mehr verfügbar war. Der Produktionsstandort sei Indien, wurde mir mitgeteilt und wegen der aktuellen Krise könne man nicht liefern. Immunsupprimierte Patienten bekommen unter anderem dieses Mittel prophylaktisch in niedriger Dosierung, um opportunistische Infektionen zu verhindern.
Die initiale Ausbreitung des Corona-Virus wurde sicherlich begünstigt, weil chinesische Behörden den Arzt, der als erster vor der neuen Krankheit warnte, anfangs mundtot machen wollten. Der Druck der Realität hat ein Umdenken bewirkt. Es folgten die bekannten drastischen Maßnahmen des chinesischen Staates.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass warnende und unbequeme Stimmen gerne beiseitegeschoben werden. Dies ist auch gegenwärtig kein Spezifikum totalitärer Staaten. Fairerweise müsste man z. B. anerkennen, dass zahlreiche Apotheker seit Jahren hierzulande vor einer ungebremsten Auslagerung der pharmazeutischen Produktion ins Ausland warnten.
Vielleicht sieht man auch nach der Krise den Plan der drastischen Reduktion der Zahl deutscher Krankenhäuser in einem anderen Licht. Die noch vorhandene Klinikstruktur scheint zumindest im europäischen Vergleich für die anstehenden Probleme recht gut gewappnet zu sein. Es ist darüber hinaus bemerkenswert, wie diszipliniert in kürzester Zeit Pflegekräfte und Ärzteschaft kurzfristige Umstrukturierungen schulterten.
Über den Mangel an geeigneter Ausrüstung an der „Virusfront“ ist in den Medien schon genug geschrieben und gesprochen worden, sodass ich nicht ausführlich darauf eingehen möchte. Was mich allerdings sehr ärgert, ist beispielsweise, dass niedergelassene Ärzte mitunter nur zu Mondpreisen an Masken und Kittel kamen, um nicht ganz „nackt“ dazustehen. Es wäre wünschenswert, dass dies nach der aktuellen Krise eine entsprechende Anerkennung findet.
„Every crisis has both its dangers and its opportunities“ ist ein Zitat von Martin Luther King. Das chinesische Wort für Krise hat ebenfalls die zwei Bedeutungen „Gefahr“ und „Möglichkeit“.
In der Wirtschaft wird es vermutlich eine teilweise schmerzhafte Neuordnung von Prozessen geben. Es wäre im Bereich der Gesundheitspolitik zu wünschen, dass man zu einer Neudefinition von Zielen käme. Es gibt hier kein „Gesundschrumpfen“. Enge ökonomische Vorgaben machen Patienten und Personal krank. Ein derart verschlanktes medizinisches System wäre einem Stresstest nicht gewachsen. Etwas „Luft“ muss auch sein, um den Bedürfnissen der Kranken und den Erfordernissen einer guten Ausbildung des medizinischen Nachwuchses gerecht zu werden. Ich wünsche uns allen, dass kommende Chancen in diesem Sinne genutzt werden.
Bleiben Sie gesund!
Dr. med. Thomas Langer
Vorsitzender der Geschäftsstelle Halle (Saale)
der Ärztekammer Sachsen-Anhalt