Dr. Torsten Kudela
Dr. Torsten Kudela

die Hälfte des Jahres ist vorüber und die Tage werden wieder kürzer. Jetzt im Sommer sind viele von uns in Urlaubsstimmung und das ist gut so. Erholung haben wir nach den letzten Jahren alle nötig.

Seit diesem Frühjahr werden die Stimmen lauter, die vor einer zunehmenden Kommerzialisierung der medizinischen Versorgung warnen. Die Warnungen sind nicht neu, betreffen nun aber auch den ambulanten Bereich, insbesondere die Investoren getragenen MVZ-Strukturen. Die KV Bayern legte mit dem IGES-Gutachten sehr interessante Zahlen zur Versorgungssituation vor: die MVZ leisten dabei einen nicht unwesentlichen Anteil von 8,9 Prozent an der ambulanten Versorgung der Bevölkerung. Dieses ist wichtig, zu wissen.

Interessant ist auch die Betrachtung der einzelnen Fachgruppen: so liegt der Versorgungsanteil von MVZ in der Augenheilkunde bei rund 28 Prozent, im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie/Chirurgie bei 21 Prozent und bei fachärztlichen Internisten bei 20 Prozent. Das entspricht bereits einem Fünftel bis einem Viertel der Versorgung. Der Trend geht also zum MVZ und größeren Strukturen. Probleme sehen die Autoren insbesondere bei MVZ im Eigentum von Private-Equity-Gesellschaften, die bei sonst vergleichbarer Patientenstruktur (Behandlungsanlässe/Vorerkrankungen) höhere Honorarvolumina (durchschnittlich 10 Prozent) generieren als andere MVZ und Einzelpraxen. Ein weiteres Problem ist die Spezialisierung auf finanziell lukrative Eingriffe und die damit einhergehende Vernachlässigung der normalen Versorgung der Bevölkerung. Das bedeutet, nur noch die Kür und nicht mehr die Pflicht zu absolvieren. Die nachvollziehbare Forderung der KV Bayern an die Politik, hier nicht länger tatenlos zuzusehen, wurde auch vom 126. Deutschen Ärztetag aufgenommen. Wichtig ist hier, Transparenz zu schaffen, zum Beispiel durch ein Register und geeignete Begrenzungen. So soll unter anderem bei krankenhausbetriebenen MVZ ein fachlicher, räumlicher und regionaler Bezug zum Versorgungsauftrag bestehen, welcher aber noch definiert werden muss. Zusätzlich soll die Gewinnabführung begrenzt werden.

Auch in Sachsen-Anhalt sehe ich beim Lesen der „PRO“ die Tendenz hin zu MVZ und weg von der klassischen Einzelpraxis oder Gemeinschaftspraxis. Natürlich kann ich die abgebenden Kollegen und auch die im MVZ angestellten Kollegen verstehen. Auf der einen Seite muss, gerade in strukturschwachen Regionen, oft lange nach einem geeigneten Nachfolger gesucht werden, auf der anderen Seite geht man dem zumindest auf dem Papier bestehendem unternehmerischen Risiko aus dem Weg. Probleme sehe ich aber für die Zukunft. Daten belegen, dass ein angestellter Arzt das Pensum des abgebenden selbstständigen Arztes nicht schafft und die Ressource Arzt dadurch weiter verknappt wird. Ein in einem MVZ aufgegangener Arztsitz wird später nicht mehr einzeln zum Verkauf stehen. In den Ballungszentren kommt dazu noch der Wettstreit um den Praxissitz, den eine Privatperson gegen das Investoren getragene MVZ nicht gewinnen kann.

Wichtig fand ich hier die Gedanken von Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz: „Ganz gleich, wie groß eine Praxis ist oder wer sie betreibt, allein die Qualität der Therapie ist für die Patienten entscheidend.“ Genesungschancen dürften nicht durch wirtschaftliche Strukturen und Interessen gefährdet werden. Es dürfe nicht sein, dass die lukrativste Behandlung oder Abrechnungsstrategie im Vordergrund stehe. Ergänzen möchte ich hier den Grundsatz des ärztlichen Handels „primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare“ und auch, dass der Patient ebenfalls den Weg, das Ziel und auch die Geschwindigkeit der Reise bestimmt.

Ihr Torsten Kudela
Mitglied des Vorstands der Ärztekammer Sachsen-Anhalt