
Liebe Kolleg*innen, man mag ja kaum noch Nachrichten schauen oder lesen. Positive Nachrichten sind extrem selten geworden. Aber ganz ohne Emotion oder Polemik müssen wir uns wohl mit bevorstehenden Veränderungen auseinandersetzen. Der Klimawandel und die Erderwärmung sind nicht wegzudiskutieren. Die Folgen werden auch an uns nicht vorbeigehen.
Schon allein der Umstand, dass sich die Temperaturen erhöhen, wird unseren Arbeitsalltag verändern, und damit meine ich nicht nur die vermehrten Exsikkosen im Heim und der älteren Bevölkerung. Wir werden vor allem mit neuen Situationen konfrontiert werden.
Neozoons werden auftreten. Die Kriebelmücke ist da nur ein lästiges aber harmloses Beispiel. Mittlerweile wurden auch Schildzecken (Hyalomna) in Deutschland gesichtet. Kommen mit diesen Zecken auch das Fleckfieber oder das Krim-Kongo-Fieber in unsere Breiten? Verbreiten sich dann auch andere tropische Insekten oder Fliegen bei uns? Müssen wir mit Malaria rechnen, Dengue Fieber und viele andere Erkrankungen, die wir allenfalls mal im Studium gelernt haben? All diese Fragen gilt es zu klären und zu erforschen. Und wir Ärzt*innen müssen uns darauf vorbereiten.
Arbeitsgruppen etablieren sich in den Kammern, auf Landes- aber insbesondere auch auf Bundesebene. Auch den Gesetzgeber sehe ich in der Pflicht, in dieser Arbeit zu unterstützen! In diesem Forschungsgebiet der wirtschaftlich orientierten Pharmaindustrie das Heft zu überlassen, ist in meinen Augen nicht zielführend. Auch die Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Fachgruppen, wie den Soziolog*innen, Zoolog*innen, Geowissenschaftler*innen und Klimaforscher*innen erscheinen in dieser Entwicklung sinnvoll. Dies kann nur unter dem Dach eines Bundesministeriums gelingen.
Diese Erderwärmung wird aber gerade für Deutschland auch ein weiteres Problem mit sich bringen, den Wassermangel. Waren wir bisher durch ein vermeintliches Überangebot an Wasser verwöhnt, muss sich auch hier in unseren Köpfen ein anderes Bewusstsein etablieren. Dies ist natürlich ein eher gesellschaftliches als ein medizinisches Problem. Wir sind aber trotzdem ein Teil dieser Gesellschaft mit Einfluss. Lassen Sie uns auch hier auf Lösungen und Veränderungen drängen. Trinkwasser ist ein hohes Gut. Es sollte auch dann größtenteils für den direkten Menschenkontakt verwandt werden. Brunnen oder Gärten können auch mit Grauwasser versorgt werden. Hier ist noch gar keine ausreichende Infrastruktur etabliert. Man könnte an unseren Küsten Entsalzungsanlagen bauen und sicher vieles mehr. Kurz gesagt, es gibt Länder, die sich an den Wassermangel angepasst haben, ein Blick über die Grenzen könnte hier helfen, Ideen zu entwickeln und weiterzuverfolgen. Es muss was geschehen!
Liebe Kolleg*innen, es werden Veränderungen eintreten, ob wir es wollen oder nicht. Lassen Sie uns den Weg gemeinsam bestreiten, ohne Schuldzuweisungen oder parteipolitischem Geplänkel! Ich wünsche mir ein problemorientiertes und zielführendes Diskutieren und Vorgehen. Wir sitzen alle im selben Boot, und dies darf nicht kentern.
Ihr Thomas Dörrer
Vizepräsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt
Foto: Peter Gercke