Dr. med. Torsten Kudela
Dr. med. Torsten Kudela

der Lenz ist da. Das Wort ist althochdeutschen Ursprungs und bezeichnet die Zeit, in der die Tage länger werden, also den Frühling. Es ist die Zeit des Wiederbeginns, der Blüte, welche die neue Ernte hervorbringen soll. Was blüht uns?

Anfang des 20. Jahrhunderts galt Deutschland als „die Apotheke der Welt“. So liegt die Wiege der Pharmakonzerne Merck und ehemals Schering in beschaulichen Apotheken mitten in Deutschland. Merck gilt heute als ältestes pharmazeutisch-chemisches Unternehmen der Welt. Weitere Pharmariesen entwickelten sich aus Ablegern der chemischen Industrie. Beispiele hierfür sind Bayer und Hoechst. Die Liste der Medikamente ist lang, zu nennen wären unter anderem Aspirin® (1899), Salvarsan (1909) und Prontosil (1932).

Nun haben wir ein riesiges Problem mit Lieferengpässen. Da bietet uns auch die zunehmende Digitalisierung keine Hilfe. Täglich werden Ressourcen verschwendet, um nach Lösungen für die Patienten zu suchen. Apotheken müssen sich mit den verschreibenden Praxen in Verbindung setzen, der ambulante mit dem stationären Sektor. Therapien müssen angepasst oder verworfen werden, Termine müssen ver-schoben werden. Abgebildet wird der zu betreibende Aufwand im System nicht. Bereits vor 5 Jahren hat die Kammerversammlung vor Medikamentenengpässen und den damit verbundenen Problemen gewarnt. Passiert ist nichts. Als es im vergangenen Jahr an Paracetamol- und Ibuprofensäften für Kinder fehlte, wachte das Bundesgesundheitsministerium medienwirksam auf und propagierte eine Anhebung der Festbeträge um 50 Prozent. Nicht berücksichtigt wurde, dass die Lager da bereits leer waren und somit Geld gar nicht die Lösung sein konnte. Im Februar folgte die Aussetzung der Festbeträge für insgesamt 180 Fertigarzneimittel aus zehn Festbetragsgruppen, darunter eben auch Ibuprofensäfte und Paracetamolzäpfchen.

Das Problem geht aber viel weiter, so hatten wir plötzlich kein Digitoxin mehr, Antidiabetika, Antihypertonika und „gängige“ Antibiotika wie Cotrimoxazol, verschiedene Makrolide und Penicillin- und Cephalosporinderivate gingen uns aus. In den letzten Jahren gab es immer wieder Lieferengpässe bei Tamoxifen und Basistherapeutika in der Rheumatologie. Es kostet enorm viel Zeit und Kraft, die Therapie der Patienten am Laufen zu halten. Dem System kostet es zusätzliches Geld, wenn sich der Patient aufgrund einer vermeidbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes in stationäre Obhut begeben muss. Den Patienten kann es zudem Lebenszeit kosten.

Eine kurzfristige Lösung ist nicht in Sicht, denn die Industrie hat keinen Anreiz, die Produktion der Grundsubstanzen wieder in Deutschland anzusiedeln und schließt dies derzeit auch aus. Zum jetzigen Zeitpunkt kommen 80 Prozent der weltweiten Wirkstoffproduktion aus China. Dort wird und wurde die Industrie mit Staatsgeldern subventioniert. Zudem sind die Auflagen beispielsweise für Umwelt- und Arbeits- schutz nicht so streng. Noch immer erinnern wir uns an die Probleme bei einem Hersteller von Valsartan, welches mit krebserregenden Stoffen kontaminiert war und zu starker Verunsicherung bei den Patienten und erheblichem Mehraufwand in der Ärzteschaft geführt hat. Die gemeinsame Fortbildung der Ärztekammer und KV Sachsen-Anhalt im April in Halle beschäftigt sich in einem Abschnitt ebenfalls mit dem Problem der Lieferengpässe.

Schließen möchte ich mit einem positivem Ausblick, so hat sich der Bundesgesundheitsminister für eine Anhebung der Studienplätze ausgesprochen. Nun haben wir die Aufgabe, die in Sachsen-Anhalt ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte in unserem schönen Land zu halten.

Ihr Torsten Kudela
Vorstandsmitglied der
Ärztekammer Sachsen-Anhalt

Foto: Peter Gercke