Cannabis, D/L-Methadon und vieles andere …
Cannabis als reguläres Medikament, Methadon bei Krebskranken – zwei brisante Themen, die aktuell viel diskutiert werden
Suchtmedizinisch erfahrene Kollegen erhielten in den letzten Monaten immer wieder Anrufe von Kollegen, die bei ihnen mehr dazu erfahren wollen. Obwohl es dabei doch gar nicht um die Behandlung Suchtkranker geht! Man hält offensichtlich Suchtmediziner für besonders kompetent und gut informiert über diese Substanzen und Risiken, Probleme, Dosierungen, Verschreibungsvorschriften und rechtliche Fragen bei deren Anwendung.
Tatsächlich haben Ärzte, die häufig und spezialisiert Drogenkonsumenten behandeln, insbesondere die, die Opiatabhängige substituieren, oft fundierte Kenntnisse und Erfahrungen zu Wirkungen und Risiken solcher psychotropen Substanzen. Ihre möglichen nützlichen Effekte, aber auch die Gefahren (z. B. Intoxikationen, Toleranz- und Abhängigkeitsentwicklungen, Schäden bei Dauergebrauch) sind ihnen aus der täglichen Praxis bekannt. Sie kennen sich gut aus in den Besonderheiten der ordnungsgemäßen Verschreibung von diesen oder ähnlichen psychotropen Stoffen nach dem geltenden Betäubungsmittelrecht, wenn sie als Arzneimittel angewendet werden dürfen. Diese genannten Gründe sind es, warum Suchtmediziner Anfragen zur Verordnung von Cannabis oder Methadon bei Schmerz- und Krebspatienten (und mitunter auch gleich dazu die Überweisungen von Patienten) erhalten.
Es muss dazu klargestellt werden: Die Indikationen zur Anwendung dieser Medikamente in der Schmerz- und Krebstherapie haben nur wenig (oder nur in zweiter Linie) etwas mit ihrer möglichen Rauschwirkung und ihrem Suchtpotenzial zu tun!
Bei der Schmerz- und Krebstherapie liegen die empfohlenen und wirksamen Tages-Dosierungen sowohl bei Cannabis als auch bei D/L-Methadon in einem Bereich weit unter den „ganz normalen“ Einzeldosen, wie sie zur Rauscherzeugung von Drogenkonsumenten oder aber auch in der Substitutionstherapie bei Opiatabhängigen eingesetzt werden. Mit einem normalen „Joint“ zieht sich ein „Kiffer“ (je nach „Qualität“, das heißt nach THC-Gehalt des „Stoffes“) wohl durchschnittlich 100 bis 300 mg THC „rein“, und das mitunter mehrfach am Tage! – die bei der therapeutischen Anwendung von Cannabis zum Erreichen positiver Effekte erforderliche Tagesdosis liegt wohl im Durchschnitt zwischen 5 und 50 mg – höhere Dosierungen werden selten gebraucht!
80 bis 100 mg D/L-Methadon sind bei der Substitution für opiatadaptierte Heroinabhängige normale und gut vertragene Tagesdosierungen. In der (bei Onkologen umstrittenen) in Einzelfällen wohl aber wirksamen Malignomtherapie wird, beginnend mit 2-3 mg/d, bei langsamer Eindosierung im Schema der Verordnung von einer maximal erforderlichen Tagesdosis von 35 mg D/L-Methadon ausgegangen – also eigentlich von einer (selbst bei Risikopatienten mit kardialen oder pulmonalen Problemen, bei denen die Substanz aber trotzdem besser nicht verabreicht werden sollte!) weitgehend unbedenklichen, kaum organtoxischen Dosierung.
Deshalb sind die Beispiele (besonders Fall 1), die von Hübner et al. im Artikel „Strohhalm ohne Evidenz“ (Deutsches Ärzteblatt | Jg. 114 | Heft 33–34 | 21. August 2017) eben nicht Belege für die besondere Gefährlichkeit von D/L-Methadon bei Krebspatienten, sondern eher exemplarisch für eine falsche Dosierung und mangelhafte Beachtung möglicher Kontraindikationen in den vorliegenden Fällen, die bei mehr Kenntnis und Erfahrung durchaus vermeidbar gewesen wären.
Suchtmediziner kennen genügend Beispiele aus der Praxis, in denen andere Substanzen mit nicht unerheblichem Sucht- und Nebenwirkungspotenzial, genannt seien hier nur Fentanyl und Pregabalin, auch in Risikofällen mit sehr bedenklichen Dosierungen als Dauermedikamente verordnet werden – hier gelten dann offensichtlich, rational nicht begründbar, andere Maßstäbe als bei den in den Anwendungsempfehlungen eher vorsichtigen und gering gehaltenen Dosierungsvorschlägen für Cannabis und D/L-Methadon.
Es ist gut, wenn Schmerztherapeuten, Onkologen, Allgemeinmediziner und andere Ärzte mit suchtmedizinisch spezialisierten Kollegen ihre Erfahrungen austauschen, in Halle gab es zu den genannten Problemen vielbeachtete gemeinsame Weiterbildungen. Im Rahmen des Curriculums Suchtmedizinische Grundversorgung finden in der nächsten Zeit dazu öffentliche suchtmedizinische Symposien statt, die von der Ärztekammer Sachsen-Anhalt zertifiziert werden – so zum Beispiel am 25.01.2018 die Veranstaltung zum Thema „Cannabis – Medikament und/oder Droge“ in Halle (Klinikum Bergmannstrost).
Diplom-Mediziner Peter Jeschke
Nervenfacharzt, Suchtmediziner
Halle (Saale)
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