Vierteilige Serie im Ärzteblatt Sachsen-Anhalt (Teil 3)

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Aufgaben der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)

Nebenwirkungen von Arzneimitteln: Meldung an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Erfassung in einer Datenbank und Bewertung

Bei dem folgenden Beitrag handelt es sich um einen weitgehend unveränderten Nachdruck aus dem Ärzteblatt Thüringen 2013, Heft 12, 24. Jahrgang, S. 670ff.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) ist eine der für Arzneimittelsicherheit zuständigen Institutionen in Deutschland. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), die den Ärztinnen und Ärzten aus ihrer Behandlungstätigkeit bekannt werden, sollen der AkdÄ gemeldet werden. Dort werden diese sogenannten Spontanmeldungen systematisch erfasst, bewertet und – ohne Angaben zu den meldenden Ärzten – an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weitergeleitet. Im Folgenden stellen wir das Spontanmeldesystem in Deutschland vor, informieren über Meldeverpflichtungen und Meldewege, und zeigen die Rolle der AkdÄ bei der Bearbeitung und Bewertung der Meldungen von UAW.

Definition: Arzneimittelnebenwirkungen

Mit der AMG-Novelle hat der Gesetzgeber den Begriff „Nebenwirkungen“ neu definiert als schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf ein Arzneimittel. Durch Streichung des bisherigen Zusatzes „bei bestimmungsgemäßem Gebrauch“ zählen nun auch solche Reaktionen zu den Nebenwirkungen, die beispielsweise auf Überdosierung, Fehlgebrauch, Missbrauch oder andere Medikationsfehler zurückzuführen sind (1).

Spontanmeldesystem – Meldeverpflichtung – Meldewege

Das Spontanmeldesystem ist ein Frühwarnsystem zur Erkennung von Arzneimittelrisiken. Unter Spontanmeldungen versteht man Meldungen von Nebenwirkungen, die außerhalb systematisierter Studien „spontan“ berichtet werden. Spontanmeldungen helfen, sowohl die Sicherheit neu eingeführter Arzneimittel als auch bereits seit langem verfügbarer Arzneimittel kontinuierlich zu überwachen. UAW-Verdachtsfälle werden vor allem von Ärzten und Apothekern gemeldet, aber auch von anderen im Gesundheitswesen tätigen Personen und von Patienten (2).

Warum soll gemeldet werden?

Bei der Markteinführung eines Arzneimittels verfügt man in der Regel nur über eingeschränkte Kenntnisse in Bezug auf

  • seltene und sehr seltene Nebenwirkungen (bei weniger als 1 von 1000 Patienten)
  • spezielle Patientengruppen (z. B. Kinder, Schwangere, Stillende, ältere und multimorbide Patienten)
  • Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln
  • nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch (Off-Label-Use)
  • Folgen der Langzeitanwendung.


Spontanmeldungen von UAW-Verdachtsfällen sind von großer Bedeutung, da hierdurch Informationen über Arzneimittel bei breiter Anwendung unter Alltagsbedingungen gesammelt werden. Anders als unter den kontrollierten Bedingungen einer klinischen Prüfung bestehen dabei keine strengen, vorab definierten Ein- und Ausschlusskriterien für die Anwendung. Dadurch werden Erkenntnisse über mögliche Nebenwirkungen von Arzneimitteln in Zusammenhängen gewonnen, die im Rahmen von klinischen Prüfungen nicht untersucht worden sind (2). Neue Sicherheitsprobleme aufgrund eines veränderten Verordnungsverhaltens (wie z. B. Off-Label-Use) können so rechtzeitig erkannt werden.

Wer soll melden?

Nach der Musterberufsordnung für Ärzte sollen Nebenwirkungen der AkdÄ mitgeteilt werden. Ähnliche berufsrechtliche Verpflichtungen bestehen auch für Zahnärzte und Apotheker gegenüber ihren jeweiligen Arzneimittelkommissionen. Alternativ besteht die Möglichkeit, an die zuständigen Bundesoberbehörden (BfArM und PEI) oder die pharmazeutischen Hersteller zu melden. Die Verdachtsmeldungen werden zwischen den beteiligten Institutionen ausgetauscht, so dass nicht an mehrere Institutionen gleichzeitig gemeldet werden muss. Mit der Umsetzung der AMG-Novelle besteht auch für Patienten die Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden. Über die Homepage des BfArM können sie UAW-Verdachtsfälle jetzt online mitteilen.

Eine Papierversion des UAW-Meldebogens wird regelmäßig im Deutschen Ärzteblatt abgedruckt. Der Meldebogen kann auch über die Homepage der AkdÄ (www.akdae.de) als PDF-Datei ausgedruckt oder direkt online ausgefüllt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, eine UAW zunächst ohne Verwendung des Meldebogens per Post, per Fax oder per E-Mail an die AkdÄ zu melden. Ein UAW-Meldebogen wird dann umgehend an die meldende Person per Post gesandt, so dass die für die Bewertung notwendigen Angaben noch ergänzt werden können.

Wann und was soll gemeldet werden

Besteht der Verdacht auf eine Nebenwirkung, so sollte dies gemeldet werden. Die Schwelle, ab der eine Meldung erfolgen sollte, ist bewusst niedrig gehalten, d. h. ein Beweis für einen direkten Zusammenhang ist nicht notwendig. Ein zeitlicher Zusammenhang und das Fehlen einer anderen offensichtlichen Ursache für die beobachtete Reaktion können bereits wichtige Hinweise für einen kausalen Zusammenhang sein. (2). Es sollen Verdachtsfälle von Nebenwirkungen auf Arzneimittel inklusive Diagnostika, Phytotherapeutika und Zubereitungen der alternativen Medizin gemeldet werden. Dies betrifft vor allem Arzneimittel, die seit September 2013 mit einem schwarzen Dreieck in den Fach- und Gebrauchsinformationen gekennzeichnet sind (siehe Kasten). Für Impfstoffe, Blutprodukte und Medizinprodukte gelten besondere Meldeverpflichtungen (siehe [2], www.bfarm.de, www.pei.de). Abbildung 1 gibt Hinweise, in welchen Fällen eine Meldung erfolgen sollte.

Bearbeitung, Bewertung und Auswertung der UAW-Meldungen in der AkdÄ

In der Pharmakovigilanz-Abteilung der AkdÄ gehen täglich viele UAW-Meldungen ein, die zügig bearbeitet werden müssen. Für die Bearbeitung und Arzneimittelkausalitätsbewertung sind folgende Punkte von Bedeutung:
(1)    Das Datum der UAW: Wann ist die UAW aufgetreten und welche Arzneimittel wurden zu diesem Zeitpunkt eingenommen?
(2)    Vollständige Angaben: Arzneimittelname(n) mit Dosis, Stärke, Darreichungsform, Beginn und Ende der Arzneimitteleinnahme sowie Indikation. Besonders das Datum der letzten Einnahme ist wichtig. Das Datum des Beginns der Verabreichung wird nicht immer bekannt sein, hier hilft auch die Angabe z. B. „seit ca. drei Jahren“. Auch Dosisänderungen mit Zeitangaben sind sehr nützlich. Soweit bekannt, sollte möglichst der Name des verdächtigten Präparats bzw. bei Generika der Hersteller mit angegeben werden. Vor allem bei biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln wie z. B. Impfstoffen, monoklonalen Antikörpern oder Blutprodukten ist die Angabe der Chargennummer von Bedeutung.
(3)    Verdächtige Arzneimittel ankreuzen: Bei Unsicherheit, welches Arzneimittel ursächlich war oder ob eine Interaktion vermutet wird, alle verdächtigen Arzneimittel ankreuzen, ggf. auf einer zusätzlichen Seite weitere Begleitmedikation angeben.
(4)    Angaben zu Krankheiten und anamnestischen Besonderheiten zur Einschätzung, ob andere Faktoren zu der geschilderten Reaktion beigetragen haben könnten.
(5)    Laborwerte: Insbesondere der Verlauf von Laborwerten ist zur Beurteilung einer UAW von Interesse.
(6)    Spezifische Behandlung der UAW, Absetzen des verdächtigten Arzneimittels und Umstellung auf ein anderes Arzneimittel.
(7)    Schweregrad und Ausgang einer UAW, z. B. „lebensbedrohend“, „Krankenhausaufenthalt“ etc. sind für die Beurteilung eines Falles nützlich.

Bei Unklarheiten einzelner Punkte können telefonische oder schriftliche Nachfragen erforderlich werden. Daher ist die Angabe des Absenders der UAW-Meldung unabdingbar. Diese Angaben werden geschützt, so dass später keine Rückschlüsse auf die meldende Person gezogen werden können. Jede Ärztin und jeder Arzt, die eine Nebenwirkung an die AkdÄ melden, erhalten eine Rückmeldung mit Informationen zum angeschuldigten Arzneimittel.

Nach der Prüfung der Angaben auf Vollständigkeit werden die Spontanmeldungen zunächst von den ärztlichen Mitarbeitern in der Geschäftsstelle der AkdÄ hinsichtlich Schweregrad, Kausalität und der Notwendigkeit von Maßnahmen zur Risikominderung bewertet. Bei besonders relevanten Fällen werden Fachmitglieder der AkdÄ in die Bewertung einbezogen und es erfolgt ggf. eine Beratung bei regelmäßigen Konferenzen mit den für die Arzneimittelsicherheit zuständigen Behörden BfArM und PEI. Dort werden relevante Sicherheitsprobleme und notwendige Maßnahmen zur Risikominderung wie Informationen für die Ärzteschaft oder Änderungen der Zulassung diskutiert. Im Rahmen einer Auswertung der UAW-Meldungen informiert die AkdÄ über relevante Sicherheitsprobleme im Deutschen Ärzteblatt oder per E-Mail-Newsletter („Drug Safety Mail“).

Infos zum schwarzen Dreieck
Das schwarze Dreieck – Symbol für Arzneimittel unter zusätzlicher Überwachung. Hierzu zählen:

•    alle nach dem 1. Januar 2011 zugelassenen Arzneimittel, die einen neuen Wirkstoff enthalten
•    alle nach dem 1. Januar 2011 zugelassenen biologischen Arzneimittel wie Impfstoffe, monoklonale Antikörper oder aus Plasma gewonnene Arzneimittel
•    Arzneimittel, für die nach der Zulassung weitere Daten erforderlich sind oder deren Zulassung bestimmten Bedingungen in Bezug auf ihre sichere und wirksame Anwendung unterliegt.

Das schwarze Dreieck wird in der Fachinformation und der Packungsbeilage sichtbar sein, jedoch nicht auf der Verpackung (siehe auch [3]).

Infos zur Drug Safety Mail

Drug Safety Mail:
aktuelle Risikoinformationen zu Arzneimitteln per E-Mail, z. B. zu Rote-Hand-Briefen und Bekanntgaben im Deutschen Ärzteblatt. Anmeldung unter: www.akdae.de.

In der nächsten Ausgabe des Ärzteblattes Sachsen-Anhalt erfahren Sie etwas zu den „Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit in der Arzneimitteltherapie (AMTS) – der Aktionsplan AMTS (2008 – 2009)“. Die nächste Ausgabe erscheint am 06. September 2014. Teil 2 erschien im Ärzteblatt Sachsen-Anhalt, Heft 6-7/2014, S. 64f.

Dr. rer. medic.  Elisabeth BronderDr. med. Thomas Stammschulte


Literatur bei den Verfassern

Korrespondenzanschrift:
Dr. rer. medic. Elisabeth Bronder
Dr. med. Thomas Stammschulte
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin

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