Vierteilige Serie im Ärzteblatt Sachsen-Anhalt (Teil 4)

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Aufgaben der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)

Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit in der Arzneimitteltherapie (AMTS) – der Aktionsplan AMTS (2008–2014)

Bei dem folgenden Beitrag handelt es sich um einen weitgehend unveränderten Nachdruck aus dem Ärzteblatt Thüringen 2013, Heft 12, 24. Jahrgang, S. 673 ff.

Hintergrund

Der Einsatz von Arzneimitteln ist neben dem persönlichen Gespräch das wichtigste und am häufigsten eingesetzte therapeutische Instrument des Arztes. Statistisch gesehen wird bei jedem Arztbesuch ein Rezept für Arzneimittel ausgestellt. Etwa im gleichen Umfang werden Arzneimittel im Rahmen der Selbstmedikation genutzt. Das bedeutet einen Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland von 20 Arzneimittelpackungen im Jahr – insgesamt ca. 1,7 Mrd. Packungen.

Der hohe Bedarf an Arzneimitteln impliziert immer das Risiko von Nebenwirkungen. Auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von Arzneimitteln können Nebenwirkungen auftreten. Sie sind immer auch akzeptiertes Risiko und damit ein immanenter Bestandteil jeder Arzneimitteltherapie. Neben diesen unvermeidbaren Nebenwirkungen gibt es aber auch Nebenwirkungen, die auf Fehler und unzureichendes Risikomanagement des Arzneimitteltherapieprozesses zurückgeführt werden können. Die Ursachen für vermeidbare Schäden durch Arzneimitteltherapie sind vielfältig und können im gesamten Medikationsprozess bei der Verordnung, der Distribution, der Abgabe oder der Applikation bzw. Einnahme und beim Monitoring auftreten. Medikationsfehler sind in aller Regel nicht auf individuelles Fehlverhalten, sondern auf suboptimale Abläufe im Medikationsprozess zurückzuführen. Auch Selbstmedikation und eine mit dem Arzt oder Apotheker nicht besprochene Einnahme von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln können zu vermeidbaren Nebenwirkungen führen (1).

Nationale und internationale Experten stimmen darin überein, dass Medikationsfehler ein relevantes Problem in der Medizin sind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt die Rate der Patienten, die aufgrund von Nebenwirkungen stationär behandelt werden müssen, auf bis zu 10 % aller Krankenhausaufnahmen (2). Davon wäre nach Angaben von WHO-Experten ein großer Teil vermeidbar.

Aktionsplan AMTS

Ergebnisse Aktionspläne 2013 Im Jahr 2005 wurde das Thema AMTS mit dem „1. Deutschen Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie“ in den Fokus gerückt. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) entstand die erste Konzeption für den „Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland“. Der erste „Aktionsplan 2008-2009 zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland“ leitete einen kontinuierlichen Prozess auf diesem Gebiet ein. Alle am Medikationsprozess beteiligten Gruppen sind unter dem Management und in Kooperation mit der AkdÄ an der Analyse der Probleme des Medikationsprozesses beteiligt und erarbeiten Strategien und Maßnahmen zur Risikominimierung.

Im März 2008 traf sich zum ersten Mal die „Koordinierungsgruppe zur Umsetzung und Fortschreibung des Aktionsplanes“, die bei der AkdÄ etabliert wurde. Das seit Oktober 2008 bestehende wissenschaftliche Sekretariat der Koordinierungsgruppe ist für Kommunikation zwischen den beteiligten Institutionen zuständig und koordiniert die Umsetzung der Maßnahmen des Aktionsplans.

Folgende Organisationen sind derzeit in der Koordinierungsgruppe vertreten:

  • Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
  • Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
  • ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
  • Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA)
  • Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS)
  • Deutscher Pflegerat
  • Deutsche Krankenhausgesellschaft
  • Bundesarbeitsgemeinschaft (B.A.G.) Selbsthilfe
  • Sozialverband VdK (Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands e. V.) für die Organisationen zur Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen.

Viele Probleme der Arzneimitteltherapiesicherheit sind dabei nicht trivialer Natur und entsprechend schwer zu beheben, daher wurde schon im ersten Aktionsplan auf dessen kontinuierliche Weiterentwicklung Wert gelegt. Die Fortschreibung des Aktionsplans erfolgte mit dem Aktionsplan AMTS 2010-2012 und dem aktuellen Aktionsplan 2013-2015.

Bisherige Ergebnisse des Aktionsplans

Neben zahlreichen Forschungsprojekten zur AMTS im Alter, bei Frauen und Kindern, der Gewinnung von Qualitätsindikatoren für die AMTS und der Untersuchung der Probleme beim intersektoralen Übergang, war ein weiterer Schwerpunkt die Einbeziehung von Patienten in die AMTS, da zu einer verbesserten Sicherheitskultur auch die Information der Patienten gehört.

Neben einem Informationsmerkblatt zur Sensibilisierung der Patienten für eine sichere Arzneimitteltherapie wurden mit Hilfe des Aktionsplan AMTS verschiedene Informationsangebote erarbeitet. So zum Beispiel die Informationsseite des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie Berlin (www.embryotox.de), auf der sich Patientinnen und Ärzte zu Nutzen und Risiken der Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft informieren können. Mit der Öffnung der Datenbanken des Paul-Ehrlich-Institutes (www. pei.de) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (www.bfarm.de) zu Nebenwirkungen wurde ein hoher Grad an Transparenz für dieses Thema erreicht.

Beispiel Medikationsplan Ein bedeutender Faktor zur Vermeidung von Fehlern ist die richtige Übermittlung von Informationen beispielweise vom Krankenhaus in die Praxen und umgekehrt. Hier sieht der Aktionsplan AMTS unterschiedliche Instrumente vor. Denn ohne die genaue Kenntnis der Medikation des Patienten, die auch die Selbstmedikation mit einschließt, laufen die Programme zur Verbesserung der AMTS immer ins Leere. So wurde eine Spezifikation für einen einheitlichen patientenbezogenen Medikationsplan erarbeitet. Für die Erstellung dieser Spezifikation sind alle an der Arzneimitteltherapie beteiligten Gruppen (Ärzte, Apotheker, Patienten, Pflegende, Bundesoberbehörden, Vertreter von stationären und niedergelassenen medizinischen Einrichtungen) von der AkdÄ im Auftrag des BMG zu zwei Themenworkshops (2011 und 2012) eingeladen worden. Auf diesen Workshops wurde der grundlegende Datensatz und der Aufbau des Medikationsplanes konsentiert (Abbildung 2: Beispiel Medikationsplan). Hieraus entstand eine Spezifikation, die den Aufbau und die Verwendung der einzelnen Datenfelder sowie das genaue Aussehen des Medikationsplans detailliert beschreibt (3).

Anhand der Spezifikation können die Hersteller von Praxis-, Krankenhaus- und Apothekenverwaltungssystemen den Medikationsplan in ihre Strukturen als Modul „Medikationsplan“ integrieren. Ärzte können die Medikationsdaten ihres Patienten unkompliziert aus ihren eigenen Aufzeichnungen in den Medikationsplan übertragen und gegebenenfalls dort ergänzen. Die Übertragbarkeit und Aktualisierungsmöglichkeit entsteht durch einen am linken oberen Rand aufgedruckten Barcode, der alle Medikationsdaten enthält und von einem anderen Arzt oder Apotheker eingelesen werden kann. Erfolgreich implementiert wurde der Medikationsplan inzwischen von verschiedenen Softwareherstellern aus dem ambulanten und stationären Bereich sowie von Softwareherstellern für Apothekenverwaltungssysteme. Ab Januar 2015 soll dieser Medikationsplan im Rahmen des ARMIN-Projektes in Sachsen und Thüringen eingesetzt werden.

Ausblick

Die AkdÄ hat durch die Umsetzung des Aktionsplans AMTS und ihre Rolle in der Koordinierungsgruppe die Federführung im Bereich AMTS übernommen. Somit können die Erfahrungen und Vorstellungen der Ärzteschaft geltend gemacht werden. Für die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) mit der Änderung der Leitlinie zur Pharmakovigilanz angestoßene Erfassung von Medikationsfehlern liegen Konzepte vor, die im Rahmen eines zukünftigen Aktionsplans AMTS erprobt werden können. Es wird sich zeigen, ob ein barcodegestützter Medikationsplan als ein technisch einfaches Instrument der Übertragung von Medikationsdaten zwischen den Sektoren Eingang in die Versorgung findet und somit die Lücke zwischen papierbasierter Information und elektronisch übertragener Information schließen kann.

Seitdem der erste Aktionsplan AMTS vor fünf Jahren publiziert wurde, konnten einige Ziele erreicht werden, vor allem aber ist die AMTS kein Randthema mehr, sondern ein hoch relevantes Thema, das ein fester Bestandteil der modernen Medizin sein muss, so wie der heutige Flugbetrieb auch nicht mehr ohne Flugsicherheit vorstellbar wäre.

Weitere Informationen zum Aktionsplan AMTS finden Sie unter: .

Dies ist der letzte Teil der vierteiligen Serie im Ärzteblatt Sachsen-Anhalt unter dem Thema „Rationale und sichere Arzneimitteltherapie – Aufgaben der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)“, in der Sie eine vielschichtige Übersicht über die Aufgaben der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft erhalten haben. Teil 3 erschien im Ärzteblatt Sachsen-Anhalt, Heft 8/2014, S. 62 ff.

Dr. med. Amin-Farid Aly


Literatur beim Verfasser

Korrespondenzanschrift:
Dr. med. Amin-Farid Aly
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin

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