Die drei Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bilden zusammen die Region Ost der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Die Organisationszentrale der Region befindet sich in Leipzig, in Dresden gibt es zusätzlich einen Organisationsstützpunkt.
Im Jahr 2022 kam es in der Region Ost im Vorjahresvergleich zu einem Rückgang der Organspendezahlen um 7,4 %. Dieser Rückgang lag über dem bundesweiten Durchschnitt von 6,9 %.
Die Anzahl der postmortalen Organspenderinnen und Organspender in der Region Ost betrug 2022 insgesamt 112, verglichen mit 121 im Vorjahr. Auch die Zahl der entnommenen Organe ging zurück: Waren dies im Jahr 2021 noch 378, reduzierte sich die Anzahl in 2022 um 49 auf insgesamt 329. Die Anzahl der organspendebezogenen Kontakte zwischen den Entnahmekliniken und der Koordinierungsstelle DSO reduzierte sich ebenfalls in diesem Zeitraum von 451 Kontakten 2021 auf 420 im Jahr 2022. Gleichzeitig warteten zum Stichtag 31.12.2022 in den Bundesländern der Region Ost 954** Patientinnen und Patienten auf eine Organtransplantation.
Eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Bundesländer ließ für Sachsen bereits 2021 einen deutlichen Rückgang der Organspendezahlen erkennen, dieses Niveau erholte sich mit 5 zusätzlichen Spenden in 2022 etwas. Thüringen verzeichnete 2 Spenden weniger.
Auffallend war 2022 vor allem der Rückgang der Spenden in Sachsen- Anhalt mit 12 Spendern weniger gegenüber 2021. Allein in Sachsen- Anhalt wurden 2022 40 Organe weniger entnommen.
Ursachenforschung
Bereits im September 2022 fand auf Einladung der DSO ein außerplanmäßiges Treffen mit den Transplantationsbeauftragen der „A-Häuser“ (Universitätsklinika) und „B-Häuser“ (Häuser mit Neurochirurgie) statt. Ziel dieser Zusammenkunft war es, mit den Kolleginnen und Kollegen in Erfahrungsaustausch zu treten, mögliche Ursachen für die derzeitige Entwicklung der Spenderzahlen zu analysieren und gemeinsam Lösungswege für eine Verbesserung der Organspende-Situation zu erarbeiten.
Personalmangel verschärft sich
Die fehlenden personellen Ressourcen auf den Intensivstationen sind ein ernst zu nehmendes Problem, das schon vor dem Beginn der Corona-Pandemie bestand, sich aber nun auch noch weiter verstärkt hat. Unterstützung auf den Intensivstationen bei jedem Schritt im Verlauf einer Organspende bietet das Team der DSO-Region Ost, sodass die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte schon frühzeitig entlastet werden können. Ebenso übernehmen die 10 pflegerischen und 2 ärztlichen Koordinatorinnen und Koordinatoren der DSO verstärkt die Begleitung und Betreuung der Angehörigen.
Zeitaufwand einer Organspende
Durch das immer höhere Alter der Spender und die damit meist einhergehenden Vorerkrankungen werden die Rahmenbedingungen möglicher Organspenden bundesweit zunehmend medizinisch komplexer.
Oft sind ergänzende, den Spendenprozess zusätzlich verlängernde Untersuchungen notwendig, um im Rahmen des Empfängerschutzes die Übertragung von Erkrankungen des Organspenders wie z. B. Infektionen, Malignome und genetisch determinierte Erkrankungen, auf die Organempfänger zu vermeiden. So dauerte der überwiegende Teil der Spenden 2021 vom Todeszeitpunkt bis zur Organentnahme zwischen 12 und 18 Stunden.
Fehlende Zustimmung
Eine Auswertung der organspendebezogenen Kontakte zeigt darüber hinaus einen zunehmenden Prozentsatz an fehlenden Zustimmungen. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist dies mittlerweile der Hauptgrund für den Abbruch einer Organspende.
Beim September-Treffen der DSO-Mitarbeitenden und der Transplantationsbeauftragten wurden die zunehmenden Ablehnungen diskutiert. Vermutet wurde, dass im Zuge des gesamtgesellschaftlichen Kontextes und als Folge der SARS-CoV-2-Pandemie die wachsende ablehnende Haltung der Organspende gegenüber möglicherweise in einem zunehmenden generellen Misstrauen der Patientinnen und Patienten sowie Angehörigen gegenüber medizinischen Maßnahmen mitbegründet sein könnte. Eine Auswertung der Organspender-Meldungen zeigt, dass nur bei einem geringen Teil der Patientinnen und Patienten, bei denen die medizinischen Voraussetzungen für eine Organspende gegeben wären, ein schriftlicher Wille fixiert oder ein mündlicher Wille bekannt war – sowohl bei denjenigen, bei denen es zu einer Zustimmung zur Organspende kam, als auch bei jenen, deren Angehörige eine Organspende ablehnten.
Gesetzesänderung zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft
Am 1. März 2022 trat das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende in Kraft. Die erweiterte Entscheidungslösung bleibt davon unberührt und gilt in Deutschland weiterhin. Dies bedeutet, dass eine Organ- oder Gewebeentnahme nur erfolgen darf, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat oder stellvertretend die nächsten Angehörigen nach dem Tod der Person ihre Zustimmung erteilen.
Durch verschiedene Informationsquellen (Ausweisstellen von Bund und Ländern, Hausärztinnen und Hausärzte, die für den Erwerb der Fahrerlaubnis verpflichtenden Erste-Hilfe-Kurse) soll die regelmäßige Auseinandersetzung der Bürgerinnen und Bürger mit dem Thema Organ- und Gewebe-spende gefördert und die Entscheidungsfindung zu Lebzeiten unterstützt werden, sodass die „Last“ der Entscheidung nach dem Ableben nicht den Angehörigen obliegt.
Zudem wird ein zentrales Online-Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende (Organspende-Register) eingerichtet, in dem die Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende festgehalten werden kann. Der Eintrag ist freiwillig und kostenlos. Er kann jederzeit geändert und widerrufen werden. Der Organspende-Ausweis und die Patientenverfügung bleiben neben dem Organspende-Register auch weiterhin gültig.
Aufgrund verschiedener Verzögerungen wird dieses Register voraussichtlich erst im 1. Quartal 2024 verfügbar sein.
Forderung nach Widerspruchsregelung
Mit ca. 10 Organspendern pro 1 Million Einwohner bildet Deutschland das Schlusslicht im europäischen Vergleich. In Nachbarländern, in denen die Widerspruchslösung gilt, sind die Zahlen deutlich höher. Die Widerspruchsregelung bedeutet, dass eine Organentnahme grundsätzlich bei jedem aus medizinischer Sicht in Frage kommenden Verstorbenen möglich ist, wenn dieser nicht vor seinem Ableben widersprochen hat und der Widerspruch schriftlich nachvollziehbar ist.
Eine gesetzliche Widerspruchsregelung wurde 2020 vom Bundestag abgelehnt.
Jedoch werden hinsichtlich der anhaltenden niedrigen Spenderzahlen zunehmend Stimmen laut, dies erneut in die Diskussion zu bringen. So positionierte sich die Sächsische Ärztekammer kürzlich deutlich zur Widerspruchsregelung und fordert die sächsische Staatsregierung und Bundesregierung auf, eine Änderung des Transplantationsgesetzes umzusetzen.
Notiz:
Dr. med. Felix Pfeifer hat zum 1. Januar 2023 die Position des Geschäftsführenden Arztes der DSO-Region Ost übernommen. Der Facharzt für Anästhesiologie und Intensivtherapie war zuletzt als Leitender Oberarzt in der Abteilung für Anästhesie und Intensivtherapie im Krankenhaus Wurzen der Muldentalkliniken GmbH tätig.
Durch sein ehemaliges Arbeitsfeld ist sich der neue Geschäftsführende Arzt sehr bewusst, wie hoch die Arbeitsbelastung in den Krankenhäusern ist. Er betont daher:
„Ich sehe es als wichtigen Teil meiner neuen Arbeit an, die Kolleginnen und Kollegen der Entnahmekrankenhäuser der Region Ost gemeinsam mit meinem Team kompetent und zuverlässig zu unterstützen und dazu beizutragen, Prozesse zu optimieren, um die Gemeinschaftsaufgabe Organspende zum Wohl der vielen Menschen auf der Warteliste weiter zu fördern.“
Hintergrund: Unterstützung durch die DSO
Bereits seit vielen Jahren ist die Zusammenarbeit der DSO-Koordinatoren mit den Mitarbeitenden der Entnahmekrankenhäuser in den Bundesländern sehr eng.
In regelmäßigen Abständen werden Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen wie die jährliche regionale Jahrestagung sowie ein Ausbildungscurriculum und Refresherkurse für Transplantationsbeauftragte ausgerichtet. Außerdem bieten die Koordinatoren Vorträge und Weiterbildungen sowohl für Anästhesie-, Intensiv- und OP-Pflege als auch für Ärztinnen und Ärzte der verschiedenen Fachrichtungen, wie z. B. Anästhesie, Intensivmedizin, Innere Medizin und Radiologie, in den von ihnen betreuten Krankenhäusern an. Dabei werden die Veranstaltungen den unterschiedlichen Bedürfnissen jeder einzelnen Fachdisziplin im Organspendeprozess angepasst.
Um die Gemeinschaftsaufgabe Organspende vor Ort auf der Intensivstation und im Operationssaal zu bewältigen, ist die intensive Zusammenarbeit aller Fachrichtungen und Berufsgruppen unabdingbar.
Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende im April 2019 ist die DSO offiziell mit der Aufgabe der Betreuung der Angehörigen von Organspendern betraut. Allen Krankenhäusern bietet die Koordinierungsstelle in der Akutsituation Unterstützung bei der Begleitung der Angehörigen an, die u. a. das gemeinsame Angehörigengespräch mit dem behandelnden Arzt und dem DSO-Koordinator, im Folgenden die Betreuung der Angehörigen auf der Station sowie die Begleitung beim Abschied nach der Organentnahme beinhalten kann. Im Anschluss an die Organspende erhalten alle Angehörigen, wenn gewünscht, ein Informationsschreiben der DSO, mit dem sie über das weitere Betreuungsangebot informiert werden.
** Quelle Eurotransplant; statistics.eurotransplant.org : 3042P : 01.01.2023 : active recipients only, estimate based on current residence postal code
Ohne Darm.
Korrespondenzadresse:
Ivonne Kröckel
Dr. Monika Scholle
Deutsche Stiftung Organtransplantation
Koordinatorinnen Region Ost
Organisationszentrale
Walter-Koehn-Straße 1 a
04356 Leipzig
Tel.: 069/677328-3013
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Grafiken: DSO