
Gutteck N.
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Department für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Eine echte Alternative
Die perkutane (minimalinvasive) Fußchirurgie hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Angesichts der Wundheilungsproblematik der konventionellen offenen Operationstechnik – insbesondere im Vorfußbereich – rücken die perkutanen Verfahren mit ihren eindrucksvollen kosmetischen Ergebnissen und deutlich selteneren Wundheilungsstörungen deutlich in den Fokus. Im vorliegenden Artikel werden im Überblick die wesentlichen Einsatzmöglichkeiten und die Besonderheiten dieser Operationstechnik unter Berücksichtigung der eigenen klinischen Erfahrung dargestellt.
Minimalinvasive Operationstechniken in der Orthopädie genießen bereits seit vielen Jahren eine zunehmende Verbreitung und sind in vielen Bereichen wie z. B. Hüftchirurgie und Wirbelsäulenchirurgie etabliert. Durch die überzeugenden Ergebnisse der perkutanen oder auch als minimalinvasiv bezeichneten Fußchirurgie hat diese Operationstechnik in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Mit den speziell für diese anspruchsvolle Operationstechnik entwickelten Instrumenten wird die Durchführung der Korrekturosteotomien z. B. bei Krallenzehendeformitäten, Hallux-valgus-Deformität oder auch Rückfußdeformitäten über wenige Millimeter große Zugänge ermöglicht. Dadurch ergeben sich gegenüber den herkömmlichen Operationstechniken deutliche Vorteile in Bezug auf eine kürzere Nachbehandlungs- und Rehabilitationszeit, durch eine geringere Gewebeinvasivität ein Vermeiden von postoperativen Narbenkontrakturen und ein ausgezeichnetes kosmetisches Ergebnis ohne störende, ausgedehnte Narben [11, 12, 13].
Minimalinvasive Techniken bei Metatarsalgie und Kleinzehendeformitäten
Metatarsalgie und Kleinzehendeformitäten gehören zu den häufigsten Erkrankungen des Fußes und sind oft mit Hallux valgus und Hallux rigidus assoziiert. Chronische, therapieresistente Beschwerden und „Schuhkonflikt“ sind die häufigsten Gründe für den Wunsch des Patineten nach einer operativen Korrektur. Bisher sind die korrigierende PIP (Proximal Interphalangeal)-Arthrodese und Weil-Osteotomie – verkürzende distale Osteotomie des Metatarsale – trotz der bekannten Problematik, wie postoperative Steifigkeit der metatarsophalangealen (MTP) Gelenke, persistierende Metatarsalgie, straffe Narbenbildung mit Elevation der Kleinzehen, störende Osteosynthese und Re-Eingriffe zur Materialentfernung, bisher etablierte Verfahren [2, 4].
Die DMMO (Distal Metatarsal Minimal-Invasive Osteotomy) ist an die Weil-Osteotomie angelehnt mit dem Unterschied des extrakapsulären Osteotomieverlaufs und dem Fehlen der Osteosynthese. Über einen 2-mm-Hautzugang proximal des MTP-Gelenks wird nach der Bildwandlerkontrolle mit einer speziellen Fräse eine schräge von distal nach proximal verlaufende Osteotomie durchgeführt (Abb. 1, 4). Die Balancierung der osteotomierten Köpfchen erfolgt spontan durch die intakte Kapsel bzw. den intakten Weichteilverbund ohne Osteosynthese [3].
Durch eine gezielte, perkutane Osteotomie am Grundglied und an den klinischen Befund adaptierte, perkutane Tenotomie der Streck- bzw. der langen Beugesehnen gelingt eine Korrektur der Kleinzehen, ohne Gelenkversteifungen vorgenommen zu haben (Abb. 1).
Gezielte Arthrolysen über die bereits vorhandenen Schnitte zur Tenotomie können bei Bedarf ebenfalls perkutan durchgeführt werden. Damit sind auch ausgeprägte und kontrakte Deformitäten für die minimalinvasive Operationstechnik gut zugängig. Hervorzuheben ist, dass die kurzen Zehenmuskeln nicht durchgetrennt werden, wodurch die Zehen in der Abrollphase des Ganges Bodendruck ausüben können.
Nach erfolgter Korrektur wird ein spezieller Tape-Verband (Abb. 5) mit einer plantarflektierten Einstellung der Zehen angelegt. Die Mobilisation ist anschließend im steifen Verbandschuh mit schmerzadaptierter Vollbelastung erlaubt.
Die Erfahrungen der Autorin mit dieser Methode decken sich mit den in der Literatur publizierten ermutigenden Ergebnissen. Im Vergleich zu den Patienten mit der offenen Weil-Osteotomie bestehen bei minimalinvasiv operierten Patienten eine wesentlich geringer ausgeprägte unmittelbar postoperative Vorfußschwellung und deutlich geringere Beschwerden, sodass eine frühzeitige Mobilisation mit Vollbelastung im starren Verbandschuh erfolgen kann. Bei korrekter Operationstechnik treten Wundheilungsprobleme deutlich in den Hintergrund [6, 7, 8, 10] (Abb. 2 a, b, 3 a, b).
Minimalinvasive Korrektur des Hallux valgus
Minimalinvasive Operationstechniken sind auch zur Korrektur der Hallux-valgus-Deformität vorhanden. Geeignet hierfür sind gering- bis mittelgradige Fehlstellungen der Großzehe. Nach perkutanem Weichteil“release“ können je nach Deformität proximale oder distale Osteotomien des Metatarsale durchgeführt werden. Über Mini-Inzision wird die Schraubenosteosynthese eingebracht. Ein simultan bestehender Hallux valgus interphalangeus kann ebenfalls durch die perkutane Grundgliedosteotomie korrigiert werden.
Einer der wesentlichen Vorteile dieser Methode besteht darin, dass die Gelenkkapsel des Großzehengrundgelenkes nicht eröffnet wird, sodass im Kontrast zu offenen Eingriffen Bewegungseinschränkungen der Großzehe seltener zu erwarten sind.
Die Nachbehandlung mit Teil- oder Vollbelastung im starren Verbandschuh richtet sich nach der Höhe der Osteotomie und der Osteosynthese. Frühzeitige intensive aktive und passive Bewegungsübungen des Großzehgrundgelenks sind zu empfehlen.
Minimalinvasive Calcaneusosteotomie
Calcaneusumstellungsosteotomien sind häufig im Rahmen der Pes planovalgus Korrektur, Korrektur bei Rückfußvarus-Deformitäten und Instabilitäten des Sprunggelenks erforderlich. Eine der häufigsten Komplikationen nach herkömmlicher offener Operationstechnik ist die Wundheilungsstörung im Zugangsbereich mit dadurch verzögerter Nachbehandlung, erhöhtem Risiko für Infektionen und Revisionseingriffen [5].
Die minimalinvasive Operationstechnik besticht dabei durch den auf ca. 1 - 2 cm reduzierten Zugang über dem Calcaneus. Mit einer speziellen Fräse erfolgt unter Bildwandlerkontrolle die Osteotomie. Eine perkutan eingebrachte Schraubenosteosynthese transfixiert die Osteotomie in Korrekturstellung. Nach eigener Erfahrung und übereinstimmend mit den Literaturangaben sind Wundheilungsprobleme daher ein ausgesprochen seltenes Problem [9].
Komplikationen und Besonderheiten
Die minimalinvasive (perkutane) Operationstechnik ist mit einigen eingriffsspezifischen Komplikationen bzw. Besonderheiten verbunden.
Eine fehlerhafte Operationstechnik kann zu Verbrennungen an der Haut und tiefen Ulzerationen führen und muss konsequent vermieden werden.
In der Literatur wird eine radiologisch verzögerte Knochenheilung bis zu 18 Monate im Bereich der Metatarsalia angegeben, die in den meisten Fällen schmerzfrei bleibt und mit einer prolongierten Ödembildung einhergehen kann [1, 6]. Die Kenntnis dieser Besonderheit ist insbesondere bei der Wertung der radiologischen Befunde wichtig.
Eine Pseudarthrose im Bereich der Calcaneusosteotomie wurde durch die Autorin und nach einer intensiven Literaturrecherche bisher nicht beobachtet. Eine Pseudarthrosenbildung im Bereich der Metatarsalia ist nach den Angaben der Literatur ausgesprochen selten und wird mit 0,1% beziffert [1].
Eine hypertrophe Kallusbildung mit anschließendem Knochenumbau („Remodeling“) tritt im Bereich der Metatarsalia nach DMMO regelhaft auf. Eine prolongierte Ödembildung bis zu vier Monate postoperativ wird von Bauer et al. bei 22% der Patienten beschrieben [1]. Nach eigener Erfahrung der Autorin ist die postoperative Ödembildung selten therapiebedürftig und spricht in ausgeprägten Fällen gut auf die manuelle Lymphdrainage und Kompressionsbehandlung an.
Fazit
Die minimalinvasive Fußchirurgie ist eine anspruchsvolle Operationstechnik, die eine ausgezeichnete Expertise mit offenen Fußeingriffen, sehr gute Anatomiekenntnisse, gutes räumliches Vorstellungsvermögen, eine gründliche präoperative Planung sowie eine intensive Schulung in der Operationstechnik voraussetzt. Spezielle Kenntnisse in der Rehabilitation und Verbands- bzw. Tapetechniken sind für den Erfolg der Operation, die insbesondere im Bereich des Vorfußes häufig ohne Osteosynthese auskommt, essentiell. Vor allem Patienten mit einem hohen Anspruch an das kosmetische Ergebnis werden die minimalinvasive Operationstechnik dem konventionellen offenen Verfahren vorziehen. Aus Sicht der Autorin können aber insbesondere Patienten mit Risikofaktoren für Wundheilungsstörungen und Infektionen wie Diabetiker von der minimalinvasiven Operationstechnik profitieren.
Literatur bei der Verfasserin
Korrespondenzanschrift:
PD Dr. med. Natalia Gutteck
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Department für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
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