
Golecki N.
Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, AMEOS Klinikum Bernburg
Akute oder chronische Gefäßveränderungen sind häufig Grund für einen operativen oder interventionellen Eingriff (vgl. Weigang et al. 2008). Große gefäßchirurgische Eingriffe wie beispielsweise Operationen an der thorakalen oder abdominalen Aorta führen zu ausgeprägten hämodynamischen Auswirkungen auf den Organismus und dadurch – bei in der Regel multiplen Vorerkrankungen der Patienten – zu einem hohen perioperativen Risiko. Zur Durchführung dieser Eingriffe muss deshalb das operative und anästhesiologische Vorgehen an das Risikoprofil des jeweiligen Patienten adaptiert werden, um Komplikationen in der perioperativen Phase zu vermeiden bzw. zu beherrschen.
Über die anästhesiologischen Besonderheiten, die es bei der Versorgung dieser Patienten zu beachten gilt, gibt dieser Artikel einen aktuellen Überblick.
Präoperative Untersuchungen

Da gefäßchirurgische Patienten häufig anästhesierelevante Begleiterkrankungen aufweisen (Tab. 1), erfolgt im Rahmen des Prämedikationsgesprächs neben der fundierten Anamneseerhebung auch eine körperliche Untersuchung und die Durchsicht der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Befunde. Um das perioperative Risiko adäquat beurteilen zu können, müssen zum Prämedikationszeitpunkt Art und Umfang des geplanten Eingriffs bereits feststehen. Zusätzlich sind bei elektiven Eingriffen eine Reihe von Untersuchungen notwendig, um das individuelle Risikoprofil des Patienten einzuschätzen, und das bestmögliche anästhesiologische Procedere planen zu können (Tab. 2).
Der günstigste Zeitpunkt für das Prämedikationsgespräch liegt etwa zwei Tage vor der geplanten Operation, da dann einerseits schon viele Befunde vorliegen, andererseits aber noch ein zeitlicher Spielraum besteht, zusätzliche Untersuchungen durchzuführen, ohne den OP-Termin verschieben zu müssen. Verantwortlich für die Umsetzung von anästhesiologisch angeordneten Vorgaben sind die (mit-)betreuenden Disziplinen, koordiniert durch die operative Abteilung.
Bei Vorliegen der ursprünglich ausstehenden Befunde muss der Patient allerdings noch einmal für eine abschließende Risikobeurteilung anästhesiologisch vorgestellt werden.
Um den Ablauf der Narkose- und OP-Vorbereitung zu optimieren, sollten im Rahmen des „Case Managements“ Standards definiert werden.
Auf einige Vorerkrankungen sollte besondere Aufmerksamkeit gelegt werden, da diese Patienten bei großen elektiven Eingriffen von einer präoperativen Optimierung besonders profitieren. So kommt der Einstellung einer arteriellen Hypertonie eine große Bedeutung zu. Ein normwertiger Blutdruck ist anzustreben. Sind starke Blutdruckschwankungen zu verzeichnen (systolischer Blutdruck >160 mmHg oder <80 mmHg), muss der Eingriff bis zur Blutdruckoptimierung verschoben werden.

Entgegen früheren Empfehlungen muss eine invasive kardiologische Diagnostik präoperativ nur durchgeführt werden, wenn diese auch unabhängig von der geplanten Operation indiziert wäre. Eine routinemäßig durchgeführte präoperative Koronarangiographie senkt nicht das perioperative Risiko für einen Myokardinfarkt (vgl. Garcia et al. 2008). Eine manifeste Herzinsuffizienz gilt als wichtigster Prädiktor für perioperative Komplikationen und sollte, sofern dies zeitlich vertretbar ist, präoperativ rekompensiert werden.
Bei vorbestehenden chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen kann durch ein bereits präoperativ begonnenes CPAP-Training die postoperative Lungenfunktion deutlich verbessert werden (vgl. Valipour 2010). Dazu wird dem Patienten dreimal täglich für 30 Minuten über eine dichtsitzende Maske ein kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck appliziert.
Präoperative Medikation
Patienten, die einem gefäßchirurgischen Eingriff unterzogen werden, haben in der Regel eine Vielzahl an kardiovaskulären Dauermedikamenten wie beispielsweise Betablocker, ACE-Hemmer oder gerinnungsaktive Substanzen. Ein perioperatives Fortführen oder Pausieren der Dauermedikation muss differenziert nach Medikament entschieden werden (Tab. 3).
Patienten mit vorbestehender Betablockertherapie sollten diese auch perioperativ weiterführen, um ein Entzugssyndrom mit Hypertonie, tachykarden Rhythmusstörungen oder Myokardischämien zu vermeiden (vgl. De Hert et al. 2008; Fleisher et al. 2006). Die Debatte, ob ein Betablocker als orale Medikation auch am OP-Tag gegeben wird, ist jedoch in der letzten Zeit wieder entflammt. Es gilt zwar einerseits, Tachykardien ebenso wie Bradykardien zu vermeiden, andererseits ist eine Betablockertherapie mit daraus resultierender Bradykardie in Verbindung mit einer akuten Anämie sehr gefährlich, da es durch den Wegfall der bedarfsgerechten Steigerung des Herzzeitvolumens zu einem Abfall der Sauerstofftransportkapazität kommt. In einer retrospektiven Untersuchung zeigt sich eine erhöhte Mortalität, wenn gleichzeitig zur Betablockertherapie eine intraoperative Anämie auftrat (vgl. Beattie et al. 2010). Aus diesem Grund sollten bei Eingriffen mit erhöhtem Blutungsrisiko langwirksame Betablocker (das sind die meisten) am Operationstag nicht gegeben werden. Bei Bedarf kann mittels intravenös titrierend verabreichten ultrakurzwirksamen Betablockern (z.B. Esmolol) am OP-Tag die Herzfrequenz und der arterielle Blutdruck im Normbereich gehalten werden.
Die perioperative Therapiefortführung mit ACE-Hemmern oder AT-Rezeptorantagonisten kann bei Gabe am OP-Tag während der Narkoseeinleitung oder einer Hypovolämie zu einer ausgeprägten Hypotension führen. Um das zu vermeiden, empfiehlt es sich, diese Medikation am OP-Tag nicht zu verabreichen und sie möglicherweise – je nach Halbwertszeit des verwendeten Wirkstoffs – auch schon früher zu pausieren.
Patienten mit Gefäßeingriffen erhalten häufig bereits präoperativ eine antikoagulatorische bzw. antithrombotische Therapie. Verwendung finden hierzu beispielsweise Vitamin-K-Antagonisten, Heparin, ASS, Clopidogrel, aber auch die sogenannten neuen oralen Antikoagulantien wie Rivaroxaban, Dabigatran oder Apixaban. Die Therapie führt zu einem erhöhten Blutungsrisiko im Operationsgebiet, stellt aber auch eine erhöhte Blutungsgefahr bei Punktionen im Rahmen der anästhesiologischen Versorgung und eine Kontraindikation für die Durchführung rückenmarksnaher Regionalanästhesieverfahren dar. Deshalb sollte die antikoagulatorische Medikation in enger Absprache mit dem Operateur entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin abgesetzt bzw. umgestellt werden (vgl. Waurick et al. 2014).
Gerade bei gefäßchirurgischen Patienten ist eine Fortführung der Plättchenhemmertherapie von großer Bedeutung, um bei entsprechendem Risikoprofil perioperativen Myokardischämien vorzubeugen. Eine Therapie mit 100 mg ASS/die kann aus anästhesiologischer Sicht problemlos fortgeführt werden, selbst wenn rückenmarksnahe Punktionen geplant sind. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass zusätzliche Antikoagulanzien 4 – 5 Halbwertszeiten vor einer Punktion oder Katheterentfernung pausiert werden (vgl. Waurick et al. 2014). Wenn ein Patient auf eine duale Plättchenhemmertherapie eingestellt ist, wird in der Regel der Adenosindiphosphatrezeptor(ADP)-Antagonist (Ticlopidin, Clopidogrel) unter Fortführung der ASS-Therapie perioperativ pausiert.
Eine weitere wichtige Medikamentengruppe im perioperativen Umfeld sind die Statine, die zu einer deutlichen Reduktion von kardiovaskulären Komplikationen und der Letalität führen (vgl. Butte et al. 2010; Schouten et al. 2006). Dies lässt sich wahrscheinlich auf pleiotrope Effekte der Statine zurückführen (Stabilisierung von Plaques, Hemmung der Inflammation), die sich schon kurz nach Beginn einer Statintherapie einstellen. Lang wirksame Statine scheinen für den perioperativen Einsatz am besten geeignet zu sein, für eine optimale Behandlungsdauer und Dosierung sind aber bislang noch keine Empfehlungen veröffentlicht worden. Da aber anscheinend der pleiotrope und kardioprotektive Effekt nicht abhängig von der Dosierung ist, kann die Dosis in Anlehnung an die Empfehlungen des „American College of Cardiology“ (ACC) und der „American Heart Association“ (AHA) angepasst werden (vgl. Schouten et al. 2006).
Die Op- und Narkosevorbereitungen enden mit einem per Unterschrift deklarierten Einverständnis des Patienten auf dem Narkoseaufklärungsbogen neben der chirurgischerseits zu realisierenden Op-Aufklärung mit Unterschrift. Von diesem Bogen ist dem Patienten eine Kopie nach Vorgaben des neuen Patientenrechtegesetzes auszuhändigen.
Narkosevorbereitung und intraoperatives Monitoring
Am Operationstag wird der Patient im Operationsbereich vom Anästhesieteam in Empfang genommen. Nach der Feststellung der Identität des Patienten und der Verifizierung des geplanten Eingriffs erfolgt nochmals ein Abgleich von Allergien, Problemen bei früheren Narkosen und der am Operationstag erhaltenen Medikation. Ist es aufgrund der Vorerkrankungen des Patienten oder des Umfangs des geplanten Eingriffs notwendig, dass der Patient postoperativ auf einer Wach- oder Intensivstation weiterversorgt werden muss, wird vor der Narkoseeinleitung abgeklärt, ob die geplante Überwachungsmöglichkeit auch wirklich zur Verfügung steht.
Anschließend wird die Standardüberwachung (EKG, nicht-invasive Blutdruckmessung [NIBP] und Pulsoxymetrie) angeschlossen und ein peripherer, venöser Zugang gelegt. Abhängig von den Vorerkrankungen des Patienten und der Art des geplanten Eingriffs kann auch die Anlage einer arteriellen Kanüle zur invasiven Blutdruckmessung oder die Anlage eines zentralvenösen Katheters in Lokalanästhesie schon vor der Narkoseeinleitung notwendig werden.
Große gefäßchirurgische Eingriffe bedingen durch die Operationstechniken (z. B. Clamping und Declamping der Aorta) ausgeprägte hämodynamische Veränderungen. Um diese Veränderungen zeitnah erkennen und therapieren zu können, sind in der Regel eine Vielzahl an invasiven und nicht-invasiven Monitoringmaßnahmen notwendig, die in ihrer Art und Weise an den geplanten Eingriff und das individuelle Risiko des Patienten angepasst werden müssen (vgl. Golecki, Kehl 2009). Die Möglichkeiten reichen hier von der invasiven Blutdruckmessung über Messungen von hämodynamischen Parametern mittels PICCO®-System oder Pulmonalis-Katheter bis zum intraoperativen Einsatz der Echokardiographie (transkutan-thorakal, ösophageal). Durch die eingesetzten Überwachungsverfahren sind folgende Ziele der Narkoseführung anzustreben (vgl. Abb. 1):
- die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Perfusion und Oxygenierung zur Vermeidung von kardialen und zerebralen Ischämien,
- eine ausreichende Nierenfunktion (> 0,5 ml Urin/kg Körpergewicht pro Stunde),
- der Erhalt der Normothermie (vgl. Frank et al. 1993; Torossian et al. 2014),
- der Erhalt der Normoglykämie (vgl. Reich 2006) und
- adäquate intra- und postoperative Analgesie (vgl. Golecki, Kehl 2012).
Anästhesieverfahren
Zur Durchführung von operativen Maßnahmen bedarf es eines geeigneten Anästhesieverfahrens, das den Eingriff für den Patienten angst- und schmerzfrei gestaltet und ihn psychisch abschirmt. Reicht bei endoluminalen angioplastischen Eingriffen oft eine Sedierung, kombiniert mit einer durch den Operateur durchgeführten Lokalanästhesie an der Punktionsstelle aus, so kann das Spektrum über
- Regionalanästhesien,
- Kombinationsnarkosen (Allgemeinanästhesie mit Regionalanästhesie) bis zur
- Allgemeinanästhesie mit Ein-Lungen-Ventilation und Einsatz der Herz-Lungen-Maschine beim Ersatz der thorakalen Aorta
reichen (vgl. Golecki, Kehl 2012).
Eine Allgemeinanästhesie besteht aus den Komponenten Analgesie, Amnesie, Hypnose und Muskelrelaxation. Da dieser Zustand nicht durch ein einziges Medikament erreicht werden kann, erfolgt die Kombination eines Opioids mit einem Hypnotikum und einem Muskelrelaxans.
Die Aufrechterhaltung der Narkose erfolgt mittels Narkosegas oder intravenös über Spritzenpumpen verabreichter Medikamente (Propofol und Remifentanil), wobei die Narkosegase neben der narkotischen Wirkung auch organprotektive Eigenschaften bezüglich Myokard und zentralem Nervensystem aufweisen (vgl. Kehl et al. 2002; Kehl et al. 2005; Lange et al. 2007; Lange et al. 2009), so dass Ischämiebedingte Schäden gemindert oder sogar ganz verhindert werden können.
Regionalanästhesieverfahren können peripher (Plexus- oder Leitungsbahnanästhesie) oder zentral (Peridural- und Spinalanästhesie) durchgeführt werden. Das Prinzip beruht auf der vorübergehenden Unterbrechung der Reizübertragung der Nervenfasern durch die Lokalanästhetika (Natrium-Kanal-Blockade). Dadurch werden Schmerzempfinden, Tiefensensibilität und motorische Antwort in dem vom blockierten Nerven versorgten Bereich ausgeschaltet. Zur erfolgreichen Durchführung eines Regionalanästhesieverfahrens gehört neben manuellem Geschick und fundierten anatomischen Kenntnissen auch die Bereitschaft zur psychischen Führung eines wachen Patienten.
Neben fundierten Kenntnissen der Anästhesieverfahren sind ebenfalls grundlegende Erfahrungen im Volumenmanagement, der Therapie mit Blutprodukten, dem Gerinnungsmanagement, dem Einsatz, der Interpretation der durchgeführten Monitoringverfahren und der Therapie von hämodynamisch instabilen Kreislaufverhältnissen incl. der Kenntnis über geeignete/angezeigte Maßnahmen der Prävention einer überschießenden „Systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS) eine essenzielle Voraussetzung, um Patienten während des operativen Eingriffs bestmöglich und sicher zu betreuen.
Postoperative Überwachung
Nach der Durchführung eines Anästhesieverfahrens müssen die Vitalparameter eines Patienten so lange überwacht werden, bis in Abhängigkeit des Eingriffs, des individuellen Risikoprofils des Patienten und des Anästhesieverfahrens davon ausgegangen werden kann, dass Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Atmung und des Bewusstseins nach der Verlegung auf eine Normalstation mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr auftreten. Angepasst an das postoperative Risiko können mehrere Stufen der Überwachung unterschieden werden. So kann eine postoperative Überwachung des wachen und weitgehend kreislaufstabilen Patienten in einem Aufwachraum mit 24h-Verfügbarkeit oder für einen längeren Zeitraum auf einer Wach- oder Intermediate-Care-(IMC)-Station erfolgen. Sind die Patienten in den Vitalparametern noch intensivmedizinisch behandlungsbedürftig, so erfolgt die weitere Versorgung auf einer Intensivstation, die 24 Stunden am Tag ärztlich durch einen Intensivmediziner besetzt ist.
Postoperative Schmerztherapie
In Abhängigkeit vom vorgesehenen Eingriff wird die postoperative Schmerztherapie schon während des präoperativen Anästhesiegesprächs geplant und mit dem Patienten besprochen. Bei kleineren Operationen reicht oftmals die postoperative Gabe von peripher wirksamen Analgetika und mittelstark wirksamen Opioiden. Bei größeren Operationen kann entweder ein Regionalanästhesieverfahren (idealerweise als Katheterverfahren, dann kontinuierlich oder patientenkontrolliert) oder eine intravenöse Therapie mittels Opioiden als PCA-Pumpe („patient controlled analgesia“) durchgeführt werden. Mit der Schmerztherapie muss schon intraoperativ begonnen werden, damit die Patienten weitgehend schmerzfrei aus der Narkose erwachen. Bei Einsatz von kontinuierlichen oder patientenkontrollierten Schmerztherapieverfahren muss eine regelmäßige Visite durch einen rund um die Uhr verfügbaren anästhesiologischen Akutschmerzdienst sichergestellt sein, um eine adäquate Schmerztherapie und die frühe Erkennung möglicher Komplikationen zu gewährleisten.
Besonderheiten bei speziellen Eingriffen
Es gibt ein breites Spektrum von Eingriffen am Gefäßsystem und das anästhesiologische Vorgehen muss immer auf das individuelle Risikoprofil des Patienten und die Besonderheiten des geplanten Eingriffs abgestimmt werden.
Eingriffe an der abdominellen Aorta
Eingriffe an der abdominellen Aorta sind am häufigsten infolge einer durch eine Arteriosklerose bedingte Gefäßalteration indiziert, die zu Gefäßstenosen und –verschlüssen sowie in Verbindung mit einer insbesondere triggernden arteriellen Hypertonie zu einer aneurysmatischen Veränderung oder Dissektion des Gefäßes führen kann. Andere Ursachen sind erbliche oder entzündliche Erkrankungen (z. B. Marfan-Syndrom, Riesenzellarteriitis) oder iatrogen (z. B. Katheterprozeduren) (vgl. Kouchoukos, Dougenis 1997; Weigang et al. 2008). Sind bei einem Aneurysma in der Regel nur geringe Symptome vorhanden (meist unspezifische Rückenschmerzen) und wird es häufig bei einer Routineuntersuchung oder zur Abklärung anderer abdomineller Erkrankungen entdeckt, ist bei einer Dissektion oder einer gedeckten oder offenen Ruptur meist eine ausgeprägte Schmerz- und Kreislaufreaktion vorhanden (vgl. Powell, Greenhalgh 2003).
Abdominelle Aortenaneurysmen können transperitoneal oder retroperitoneal operiert werden, wobei keiner der beiden Zugangswege bezüglich der anästhesiologischen Betreuung einen deutlichen Vorteil zeigt. Nach Darstellung der Aorta von den Nierenarterienabgängen bis zu den Aa. Iliacae erfolgt nach Maßgabe des Operateurs die Gabe von Heparin und das proximale Abklemmen der Aorta. Das Aortenclamping erfolgt in den meisten Fällen unterhalb der Nierenarterien, so dass die Nierendurchblutung erhalten bleibt. Seltener muss oberhalb der Nierenarterien abgeklemmt werden, was zu ischämischen Schädigungen oder einem akuten postoperativen Nierenversagen führen kann (CAVE: limitierte renale Ischämietoleranz). Das Abklemmen der Aorta wird von herzgesunden Patienten in der Regel gut toleriert. Bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion kann es durch den Anstieg des arteriellen Druckes proximal der Klemme und der akuten Zunahme der Nachlast zu akutem Linksherzversagen und myokardialen Ischämien kommen (vgl. Gelman 1995). Aus diesem Grund sollte die Aortenklemme vom Operateur sanft und schrittweise geschlossen werden. Ein übermäßiger Anstieg des arteriellen Blutdruckes wird mittels Nitroglycerin-Perfusor therapiert, wobei gleichzeitig die Vorlast gesenkt wird. Um gezielt die Nachlast zu senken, eignet sich Nitroprussid-Natrium oder die Konzentrationserhöhung des volatilen Anästhetikums. Bedingt durch die geringere Durchblutung der Gefäßgebiete distal der Aortenklemme nimmt der venöse Rückstrom ab. Durch Schwankungen der Nierendurchblutung steigen die Plasmakonzentrationen von Renin und Angiotensin und führen zusätzlich zu einer kardiovaskulären Instabilität (vgl. Gelman 1995). Alle blutdruckregulierenden Maßnahmen sollten daher mit kurz wirksamen und gut steuerbaren Medikamenten durchgeführt werden.
Als Ersatz der geschädigten Aorta kommt entweder eine Rohrprothese (bei distalem Anschluss oberhalb der Aortenbifurkation) oder eine Y-Prothese (bei distalem Anschluss an die Iliacalarterien oder Femoralisbifurkation) zum Einsatz. Nach Fertigstellung der proximalen Anastomose wird die Aortenklemme kurzzeitig geöffnet, um die Prothese mit Blut zu füllen. Dies führt durch den akuten Abfall der Nachlast in der Regel zu einem Blutdruckabfall. Aus diesem Grund sollte die Klemme nur langsam geöffnet werden. Nach der Naht der distalen Anastomose wird die Aortenklemme endgültig geöffnet. Hierbei treten häufig die entgegengesetzten kardiovaskulären Reaktionen auf wie beim Aortenclamping: über die Verminderung der Nachlast des linken Ventrikels und des peripheren Gefäßwiderstands kommt es zu einem Blutdruckabfall. Die Reperfusion der unteren Extremität führt zu einem vermehrten Anfall von sauren Stoffwechselprodukten, die negativ-inotrope Effekte haben und das Bild einer schweren Entzündungsreaktion hervorrufen können. Um dem Abfall des Herzzeitvolumens und des arteriellen Blutdruckes nach Öffnen der Aortenklemme vorzubeugen, sollte das intravasale Volumen vor dem Declamping normal bis hochnormal sein. Insgesamt ist aber eine eher restriktive Zufuhr von Kristalloiden (<3 Liter) vorteilhaft (vgl. Adesanya 2008). Die Zufuhr von vasodilatierenden Medikamenten muss rechtzeitig beendet und die überbrückende Gabe eines Vasopressors erwogen werden. Zur an den jeweiligen Patienten adaptierten Steuerung der Kreislaufverhältnisse findet eine Überwachung mittels PICCO-Monitor oder Pulmonalarterienkatheter statt. Zusätzlich kann unterstützend der Einsatz einer transösophagealen Ultraschallsonde erwogen werden. Wichtigstes Mittel, um Blutdruckabfälle zu vermeiden, ist jedoch die gute Kommunikation und Absprache mit dem Operateur, der die Aortenklemme langsam und vorsichtig öffnet.
Bei Patienten mit notfallmäßiger oder dringlicher Aortenchirurgie wird in der Regel eine alleinige Allgemeinanästhesie durchgeführt. Bei geplanten Operationen an der Aorta kann die präoperative Anlage eines thorakalen Periduralkatheters erwogen werden, um in Kombination mit einer Allgemein-anästhesie zur intra- und postoperativen Schmerztherapie genutzt zu werden. Unter diesem Regime kommt es zu einer Reduktion der postoperativen Darmatonie und einer ausgezeichneten Analgesie (vgl. Caliskan et al. 2008; Zingg et al. 2009). Durch die Kombinationsanästhesie werden die Vorteile der Periduralanästhesie mit den kardioprotektiven Effekten der volatilen Anästhetika sinnvoll verbunden (vgl. De Hert et al. 2008; Kehl et al. 2005).
Da in der Aortenchirurgie mit einem höheren intraoperativen Blutverlust zu rechnen ist, sollten je nach Ausgangsblutbild genügend Blutprodukte bereitgestellt werden. Ist bei elektiven Eingriffen die Bereitstellung von 4 Erythrozytenkonzentraten ausreichend, müssen bei Notfalleingriffen eine höhere Anzahl an Erythrozytenkonzentraten sowie gegebenenfalls „Fresh Frozen Plasma“ und Thrombozytenkonzentrate bereitgestellt werden. Zusätzlich kann durch den Einsatz eines Gerätes zur Aufbereitung von autologen Erythrozytenkonzentraten aus Wundblut die Anzahl der transfundierten Fremderythrozytenkonzentrate deutlich reduziert werden.
Bei einem unkomplizierten operativen und anästhesiologischen Verlauf mit stabilen Kreislaufverhältnissen, erhaltener Homöostase, Normothermie, suffizienten pulmonalen Verhältnissen, guter Nierenfunktion und ausreichender Schmerztherapie kann eine direkte postoperative Extubation durchgeführt werden. Sind keine gravierenden Vorerkrankungen bekannt, kann der Patient dann postoperativ auf eine Überwachungsstation (IMC) verlegt werden, auf der das Personal mit den typischen postoperativen Komplikationen (akutes Koronarsyndrom, Herzrhythmusstörungen, respiratorische Insuffizienz, akute Nierenschädigung, paralytischer Ileus, Mesenterialischämien, peripheren Durchblutungsstörungen der unteren Extremität oder lokalen Blutungen) vertraut ist. Kann der Patient nicht direkt postoperativ extubiert werden oder liegen schwerwiegende Vorerkrankungen vor, sollte er auf eine Intensivstation aufgenommen werden.
Periphere Gefäßoperationen
Periphere Gefäßoperationen werden bei dilatativen, stenosierenden oder okkludierenden Prozessen im Rahmen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) notwendig. Anästhesiologisch sind die meist schwerwiegenden kardiovaskulären Begleiterkrankungen dieser Patienten mit entsprechend hoher perioperativer Morbidität und Letalität bedeutsam.
Ziel der Narkoseführung ist, unabhängig vom gewählten Anästhesieverfahren die kardiovaskuläre Stabilität in engen Grenzen aufrechtzuerhalten. Der zusätzliche Einsatz der Regionalanästhesie zeigt gewisse Vorteile gegenüber einer alleinigen Allgemeinanästhesie. Durch eine Periduralanästhesie kann sowohl eine suffiziente postoperative Analgesie als auch durch die periphere Vasodilatation eine niedrigere Komplikationsrate an den revaskularisierten Gefäßen erreicht werden (vgl. Christopherson et al. 1993; Gelman 1993). Nachteil einer alleinigen Periduralanästhesie ist die häufig lange Operationsdauer, die den Patienten das Liegen auf dem OP-Tisch erschwert. Bei bestehender Normothermie kann der Patient nach einer Allgemeinanästhesie in der Regel direkt postoperativ extubiert werden.
Nach längerer Ischämiezeit kann die Reperfusion des betroffenen Gewebes bei unzureichendem Volumenstatus zu Hypotonien führen. Größere Blutverluste sind durch das Abklemmen der zuführenden Gefäße in der Regel nicht vorhanden. Postoperativ muss eine regelmäßige Überwachung der Extremitätendurchblutung sowie der kardiopulmonalen Funktionen gewährleistet werden, um die typischen postoperativen Komplikationen wie beispielweise ein akutes Koronarsyndrom, einen Bypass-Verschluss oder eine akute Nierenschädigung durch das intraoperativ verwendete Kontrastmittel im Rahmen der angezeigten intraoperativen Dokumentation des Rekanalisations- bzw. Rekonstruktionserfolges frühzeitig zu erkennen. Dies kann je nach Schwere der Begleiterkrankungen auf einer Wach- oder Intensivstation erfolgen.
Karotisstenosenoperationen
Cerebrale Ischämien sind in den Ländern der westlichen Zivilisation eine häufige Todesursache. Ein Großteil der Ischämien betreffen das Stromgebiet der A. carotis. Hauptrisikofaktoren sind arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Nikotinabusus, hohes Lebensalter, positive Familienanamnese und Hyperlipidämie.
Intraoperativ muss beim Patienten in Allgemeinanästhesie ein zentralnervöses Monitoring durchgeführt werden. Hierzu finden apparative Techniken Anwendung, die durch Ableitung von prozessiertem EEG mit verschiedenen Aktivitäts-Indizes oder sensorisch evozierten Potentialen (SEP) intraoperative Ischämien erkennen können (vgl. Bein et al. 2009).
In vielen Kliniken kommen zur Karotischirurgie auch die Regionalanästhesieverfahren zum Einsatz. Gegenüber einer Vollnarkose haben diese den Vorteil einer größeren hämodynamischen Stabilität und besseren direkten zerebralen Ischämieüberwachung durch den wachen und ansprechbaren Patienten. Dabei bietet eine Blockade des Plexus cervicalis superficialis im Vergleich zum tiefen Halsplexus Vorteile bezüglich Analgesiequalität und einer niedrigeren Umsteigerate auf eine Vollnarkose (vgl. Pandit et al. 2007). Auch bei der in der Regel bestehenden Begleitmedikation der Patienten mit einem Thrombozytenaggregationshemmer bietet der oberflächliche Halsplexus eine geringere Rate an Blutungskomplikationen. Treten intraoperativ schwerwiegende ischämische Komplikationen oder eine unzureichende Analgesiequalität auf, die auch durch lokale Nachinjektionen durch den Operateur nicht zu einer suffizienten Analgesie führen, muss allerdings aufgrund der Lagerung und dem steril abgedeckten OP-Situs mit erhöhten Schwierigkeiten bei der Atemwegssicherung gerechnet werden, was den mit diesem Setting erfahrenen bzw. versierten Anästhesisten erfordert.
Ein Vorteil der Regionalanästhesie gegenüber einer Allgemeinanästhesie bei Karotisoperationen konnte jedoch nicht gezeigt werden (vgl. Lewis et al. 2008). Bei größerem Komfort für Patienten und Operateure wird deshalb häufig der Allgemeinanästhesie mit zusätzlichem Neuromonitoring der Vorzug gegeben.
Intraoperativ muss für einen ausreichenden zerebralen Perfusionsdruck gesorgt werden. Das kann den Einsatz eines Vasopressors (Noradrenalin) über eine Spritzenpumpe notwendig machen, um den arteriellen Mitteldruck entsprechend anzuheben.
Patienten sollten nach einer Karotisoperation aufgrund der Nachblutungsgefahr mit zum Teil lebensbedrohlichen Atemwegsverlegungen und zur Kontrolle des arteriellen Blutdrucks sorgfältig überwacht werden. Dies kann bei unkompliziertem Verlauf auf einer Wachstation erfolgen. Bei einer Nachblutung mit Atemwegsverlegung muss aber eine schnelle anästhesiologische Präsenz gewährleistet sein. Weitere typische postoperative Komplikationen nach einer Karotisoperation sind neu auftretende neurologische Ausfälle, ein zerebrales Hyperperfusionssyndrom oder intrakranielle Blutungen. Bei vorbestehenden gravierenden kardiopulmonalen Begleiterkrankungen, nur schwer einstellbaren perioperativen Kreislaufparametern oder intraoperativen neurologischen Zwischenfällen sollte die Überwachung auf der Intensivstation erfolgen.
Endovaskuläre Gefäßeingriffe
Endovaskuläre Rekonstruktionen können in den meisten Fällen in Lokalanästhesie mit oder ohne Analgosedierung durchgeführt werden. Für Eingriffe an der abdominellen Aorta sind Lokal-, Regional- und Allgemeinanästhesie möglich. Auch bei einer Versorgung in Lokalanästhesie müssen die Eingriffe immer unter „Operationsbedingungen“ durchgeführt werden, wie sie in einer Angio-Suite (Hybid-Op von Op-Saal-gleichen Bedingungen und integrierter Röntgendurchleuchtung einer DSA) realisiert sind (Ausnahmen: periphere Gefäßeingriffe). Da bei interventionellen Verfahren immer damit gerechnet werden muss, dass kurzfristig auf ein offen-chirurgisches Verfahren umzusteigen ist, sollten alle entsprechenden invasiven Monitoringverfahren und Katheter vorhanden sein sowie entsprechende Teams der Anästhesie und der OP-Pflege sowie Blutkonserven bereitstehen (vgl. Leiendecker et al. 2009). Falls Komplikationen auftreten, können diese so ohne Zeitverzögerung und unter optimalen hygienischen Bedingungen therapiert werden.
Endoprothesen in die thorakale Aorta werden hingegen in einer Allgemeinanästhesie eingesetzt. Die Expansion des Ballons während der Platzierung der Endoprothese bei der Versorgung eines thorakalen Aortenaneurysmas erzeugt für etwa eine Minute einen kompletten Verschluss der Aorta. Um in dieser Phase einen unkontrollierten Blutdruckanstieg zu verhindern, ist eine vorübergehende Hypotension oder Asystolie notwendig. Eine extreme Blutdrucksteigerung könnte in dieser Phase zu einer Dissektion oder Ruptur der Aorta oder einer Hirnblutung führen. Durch die abrupte Nachlaststeigerung besteht außerdem die Gefahr eines Linksherzversagens sowie einer Distalverschiebung des Stents. Hypotension und Asystolie können medikamentös ausgelöst werden (z.B. Nitroglyzerin, Adenosin). Dabei gibt es jedoch häufig Probleme bei der Steuerbarkeit der Wirkdauer. Gerade bei thorakalen Endoprothesen scheint das Verfahren der schnellen Kammerstimulation („overdrive pacing“) zur kurzfristigen Blutdrucksenkung Vorteile zu haben. Hierbei wird ein Schrittmacherkatheter eingeschwemmt und das Herz mit einer Stimulationsrate von 130-180/min überstimuliert. Durch die Verringerung der ventrikulären Füllungszeit werden die linksventrikuläre Vorlast und das Schlagvolumen reduziert und der mittlere arterielle Blutdruck kurzfristig auf systolische Werte von 40mmHg gesenkt (vgl. Golecki, Kehl 2012). Nach der Beendigung der Stimulation erfolgt in der Regel eine schnelle Rückkehr zum Ausgangsdruck.
Nach dem Eingriff können die Patienten im Aufwachraum überwacht werden, sollten jedoch wegen der häufig erst in der postoperativen Phase klinisch sichtbar werdenden Komplikationen für 24 Stunden auf einer Wachstation aufgenommen werden.
Fazit
Operative Interventionen des Gefäßsystems haben bei vorbestehenden Begleiterkrankungen ein hohes perioperatives Risiko für den Patienten. Eine fundierte präoperative Risikoabschätzung ist daher unerlässlich. Basierend auf Untersuchungsergebnissen und geplantem Eingriff werden Anästhesieverfahren, intraoperatives Monitoring und postoperative Überwachungsmaßnahmen festgelegt. Um das perioperative Risiko für den Patienten zu minimieren, muss der betreuende Anästhesist umfassende theoretische und praktische Erfahrungen der eingesetzten Verfahren besitzen und mit den pathophysiologischen Besonderheiten des jeweiligen Eingriffs vertraut sein.
Literatur beim Verfasser
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Nikolaus Golecki
Chefarzt der Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin
AMEOS Klinikum Bernburg
Kustrenaer Str. 98
06406 Bernburg
Tel.: +49-3471-34-1370
Fax: +49-3471-34-2097
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