Ein Überblick von der Präklinik bis zur chirurgischen Therapie

Dr. med. Kristian Weißenberg1,2, Dr. med. Khosrow Siamak Houschyar2, Hubertus Maria Philipps2,3, Prof. Dr. med. Frank Siemers2
1 Klinik für Plastische, Ästhetische und Handchirurgie, Städtisches Klinikum Dessau
2 Klinik für Plastische und Handchirurgie mit Brandverletztenzentrum, BG Klinikum Bergmannstrost Halle
3 Klinik für Plastische und Handchirurgie mit Schwerbrandverletztenzentrum, Klinikum St. Georg, Leipzig
Abstract
Der Artikel soll die adäquate Therapie von der Präklinik bis hin zur chirurgischen Therapie darstellen, da hier häufig noch Defizite vorliegen. Das Outcome von Brandverletzten hängt entscheidend von einer frühzeitigen und adäquaten Therapie ab. Bereits präklinisch beeinflussen viele Faktoren wie das richtige Volumen- und Temperaturmanagement entscheidend das spätere Überleben der Patienten. In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin sind Kriterien für die empfohlene Aufnahme in speziellen Einrichtungen wie dem unter plastisch-chirurgischer Leitung stehenden Brandverletztenzentrum des BG Klinikums Bergmannstrost in Halle festgelegt worden. Die adäquate chirurgische Behandlung beginnt bereits mit der Aufnahme der Patienten in der Klinik.
Zielstellung
Ziel des vorliegenden Artikels sollte sein, dass auch nicht in der Verbrennungsmedizin routinierte Kollegen adäquate und sinnvolle Behandlungsempfehlungen ableiten können. Eine Wiederholung der Indikationen zur Aufnahme in einem Brandverletztenzentrum soll zudem die Überlegungen zur rechtzeitigen Verlegung erleichtern.
Einleitung
Die Behandlung von thermischen Verletzungen richtet sich nach der Tiefen- und Flächenausdehnung. Großflächige und höhergradige Brandwunden sollten frühzeitig einer operativen Therapie zugeführt werden. Leider kommt es noch immer häufig durch Fehleinschätzungen des Verletzungsausmaßes aufgrund der unzureichenden Kenntnis über die pathophysiologischen Vorgänge der Verbrennungskrankheit zu einer schlechten Ausgangslage für den Patienten.
Historisches
Dokumente über die Behandlung von Verbrennungen finden sich bereits 2900 v. Chr. Eine erste Einteilung in Verbrennungsgrade wurde von Florentinus (1223-1303) in „Rötung“, „Blasenbildung“ und „Krustenbildung“ durchgeführt. Lister (1807-1882) stellte den Zusammenhang zwischen allgemeiner Infektionshäufigkeit und Brandwunden her (3). 1682 erfolgte eine Erstbeschreibung des Hautersatzes aus Eidechsenhaut (1). 1869 transplantierte Reverdin erstmalig erfolgreich Eigenhaut als Autograft. Seit den 1940er Jahren gab es vor allem entscheidende Entwicklungen im Bereich der Antibiotikabehandlung, Flüssigkeitstherapie und Ernährungstherapie (3). Der Vorteil des Frühdébridements von Verbrennungswunden wurde ab den 1970er Jahren erkannt, da man eine geringere Infektionsrate und ein besseres Narbenbild sah (9, 15, 16).
Heutiger Stand
Pro Jahr werden in Deutschland ca. 15.000 Patienten aufgrund von Verbrennungsverletzungen stationär behandelt. 2014 mussten davon 1953 in einem Brandverletztenzentrum intensivmedizinisch therapiert werden (5). Gut zwei Drittel der Patienten sind männlich und rund 60 % im berufstätigen Alter (Streubreite: 20-59 Jahre) (5).
Verletzungsursachen
Der Flammenkontakt ist mit rund 50 %, gefolgt von der Verbrühung mit ca. 25 %, am häufigsten. Ca. 10 % der Brandverletzungen bei Kindern basieren auf Kindesmisshandlung. In 80 % dieser Fälle handelt es sich um Verbrühungen durch Eintauchen in heißes Wasser (8). Typisch ist hier die scharfe Begrenzung der Wunde durch das Eintauchen in die heiße Flüssigkeit.
Eigene Erfahrungen
Das Brandverletztenzentrum (BVZ) des BG Klinikums Bergmannstrost Halle ist die einzige Spezialeinheit für Erwachsene in Sachsen-Anhalt und zuständig für die Versorgung von Brandverletzungen mit einem Einzugsgebiet im Norden bis Berlin, im Westen bis an die bayrische Landesgrenze und im Osten bis in den Raum Dresden. Weitere Brandverletztenzentren befinden sich in den neuen Bundesländern im Unfallkrankenhaus Berlin und im Leipziger Klinikum St. Georg.
2016 wurden im BVZ des BG Klinikums Bergmannstrost 132 Patienten aufgrund von thermischen Verletzungen intensivmedizinisch behandelt. Der Flammenkontakt machte mit 46 % neben der Verbrühung mit 27 % den Großteil der Unfallursachen aus. Weitere Ursachen waren mit 8 % Kontaktverbrennungen. Dieser Verletzungsmechanismus ist typisch für ältere und motorisch eingeschränkte Patienten, die sich nach Stürzen nicht mehr schnell genug von einer Gefahrenquelle (Herd, Heizung etc.) entfernen können. Eine Stromverletzung sahen wir in 3 % der Fälle.
80 % aller Unfälle passierten in der Freizeit, sodass der Anteil an Arbeitsunfällen mit 20 % deutlich geringer war. Bei 3 % aller behandelten Patienten waren Verkehrsunfälle ursächlich und bei 3 % waren Suizidversuche durch Überkippen mit brennbaren Flüssigkeiten ursächlich. Explosionsverletzungen oder Verpuffungen ließen sich bei 19 % aller Patienten nachweisen, wobei am häufigsten das Hantieren mit Gasflaschen in der Freizeit und das Hantieren mit Brandbeschleunigern angegeben wurde.
Das Durchschnittsalter aller Patienten betrug 51,8 Jahre (Streubreite: 17-96 Jahre) bei einer Mortalität von 15,2 %. Die durchschnittlich verbrannte Körperoberfläche (Grad 2a-3) betrug 9,7 % (Streubreite: 1-92 %). Ein zusätzliches Inhalationstrauma wurde bei 18,9 % der Verbrennungspatienten gesehen. Während dieser ersten direkten posttraumatischen Phase mussten im Schnitt 2,3 Operationen (Streubreite: 0-16 Operationen) durchgeführt werden. Die Patienten blieben im Mittel 16,85 Tage in stationärer Behandlung unserer Klinik (Streubreite 0-87 Tage).










Indikationen zur Aufnahme in einem Brandverletztenzentrum
Nicht jede Brandverletzung muss intensivmedizinisch behandelt werden. Allerdings werden Verbrennungswunden und Verbrennungskrankheit oft unterschätzt und damit das Outcome der Patienten erheblich verschlechtert. Spezielle Indikationen für die stationäre Aufnahme von Verbrennungspatienten in Spezialkliniken wurden in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (DGV) festgelegt (Tab. 1). Diese richten sich nach dem Ausmaß der verbrannten Körperoberfläche (KOF) und nach speziellen Lokalisationen oder Begleitverletzungen.
Operationsindikation
Der Schweregrad einer Verbrennung und damit auch die Operationsindikation richten sich vor allem neben der Flächenausdehnung nach der Tiefe einer thermischen Schädigung. Man unterscheidet drei Verbrennungsgrade (Tab. 2). Bei 1-gradigen Verbrennungen (z. Bsp. Sonnenbrand) ist nur die Epidermis betroffen (Abb. 1, S. 50). Die Wunde ist gerötet, schmerzhaft, geschwollen und trocken. 2a-gradige Verbrennungen reichen bis oberflächlich dermal. Die Wunden sind stark schmerzhaft, feucht mit vorhandener Rekapillarisierung und man sieht eine Blasenbildung (Abb. 2 a, b; S. 50). Ab Grad 2b besteht eine OP-Indikation (Abb. 3, S. 50). Diese Wunden sind ebenfalls durch eine Blasenbildung gekennzeichnet, insgesamt jedoch deutlich blasser als 2a-gradige Verbrennungen.
Durch die Lokalisation bis in die tiefe Dermis sind neben Nervenendigungen aber auch Hautkapillaren betroffen, sodass die Wunden weniger schmerzen und der Blasengrund wegen der fehlenden Rekapillarisierung deutlich weißer ist. 3-gradige Verbrennungswunden sind durch ihre lederartige und weißliche Konsistenz gekennzeichnet. Aufgrund der kompletten Zerstörung der Schmerzrezeptoren fehlen hier Schmerzen völlig (Abb. 4). Vereinzelt wird in der Literatur auch noch der Grad 4 genannt. Hierbei handelt es sich um Verkohlungen mit Beteiligung von Muskulatur, Knochen und Sehnen.
Verbrennungsfläche
Häufig wird die Abschätzung der verbrannten Körperoberfläche (VKOF) anhand der Neuner-Regel nach Wallace gelehrt. Diese teilt die Körperoberfläche in Abschnitte zu 9 Prozent und einem Vielfachen davon (Abb. 5 a, b, Tab. 3) (2). Diese Regel gilt vor allem für Erwachsene. Je kleiner Kinder sind, desto größer wird der prozentuale Anteil des Kopfes an der gesamten Körperoberfläche und desto kleiner der Anteil der Beine. Einfacher, vor allem, wenn man nicht täglich mit Verbrennungen konfrontiert wird, ist die Handflächenregel. Man geht davon aus, dass die Handinnenfläche des Patienten zusammen mit den Fingern etwa 1 % der Körperoberfläche entspricht.
Komplikationen und Fehlerquellen bei der
präklinischen Behandlung
Bereits die adäquate Versorgung des Verletzten an der Unfallstelle stellt entscheidende Weichen für das spätere chirurgische und intensivmedizinische Outcome des Patienten.
Auskühlung des Patienten
In der Vergangenheit wurde immer wieder die Kühlung des Patienten an der Unfallstelle propagiert. Lönnecker et al. zeigten 2001, dass das Sterberisiko bei einer Körpertemperaturerniedrigung um 1 °C um 43 % erhöht wird. Aus diesem Grund wird nur noch das sterile Bedecken von Brandwunden gefordert. Eine lokale Kühlung eines begrenzten Areals (weniger als 10 % VKOF) ist weiterhin legitim, da, wenn man es adäquat durchführt, keine Erniedrigung der Körperkerntemperatur zu erwarten ist (z. Bsp. 20°C kühles Wasser 10 Minuten lokal). Bei Kindern sollte aufgrund des Verhältnisses der größeren Körperoberfläche zur Masse auf eine Kühlung generell verzichtet werden (11).
Mangelndes Infusionsmanagement
Auch im Bereich des Infusionsmanagements hat es einen Paradigmenwechsel gegeben. Noch in den 1940er und 1950er Jahren fehlten entscheidende Kenntnisse über die Verbrennungskrankheit und dem daraus entstehenden Verbrennungsschock, sodass die Haupttodesursache der hypovolämische Schock und die daraus entstehende Niereninsuffizienz waren. In den folgenden Jahren wurden Formeln zur Berechnung des Volumenbedarfs entwickelt, wovon vor allem die Baxter-Parkland Formel noch heute Aktualität besitzt. Baxter-Parkland- Formel: 4ml/kg KG x % VKOF/ 24 Stunden, davon die Hälfte in den ersten 8 Stunden (7).
Ab den 1990er Jahren konnte man in der präklinischen Versorgung hingegen eine regelmäßige Überinfusion mit gravierenden Folgen für die Patienten durch die Rettungsdienste sehen. Im Vergleich zum Polytrauma-Patienten bleibt der Verbrennungspatient in den ersten Stunden nach dem Unfall jedoch stabil und eine Überinfusion ist hier obsolet. Für die Präklinik einfach zu merken und anzuwenden ist die „Rule of 10“. Man schätzt hierzu die verbrannte Körperoberfläche in Prozent ein und rundet immer auf den nächsten Zehner auf (z. B.: 15 auf 20 oder 23 auf 30). Dann multipliziert man das Ergebnis mit 10 ml Infusionslösung und erhält den Bedarf für die erste Stunde. Einschränkend ist allerdings das Körpergewicht zu erwähnen, da die Formel für ein Körpergewicht von 40-80 kg gilt. Über 80 kg werden pro 10 kg Mehrgewicht 100 ml Flüssigkeit addiert (Tab. 4) (4).
Unterschätztes Inhalationstrauma (IHT)
Die Haupttodesursache bei Verbrennungspatienten ist häufig nicht die Verbrennung an sich, sondern das Inhalationstrauma. Unterschieden werden thermisches IHT (Hitzewirkung), chemisches IHT (Reizung durch Brandgase) und das systemische IHT (Kohlenmonoxid und Blausäure). Bei den Anschlägen des 11. September 2001 in New York hatte die Hälfte der Patienten ein IHT (13). Die Häufigkeit der IHTs nimmt zu. Gründe hierfür liegen in der modernen Bauweise und den verwendeten Materialen, die im Vergleich zu Hölzern und natürlichen Rohstoffen erheblich heißer und schneller verbrennen (6).
Im eigenen Patientengut hatten 10-20 % der Patienten in den letzten 5 Jahren ein IHT. Vor allem bei Brand in geschlossenen Räumen muss bis zum Beweis des Gegenteils an ein IHT gedacht werden. Die Therapie richtet sich nach der Symptomatik: Großzügige Sauerstoffgabe, großzügige Indikationsstellung zur Intubation. Da das Kohlenmonoxid mit einer bis zu 300fach höheren Bindungskapazität im Vergleich zum Sauerstoff diesen vom Hämoglobin verdrängt (Säuglinge 600fach), muss bei fehlender Oxygenierung auch eine Überdruckbehandlung mit Sauerstoff in Betracht gezogen werden. In unserem Kammerbereich besteht an der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eine entsprechende Möglichkeit. Bei kreislaufinstabilen Patienten muss neben Begleitverletzungen immer auch an eine Cyanidgasinhalation gedacht werden. Cyanidgas hemmt die Atmungskette. Es entsteht bei der Verbrennung von Kunststoffen. Als Antidot ist das Hydroxycobalmin (Cyanokit) bereits an der Unfallstelle indiziert. Der Einsatz des Cyanokits ist allerdings in Deutschland ein „off-label-use“, verspricht aber als einziges Antidot beim Verbrennungspatienten mit geringem Nebenwirkungsprofil Erfolg. Einschränkend ist allerdings, dass der Patient für eine erfolgreiche Therapie keinerlei Restalkohol im Blut haben darf. Hydroxycobalamin bildet Komplexe mit dem Cyanid, welche über den Urin ausgeschieden werden.
Die chirurgische Therapie von Verbrennungswunden
Nach der bereits präklinisch begonnenen Therapie mit Stabilisierung der Vitalparameter des Patienten und dem Ausschluss weiterer im Vordergrund stehender Verletzungen im Rahmen einer eventuellen Schockraumdiagnostik, schließt sich das erste chirurgische Prozedere im Aufnahmebad an. Im Therapiebad wird ein Sofortdébridement der abgelösten Hautschichten mit sterilen Bürsten und Kompressen durchgeführt. Dem Risiko des Untergangs von Hautanhangsgebilden und der übermäßigen Bildung von Granulationsgewebe wird so entgegengewirkt. In Abhängigkeit vom Verbrennungsausmaß erfolgt eine Ganzkörperrasur, da von den Haaren ein potenzielles Infektionsrisiko ausgeht. Die gesamte verbrannte Körperoberfläche wird computergestützt (Burn Case®) und mit Hilfe der Neunerregel nach Wallace erfasst. Anhand der errechneten Körperoberfläche wird dann das Volumenmanagement angepasst.
Im Anschluss an das Sofortdébridement muss eine suffiziente Wundbedeckung durch Hautersatzmaterialien oder antiseptische Verbände erfolgen. Hautersatzmaterialien lassen sich in drei Kategorien einteilen:
- Temporärer Hautersatz (z. B. Schweinehaut, Biobrane®),
- semipermeabler Hautersatz (Leichenhaut, Integra®, Suprathel®),
- permanenter Hautersatz.
Temporäre Hautersatzmaterialien werden vom Körper komplett abgestoßen, während temporäre Hautersatzmaterialien zum Teil eingebaut bzw. vom Körper ersetzt werden. Jeglicher autologe Hautersatz verbleibt in der Regel permanent (3). Verbrennungen mit Grad 2a, vor allem an gut durchbluteten Körperregionen wie dem Gesicht, werden bereits im Aufnahmebad mit temporären Hautersatzmaterialien bedeckt (z. B. Suprathel®) (10). Hier ist im weiteren Heilungsverlauf mit einer narbenfreien Epithelisierung zu rechnen. Ab Grad 2b behandeln wir Verbrennungen mit antiseptischen Feuchtverbänden getränkt in Polyhexanid-Lösung (Serasept®). Da bei zirkulären 3° Verbrennungen infolge der lederartigen Konsistenz der Haut mit Einschnürungen von Extremitäten aber auch an Thorax und Abdomen mit einem konsekutiven Kompartmentsyndrom zu rechnen ist, müssen hier häufig zusätzliche Escharotomien (kutane Entlastungsschnitte) durchgeführt werden. Nach zwei bis vier Tagen (Abklingen der Ödemphase) werden alle Verbrennungswunden hinsichtlich eines „Nachtiefens“ nochmals reevaluiert und das weitere chirurgische Prozedere festgelegt. 2a-gradige Verbrennungen werden bei infektfreiem Verlauf mit Hydrokolloidverbänden okklusiv therapiert, bis eine gesicherte Epithelisierung vorliegt. Bei tieferen Verbrennungswunden müssen chirurgische Maßnahmen folgen. Die autologe Spalthauttransplantation ist der Goldstandard für tangentiel nekrektomierte (2b°) oder epifaszial nekrektomierte (3°) Verbrennungswunden (Abb. 6). Je nach Lokalisation werden die Spalthäute gemesht oder ungemesht als Sheets aufgebracht. Mit der konventionellen Mesh-Technik lassen sich die Transplantate bis auf das 1:6-Fache expandieren. Bei sehr großflächigen Verbrennungsarealen (60 % VKOF Erwachsene, 45 % VKOF Kinder) mit geringen Spenderarealen kommen zudem Spalthauttransplantate, welche in der MEEK-Technik bis auf das 9-Fache expandiert werden können, zur Anwendung. Hierbei wird die entnommene Spalthaut auf Korkplatten aufgebracht und mittels eines speziellen Dermatoms in 2 x 2 mm große Hautinseln geschnitten. Auf speziellen Textilien aufgebracht, werden diese dann samt dem Textil auf die Haut transplantiert (Abb. 7 a, b) (14).
Großexpandierte Hauttransplantate, sei es in Technik nach Meek als auch Spalthauttransplantate im Verhältnis 1:6, werden nochmals in der sogenannten Sandwich-Technik mit temporären Hautersatzmaterialien wie Fremdhaut, Schweinehaut oder alloplastischen Hautersatzmaterialien bedeckt, um die Schutzfunktionen der Haut aufrecht zu erhalten. Allogene, xenogene und alloplastische Verfahren sind nicht nur im Rahmen der Sandwich-Technik wichtige Techniken zur Wundbedeckung, sondern auch bei unzureichenden Spenderarealen. Seit der klinischen Erstbeschreibung 1981 (15) haben sich auch in-vitro-Methoden zur Herstellung von Keratinozytensheets und Sprühsuspensionen in Speziallabors etabliert. Der Nachteil liegt je nach benötigter Menge in der verzögerten Verfügbarkeit von 2 und 3 Wochen und den erheblichen Kosten des Verfahrens (18).
Ausblick
Die aktuelle Forschung geht zurzeit dahin, dass die Haut enzymatisch in ihre Bestandteile zersetzt wird und, auf Kollagen gebettet, eine vollständig neue Haut entsteht. Die klinische Prüfung hierzu steht allerdings noch aus (12).
Für 2b-3° Vebrennungswunden sind mit NexoBrid™ mittlerweile auch Produkte verfügbar, die ein selektives enzymatisches Débridement des Verbrennungseschars ohne Schädigung der Resthaut versprechen (17). Die zeitliche, personelle und finanzielle Belastung ist allerdings kritisch zu sehen. Unsere eigenen Erfahrungen zeigen zudem, dass der Wundgrund häufig nicht ausreichend mit NexoBrid™ débridiert wird. Der große Vorteil liegt allerdings in der deutlichen Bluteinsparung im Vergleich zur operativen Therapie.
Zusammenfassung
Verbrennungswunden müssen je nach Flächenausdehnung, Tiefe und Lokalisation einem spezialisierten Zentrum zugewiesen werden. Bereits in der Präklinik führen ein adäquates Temperatur- und Volumenmanagement zu einem deutlich verbesserten Outcome der Patienten. Die frühzeitige operative Therapie zur Vermeidung von Infektionen und Narbenkomplikationen stellt heute die Therapie der Wahl dar. Bei großflächigen Verbrennungen kommen neben den Standardverfahren der Spalthauttransplantation nach Débridement allogene, xenogene und auch alloplastische Verfahren zur Anwendung. Bereits jetzt stehen Verfahren zur Zellzucht zur Verfügung. Die aktuelle Entwicklung geht dahin, dass komplette Hautschichten aus einzelnen Hautzellen und Hautbestandteilen in der Zukunft labortechnisch hergestellt werden können.
Korrespondenzanschrift:
Dr. med. Kristian Weißenberg
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Foto (1-4): Klinik für Plastische und Handchirurgie,
BG Klinikum Bergmannstrost Halle
Fotos (5a, 5b): privat
Fotos (6, 7a, 7b): Klinik für Plastische und Handchirurgie,
BG Klinikum Bergmannstrost Halle
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