
(Foto: Helios Bördeklinik)
Peter Rauh1, Sven Kolfenbach1, Daniel Ensberg1, Peter Bönicke2, Slavomir Sielecki2, Steffen Rickes1
Helios Bördeklinik, Kreiskrankenhaus 4, 39387 Oschersleben-Neindorf
1 Klinik für Innere Medizin
2 Abteilung für Radiologie
Einleitung
Unspezifische Bauchbeschwerden sind ein häufiges Symptom, mit dem sich Patienten beim Arzt vorstellen. Oft sistieren sie spontan, ohne dass eine genaue Diagnose erhoben wird. Mit dem vorliegenden Fall eines Asylbewerbers aus Eritrea soll gezeigt werden, dass auch in unserer Region seltene Erkrankungen – wie die Tuberkulose – mit in die differentialdiagnostischen Überlegungen bei unspezifischen Bauchbeschwerden einbezogen werden sollten, vor allem wenn die Patienten aus Risikogebieten für Tuberkulose stammen.
Kasuistik

Ein 31-jähriger, männlicher Asylbewerber aus Eritrea stellte sich innerhalb von 6 Monaten – im Abstand von mehreren Wochen – dreimal wegen „diffusen Druckgefühls im gesamten Bauch und vorübergehenden Erbrechens“ im Krankenhaus vor. Er befand sich seit 3 Jahren in Deutschland. Trotz Hinzuziehens eines Dolmetschers war eine Anamnese aufgrund der Sprachbarriere nur eingeschränkt möglich.
Die klinischen Untersuchungen verliefen unauffällig, der Bauch war weich. Als einzige Auffälligkeiten fanden sich bei den ersten beiden Vorstellungen eine leichte Erhöhung der Thrombozytenzahl (maximal 353 Gpt/l, Norm 146 - 328) sowie des C-reaktiven Proteins (maximal 36,7 mg/l, Norm < 5). In der Abdomensonographie waren bei den primären Vorstellungen keine pathologischen Auffälligkeiten zu erheben. Der Patient wurde mit den Diagnosen „gastrointestinaler Infekt“ und „Somatisierungsstörung“ entlassen.
Bei der dritten Vorstellung des Patienten war zusätzlich zu den oben beschriebenen Beschwerden Fieber zu eruieren, bei Aufnahme betrug die Temperatur 38,9 °C. Zudem gab der Patient einen Gewichtsverlust von 10 kg seit der letzten Vorstellung an. Laborchemisch fanden sich jetzt ein deutlich erhöhtes C-reaktives Protein (166,8 mg/l, Norm < 5), eine mikrozytäre Anämie (Hämoglobin: 7,0 mmol/l, Norm 8,4 – 11,1; MCV: 76,7 fl, Norm 80 - 96) sowie eine Hypalbuminämie (28,1 g/l, Norm 35 - 53).

In der Ultraschalluntersuchung des Abdomens (Abbildung 1) konnte im Gegensatz zur Untersuchung vor 6 Monaten mäßig Aszites nachgewiesen werden. Zusätzlich zeigten sich auf dem Peritoneum feine echoarme Auflagerungen. Im verdickten Mesenterium fanden sich zudem diffus verteilte, von der Anzahl her vermehrte Lymphknoten mit einem maximalen Durchmesser von 1 cm.
Unter Berücksichtigung der Herkunft des Patienten wurde die Verdachtsdiagnose einer peritonealen Tuberkulose mit chronischer Peritonitis, Lymphadenitis und Mesenteritis gestellt. Differentialdiagnostisch wurde eine Peritonealkarzinose in Erwägung gezogen. In der Computertomographie des Abdomens (Abbildung 2) zeigten sich analoge Befunde zur Sonographie. Hinweise auf eine pulmonale Tuberkulose fanden sich radiologisch nicht. Der Patient wurde in eine infektiologische Klinik verlegt. Dort konnte die peritoneale Tuberkulose im Aszites mikrobiologisch-kulturell bestätigt werden. Der Patient erhielt eine tuberkulostatische Therapie mit Ethambutol, Rifampicin, Isoniazid und Pyrazinamid.
Diskussion

Die Tuberkulose ist die Infektionskrankheit, an der auf der gesamten Welt mit 1,3 Millionen pro Jahr die meisten Menschen versterben. Weltweit sind 10 Millionen Personen infiziert. Dabei entfallen zwei Drittel der Infektionen auf Südostasien und Afrika. Nur 3 % der Erkrankungsfälle sind in Europa zu verzeichnen. Das mit 80 % am häufigsten betroffene Organ ist die Lunge. In 11 % finden sich Infektionen im Bauchraum.[1-3]
Die Ärzte in Deutschland werden durch die Migration aus Entwicklungsländern zunehmend mit Infektionserkrankungen konfrontiert, die hierzulande selten oder gar nicht auftreten. Sprachbarrieren und der mögliche Verdacht auf eine Simulation des Patienten – um einer drohenden Abschiebung zu entgehen – erschweren die Diagnostik dieser Erkrankungen zusätzlich.
Mit dem vorliegenden Fall soll darauf hingewiesen werden, dass man auch die abdominelle Manifestationsform einer Tuberkulose – insbesondere bei Patienten aus Risikoländern – mit in die Differentialdiagnostik von unspezifischen Bauchbeschwerden einbeziehen sollte.
Bildgebend zeigen sich bei der Peritonealtuberkulose – in Übereinstimmung mit einer kürzlich erschienenen Publikation aus Japan[4] – ein nicht anderweitig zu erklärender Aszites mit feinen peritonealen Auflagerungen sowie ein zahlenmäßig vermehrter Lymphknotenbesatz im verdickten Mesenterium. Diese Befunde sind Folge einer chronischen Entzündung des Peritoneums, der Lymphknoten sowie des Mesenteriums und verantwortlich für rezidivierende Bauchbeschwerden, Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl. Die peritoneale Reizung kann durch Absonderung von entzündlichen Substanzen, wie z. B. Fibrin, auch zu einer in der Bildgebung nachweisbaren „Septierung“ des Aszites führen.

Allerdings scheinen alle genannten Zeichen erst im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium aufzutreten, da im vorliegenden Fall bei den früheren Vorstellungen des Patienten die Ultraschalluntersuchung des Bauchraums noch unauffällig war. Zudem sind die bildgebenden Veränderungen unspezifisch und können auch bei anderen infektiösen, malignen oder entzündlichen Prozessen auftreten. Entscheidend für die korrekte differentialdiagnostische Zuordnung der bildgebenden Befunde ist die Berücksichtigung der Anamnese – dabei insbesondere der Herkunft – und der Klinik.
Der transabdominellen Sonographie kommt in der Diagnostik der peritonealen Tuberkulose eine besondere Bedeutung zu, da sie breit und schnell verfügbar ist. Die röntgenologischen, mikrobiologischen und laborchemischen Untersuchungen werden komplementär eingesetzt. Eine weiterführende Diagnostik sollte bei Verdacht auf eine abdominelle Tuberkulose in spezialisierten Zentren erfolgen. So kann auch das Risiko einer Übertragung der Tuberkulose auf andere Menschen minimiert werden.[1]
Literatur
- Global tuberculosis report 2018. Geneva: World Health Organization; 2018. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO.
- Lee JY. Diagnosis and treatment of extrapulmonary tuberculosis. Tuberc Respir Dis 2015;78:47–55.
- Rathi P, Gambhire P. Abdominal tuberculosis. Assoc Physicians India 2016;64:38–47.
- Okamoto K, Hatakeyama S. Tuberculous Peritonitis. N Engl J Med 2018; 20;379:e20. doi: 10.1056/NEJMicm1713168.
Fotos: Helios Bördeklinik
Korrespondenzadresse:
apl. Prof. Dr. med. habil. Steffen Rickes
Helios Bördeklinik, Klinik für Innere Medizin
Kreiskrankenhaus 4
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