
Kurzreview auf Basis einer systematischen Literaturrecherche (#)
(#) Das Manuskript wird Herrn Prof. Helmut Zühlke gewidmet.
Barth U., Meyer F.*, Halloul Z.*
Aus dem Arbeitsbereich Gefäßchirurgie, Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie,
Universitätsklinikum Magdeburg A.ö.R., Magdeburg
*) Die Autoren sind gleichberechtigte „senior authors“.
Einleitung
Polyester Polyethylenterephthalat (Dacron) wird seit seiner Einführung 1957 als Gefäßersatz verwendet (20). Im Allgemeinen wird in gewebte und gestrickte Prothesen untergliedert. Gewebte Prothesen werden wegen der Festigkeit im Brust-/Bauchbereich und gestrickte Dacron-Prothesen im Abdomenbereich und peripheren Gefäßen verwendet. Die Begriffe „Weave Knit, Double Velor, Reverse Locknit oder Tricot Knit“ stehen für die jeweilige Art der Stricktechnik und Führung der Fäden in Strickprothesen.
In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde häufig die gestrickte Dacron-Prothese mit Kollagenbeschichtung, mechanischer Aufrauhung und eingearbeiteten Velourfäden im femoro-poplitealen Bereich zur Rekonstruktion im Rahmen der operativen Behandlung einer pAVK eingesetzt. Bei langfristiger Anwendung von Dacron-Gefäßtransplantaten in peripheren Gefäßen ist eine Veränderung des Prothesenmaterials möglich. Die Gründe können multifaktoriell sein: Hydrolyse, Erosion, Klemmung oder Beschädigung während des Herstellungsprozesses (14). In seltenen Fällen kann dies zu nicht-anastomotischen Prothesenaneurysmen, d. h. Aussackungen der Prothese außerhalb des Anschlussbereiches an das Originalgefäß, mit Komplikationen einer Ruptur oder einem Bypassverschluss durch Thrombuswanderung führen.
Ziel des Manuskript ist es, anhand des folgenden kompakten Mini-Reviews den langfristigen Einsatz von Dacron-Prothesen mit der Komplikation eines nicht-anastomotischen Aneurysmas und seiner geeigneten Therapie sowie die Analyse der einschlägigen Literatur seit 1995 vorzustellen.
Material und Methoden
Aus Anlass der zu erstellenden wissenschaftlichen Kompaktübersicht erfolgte eine systematische Literaturrecherche ab dem Jahr 1995 bis 2016 in PubMed® unter folgenden Begriffen:
- aneurysm
- Dacron
- polyester
- graft
Daraus ergaben sich 321 Quellen. Zusätzlich wurde eine Handsuche in der Bibliographie der ausgewählten Publikationen durchgeführt.
Im Vordergrund standen englisch- und deutschsprachige Publikationen über Aneurysmen von Polyesterprothesen, die im peripheren Bereich eingesetzt wurden (femoro-popliteal, axillo-femoral oder Prothesenschenkel von aorto-bifemoralen Bypässen). Ausgeschlossen wurden Studien, die über Aneurysmen in aortalen und anderen nativen Gefäßen berichteten. Aufgrund der Seltenheit der prothetischen Aneurysmen wurden Fallberichte und retrospektive Studien favorisiert, so dass insgesamt 20 Publikationen über nicht-anastomotische Aneurysmen in peripheren, aorto-femoralen/bifemoralen Dacron-Prothesen schließlich in die Bewertung einbezogen wurden. Epidemiologische, medizinhistorische, klinische, differenzial-diagnostische, therapeutische, frühpostoperative „Outcome“-Merkmale, morphologische und histologische Daten sowie „Follow-up“-basierte, aufgezeichnete prognostische Aspekte wurden berücksichtigt. Insgesamt 32 Fälle von prothetischen Aneurysmen (n=31 Patienten) wurden ausgewertet.
Die statistische Analyse wurde durch Erfassung der absoluten und prozentualen Häufigkeiten der Merkmale sowie der mittleren Zeit des Prothesenverbleibs in situ bis zum zuverlässigen Nachweis eines Aneurysmas durchgeführt.
Ergebnisse und Diskussion

Die deskriptiv-statistische Analyse der ausgewerteten Literatur ergab die folgenden Ergebnisse, welche die Erfahrungen anderer Studien widerspiegeln. Die Liegezeit der Prothesen bis zum Nachweis der Aneurysmen betrug durchschnittlich 12,91 Jahre. Strukturelle Veränderungen der Polyester-Fasern in Form von Filamentveränderungen verschiedener Art mit Entstehung eines Pseudoaneurysmas wurden in 11 Studien beschrieben. Gestrickte Polyesterprothesen mit einfachen Velour- und doppelten Veloureigenschaften standen im Vordergrund der Aneurysmenbildung. Die Bedeutung von Fremdkörperriesenzellen und Entzündungszellen wurde in 6 Publikationen (6, 10, 13, 16, 20, 22) beschrieben. Das Auftreten von 2 Rupturen in der „Guideline“ (7, 16) scheint die Theorie einer Schwachstelle in der Führungslinie von Dieval et al. (4) zu bestätigen. Die Lage der Aneurysmen variiert, meist in der Mitte der Prothese (n = 8; 25 %) (3, 8, 9, 11-13, 20, 21), die eigentlich keine typische Klemmstelle ist. Eine Prothese im Oberschenkelbereich, wie auch die native Oberschenkelarterie, unterliegt bei der anatomischen Implantation einer besonderen mechanischen Belastung. Der Einfluss der äußeren Kompression durch starke Muskulatur und die faserige Aponeurose des Adduktorenkanals auf die oberflächliche Überquerung der Oberschenkelarterie wurde bereits als Ursache für Restenosen von Stents in der A. femoralis superfiscialis identifiziert (15). Diese komplexe mechanische Belastung könnte die Häufung der Prothesen-Degeneration im femoro-poplitealen Bereich erklären (Abb. 1).
Die Anzahl der chirurgischen Revisionen an den Bypässen (n = 7; 21,9 %) (1, 7, 10, 16, 20, 21) deutet ebenfalls auf einen iatrogenen Einfluss der Aneurysmenbildung hin, wie Miyake et al. (10) in ihrer Publikation postulierten.
Die Rekonstruktionsmöglichkeiten von nicht-anastomotischen Aneurysmen in Dacron-Prothesen reichen von der vollständigen Entfernung und Neuanlage (n = 11; 34,38 %) über die Resektion bis hin zur interventionellen und endovaskulären Therapie (n = 2; 6,25 %). In den meisten Fällen wurde das entsprechende Aneurysma entfernt und durch eine neue Dacron-Prothese ersetzt.

Die Resektion des Aneurysmas und der Ersatz des Prothesensegments ist ein relativ schnell auszuführender Eingriff mit geringem Weichteiltrauma (Abb. 2, 3). Das potenzielle Risiko eines Wiederauftretens eines zweiten oder mehrerer Aneurysmen mit dem Bedarf an weiteren Revisionen in der veränderten Prothese bleibt jedoch bestehen, da neben 21 (65,6 %) einzelnen Nicht-Anastomosenaneurysmen bei 6 Fällen (18,8 %) multiple Aneurysmen, bei 3 (9,38%) Fällen 2 Aneurysmen und jeweils bei 1 Fall (3,12 %) 3 und 4 Aneurysmen beschrieben wurden.
Auch die vollständige Entfernung der Dacron-Prothese mit anschließender Implantation eines neuen Bypasses hat ihre Bedeutung, da bei der beschädigten Prothese die Bildung weiterer Aneurysmen zu erwarten ist und der Patient vor weiteren wiederkehrenden Eingriffen geschützt werden kann. Der chirurgische Aufwand mit möglichen Komplikationen wie Blutverlust und Weichteiltrauma ist deutlich höher.

Die endovaskuläre Reparatur der Aneurysmen stellt ebenfalls eine elegante und patientenfreundliche Alternative dar. In den untersuchten Fällen (2, 11) wurde eine Talent®-Stentgraft-Prothese (Medtronic, Minneapolis/MN, USA) verwendet. Ofer et al. (11) verwendeten ein 16x130-mm-Stent-Transplantat, das nach der Arteriotomie mit einem 22-Fr.-Introducer in die native Oberschenkelarterie eingebracht wurde. Damit sich der Stent gut an die Arterie anpassen konnte, wurde der Stent-Durchmesser mit 15% überdimensioniert, so dass das Aneurysma ohne Endoleak ausgeschlossen werden konnte. Im Fall von Alexandrescu et al. (2) wurde das Aneurysma nach Freilegung und Punktion der Oberschenkelarterie erfolgreich mit einer konischen aorto-uni-iliakalen 24x14-mm-Stentgraftprothese verschlossen.
Die endovaskulären Verfahren mit der Möglichkeit einer Therapie in Lokalanästhesie eignen sich am besten für Patienten mit schweren Komorbiditäten und hohem chirurgischen Risiko. Generell wird nach mehr als 10 Jahren Implantationsdauer eine genaue Beurteilung eines Prothesenbypasses in ganzer Länge (mittels klinischer Untersuchung und Duplex-Sonographie, ggf. als ergänzende Maßnahmen zur CT-/MR-Angiographie) empfohlen. Erkannte Aneurysmen sollten anschließend frühzeitig behandelt werden.
Zusammenfassung
Nicht-Anastomosenaneurysmen von Dacron-Prothesen in rekonstruierten peripheren Arterienabschnitten sind selten und treten am häufigsten nach mehr als 10 Jahren Implantationsdauer auf, so dass diese Komplikation nach dieser Zeitspanne ernsthaft in Betracht gezogen werden sollte. Die Ursache ist in der Regel die Bildung eines Pseudoaneurysmas durch strukturelle Defekte im Dacrongewebe (z. B. multiple Filamentveränderungen). Die komplexe mechanische Beanspruchung von Bypässen im femoro-poplitealen Bereich könnte hier die Akkumulation der Prothesen-Veränderungen mit Bildung von prothetischen Aneurysmen erklären. Revisionschirurgie und iatrogene chirurgische Einflüsse scheinen eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. Das Auftreten weiterer Aneurysmen im strukturell geschwächten Dacrongewebe ist zu erwarten, was bei der Wahl der Rekonstruktionsmethode berücksichtigt werden sollte. Die endovaskuläre Therapie bietet eine patientenfreundliche Alternative, insbesondere bei signifikanten Komorbiditäten.

Literatur
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Prof. Dr. med. habil. F. Meyer
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