
Foto: Fotostelle Uniklinik Magdeburg
Wolff, Stefanie*; Croner, Roland*
*Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäßchirurgie und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R.
Einleitung
Seltene parasitäre und mikrobielle Systemerkrankungen können zu abdominellen Manifestationen führen. Die Echinokokkose ist ein Beispiel dafür. Die Echinokokkose ist in Deutschland eine relativ seltene Erkrankung. Das Robert-Koch-Institut registrierte für 2018 etwa 140 gemeldete Fälle, wobei von einer nicht quantifizierbaren Untererfassung ausgegangen wird (3). In der vorliegenden Arbeit geht es um die Diagnostik und die Therapie bei der abdominalen Echinokokkose.
Epidemiologie
Zu unterscheiden sind die zystische Echinokokkose durch den Hundebandwurm (E. granulosus) und die alveoläre Form verursacht durch den Fuchsbandwurm (E. multilocularis). Der Hundebandwurm ist weltweit verbreitet, während der Fuchsbandwurm hauptsächlich in Südeuropa beheimatet ist. Die Ausbreitungswege, die Pathogenese und Parasitenbiologie sind allgemein bekannt (10). Die Übertragung erfolgt über die Aufnahme von Eiern, die dann im Magen aktiviert werden. Über das portalvenöse Blut gelangen die Larven dann zu 90 % in die Leber und rufen die typischen zystischen Formationen hervor. Reiseaktivitäten in Endemiegebiete, in denen z. B. die Schaf- und Rinderhaltung eine große Bedeutung hat, könnten eine Rolle spielen. Die überwiegende Zahl der heute betroffenen Patienten sind Personen mit Migrationshintergrund, die sich im Herkunftsland infiziert haben. Die Infektionsgefahr besteht, wo unter schlechten hygienischen Bedingungen Kontakte zum infizierten Haupt- und Zwischenwirt vorhanden sind. Der Kontakt zu infizierten Tieren (Forst- und Landwirtschaft) ist grundsätzlich ein Infektionsrisiko und bedarf der Überwachung. Länder, in denen die Tierhaltung seit einigen Jahren nicht mehr unter staatliche Kontrolle gestellt wird, verzeichnen einen erheblichen Anstieg an Echinokokkenbefall bei Tieren. Eine wichtige Präventionsmaßnahme zur Vermeidung einer Echinokokkose ist eine entsprechende Hygiene im Umgang mit Tieren. Für alle diagnostizierten Fälle besteht eine Meldepflicht.
Symptomatik und Verlauf

Unspezifische, abdominelle Beschwerden, Bauchschmerzen, Fieber, Gallenwegskompression mit Ikterus, zystobiliäre Fisteln oder eine sekundäre Leberzirrhose führen zur Vorstellung des Patienten beim Gastroenterologen oder beim Viszeralchirurgen. 90 % der primären Herde befinden sich in der Leber. Ein hämatogener Befall des Myokards, des Gehirns und der Lungen kann vorkommen. Bakterielle Sekundärinfektionen und Leberabszesse sind möglich (8). Rupturiert eine Zyste (Spontanruptur, Trauma oder während einer Operation) kommt es zur Aussaat von Tochterzysten ins Peritoneum (Abb. 1) oder in die Pleura (Abb. 2). Ein infiltratives Wachstum (alveolärer Echinokokkus) und eine lymphogene Streuung führen zur Leberdestruktion und zum Befall weiterer Organe. Unbehandelt verläuft die Erkrankung progredient und letal (2). Der klinische und bildgebende Befund imponiert bei einer Echinokokkus multilokularis-Infektion der Leber oft wie Metastasen oder ein cholangiozelluläres Karzinom.
Diagnostik

Eine exakte Differenzierung zwischen der zystischen und alveolären Echinokokkus-Erkrankung ist für die Therapie absolut notwendig. Die Diagnostik der zystischen Echinokokkose erfolgt bildgebend (6). Mit einer ultraschallbasierten Klassifikation gelingt eine Einteilung in aktive und inaktive Zysten (1,10). Meist sind die Zysten scharf begrenzt und weisen eine unterschiedliche Dichte auf. Sie sind oft unilokulär, zu 70 % im rechten Leberlappen und können eine Größe von über 20 cm erreichen. Verkalkungen und typische Septierungen sind nachweisbar (Abb. 3). Die Zystenwand ist etwa 5 mm dick und besteht aus einer externen Membran und einer internen Wachstumsschicht, die auch die Zystenflüssigkeit und die Tochterzysten produziert. Die interne Zystenstruktur ist potentiell infektiös.
Die Bildgebung (CT, MRT) zeigt bei der alveolären Echinokokkose weniger gut abgrenzbare, kleinzystische Tumore mit unterschiedlicher Dichte. Eine serologische Untersuchung (ELISA, Immunoplot, PCR) ist für beide Formen zur sicheren Diagnostik und bei unklaren zystischen Läsionen der Leber obligat. Dabei können je nach Stadium seronegative Verläufe vorkommen. Nur in ca. 15 % der Fälle liegt eine Eosinophilie vor (7).
Therapie

Die Behandlungsstrategie sollte interdisziplinär abgestimmt werden. Die Behandlungsempfehlungen richten sich nach der Größe, der Organlokalisation sowie den Symptomen und Zystenkomplikationen. Kalzifizierte, kleine, symptomfreie Zysten benötigen keine Therapie (Watch-and-wait-Prinzip). Wenn die bildgebende und serologische Kontrolle eine Größenzunahme oder einen Titeranstieg darstellen, kann die Resektion indiziert sein. Unilokuläre oder disseminierte Formen werden primär medikamentös mit Albendazol behandelt. Dieses Medikament hat die höchste Aktivität gegenüber den Larvenstadien beider Erkrankungen. Alternativ kann Mebendazol, das nur parasitostatisch wirkt, eingesetzt werden. Beide Medikamente sind hepatotoxisch und sollten nur bei stabiler Leberfunktion eingesetzt werden. Ist eine chirurgische Therapie nicht möglich, muss Albendazol als Dauertherapie verordnet werden. Nur für die zystische Echinokokkose ist Praziquantel als Medikament zugelassen. Das Verfahren der Wahl bei dieser Erkrankung ist die chirurgische Entfernung der infektiösen Elemente der Zyste aus der Leber, der Verschluss der Resektionshöhle und die Verhinderung potentieller Komplikationen und des Rezidivs. Ca. 4 Wochen vor der chirurgischen Therapie beginnen wir eine Albendazoltherapie, die bis 2 Jahre nach der kompletten Resektion weitergeführt werden sollte (4). Bei Zysten bis zu einer Größe von 7-8 cm kann die transkutane oder laparoskopische Punktion, Absaugung, Instillation einer hypertonen Kochsalzlösung (10 %), Glukoselösung (40 %) oder Alkohol (90 %ig) für 5 Minuten und Reaspiration erfolgen. Diese Zeit reicht aus, um die noch vorhandenen Parasiten in der Zyste zu inaktivieren.
Sollte Galle bei der Punktion aspiriert werden, besteht offenbar eine zystobiliäre Fistel. Die Instillation von Alkohol oder hypertoner Kochsalzlösung kann eine toxische Cholangitis auslösen. Deshalb kann diese Methode der Zystenavitaliserung dann nicht angewendet werden. Zur Entfernung von Zysten kann die anatomische Leberteilresektion eine lebersparende Perizysektomie oder die subadventiale Perizystektomie durchgeführt werden. Bei der letzten werden die Exozyste und die Adventitia getrennt. Die chronische, nicht infektiöse Entzündungsschicht verbleibt an der Resektionsfläche. Sie schützt als Widerlager vor der gefürchteten Komplikation der Gallefisteln (5).

Bei der operativen Therapie der alveolären (multizystischen) Echinokokkose ist die Resektion die beste kurative Behandlung. Die Vorgehensweise ähnelt der operativen Metastasen- und Tumortherapie. Bei der fortgeführten Albendazol-Therapie kann der Sicherheitsabstand zum gesunden Lebergewebe weniger als 1 cm sein. Intraoperativ ist der Operationsbereich so zu separieren, dass keine Verbreitung von Parasiten möglich ist. Besteht ein Kontakt zum Leberhilus oder eine Infiltration der Gallenwege, so sind anspruchsvolle Resektionen und Rekonstruktionen erforderlich. Bei einem nicht resezierbaren Befall der Leber mit einer parasitenbedingten sekundären Cholangitis kann eine Lebertransplantation erforderlich werden. Die Ergebnisse zeigen ein gutes Langzeitüberleben (7).
Eingriffe bei Patienten mit einer Echinokokkose haben das spezielle Risiko einer anaphylaktischen Reaktion, auf die der Anästhesist vorbereitet sein muss. Intraoperativ muss das Gewebe um den Zystenresektionrand besonders geschützt werden. Bei einer Zysteneröffnung und einem Kontakt von gesundem Gewebe mit dem Zysteninhalt besteht eine hohe Rezidiv- und Ausbreitungsgefahr für die Bauchhöhle. Deshalb ist die Instillation von hyperosmolaren Lösungen (10 % hypertone NaCl-Lösung oder 40 % Glukoselösung) und das Absaugen des Zysteninhaltes vor der Resektion zu empfehlen. Die einfache Entdachung einer vermeintlichen Leberzyste führt zur Aussaat noch lebensfähiger Parasiten mit einer Ausbreitung in der Peritonealhöhle mit katastrophalen Folgen (Abb. 1).
Nach der Zystenentfernung sind auch die kleinsten Gallengangsöffnungen zu verschließen. Gelingt dies nicht, können monatelange Gallefisteln die Folge sein. Die Leberechinokokkose erfordert Erfahrung und eine technische Ausrüstung der Leberchirurgie. Resektion oder lokale Exzision sind die chirurgischen Therapieoptionen (Abb. 4). In einer retrospektiven Studie von 145 Patienten in 8 Jahren mit aktiven oder komplizierten Echinokokkus-granulosus-Zysten konnte gezeigt werden, dass bei Befall des rechten Leberlappens eine Major-Leberresektion erforderlich werden kann. Bei der rechtsseitigen Hemihepatektomie traten signifikant mehr Komplikationen, wie Gallefisteln, intraoperative Zysteneröffnung mit 3 extrahepatischen und 18 intrahepatischen Rezidiven auf als bei isolierten Zystenentfernungen (4).
Zusammenfassung
Bei atypischen zystischen Leberbefunden sollte eine Echinokokkose ausgeschlossen werden. Die Diagnose wird durch Bildgebung und serologischen Nachweis von Antikörpern gestellt. Bei serologischem AK-Nachweis ist eine medikamentöse Vorbehandlung für 4 Wochen indiziert. Das Ausmaß der chirurgischen Therapie hängt von dem in der Bildgebung diagnostizierten Befund ab und kann je nach Befund von einer einfachen Zystektomie bis zur erweiterten Leberteilresektion reichen. Nach erfolgreicher chirurgischer Therapie wird eine medikamentöse Nachbehandlung für mindesten 2 Jahre empfohlen. Eine engmaschige Bildgebung zum Ausschluss eines Rezidivs sollte in den ersten 2 Jahren nach Operation erfolgen.
Literatur:
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- Ramia JM, Serrablo A, Serradilla M, et al. Major hepatectomies in liver cystic echinococcosis: A bi-centric experience. Retrospective cohort study Int.J Surg. 2018; 54;182-186
- Strohäker J, Nadalin S Diagnostik und Management der intraabdominellen Echinococcus-Manifestation. Chirurg 2019 90:823-832
- Stojkovic M, Hoffmann H, Mehrabi A et al. Diagnose und Therapie der Echinokokkosen. Dtsch med Wochenschr.2017, 142 ,1111-1116
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- Vogel M, Sauerbruch T in Gastroenterologie Band 2 (Thieme Verlag 2008).Seite 1347
- Weber F, Dralle H Abdominelle Manifestation mikrobieller und parasitärer Systemerkrankungen. Chirurg 2019 90 816-817
- WHO-Informal Working Group International classification of ultrasound images in cystic echinococcus for application in clinical and field epidemiological settings. Acta Trop 2003; 85:253-261
- Robert-Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 13.4.2017/Nr.15
Korrespondenzadresse
apl. Prof. Dr. med. habil. Stefanie Wolff
Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und
Transplantationschirurgie, Medizinische Fakultät,
Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R.
Leipziger Straße 44
39120 Magdeburg
Tel.: 0391/6715500
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