apl. Prof. Dr. med. H. Schmidt Foto: Klinikum Magdeburg gGmbH
apl. Prof. Dr. med. H. Schmidt Foto: Klinikum Magdeburg gGmbH

Westhus, A. 1, 2, Mittag, J. 1, Tautenhahn, J. 3, Binias-Wenke, C. 1, Melke, E. 1, Sudau, M. 1, Brunelli, M. 1, Schmidt, H. 1, 2

1 Klinik für Kardiologie und Diabetologie, Klinikum Magdeburg gGmbH
2 Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
3 Klinik für Gefäßchirurgie, Klinikum Magdeburg gGmbH


Einleitung

Die Herzinsuffizienz (HI) ist ein klinisches Syndrom mit den klassischen Symptomen Atemnot, Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Knöchelschwellungen, welche durch eine herabgesetzte Herzfunktion verursacht werden (1).
Die Prävalenz der HI ist abhängig vom Alter: mit höherem Lebensalter leiden mehr Patienten an dieser Erkrankung (2). So ergibt sich eine Jahresprävalenz von 6,9 % bei den 65- bis 69-Jährigen, eine von 24,3 % bei den 80- bis 84-Jährigen und bei den ≥ 95-Jährigen eine Jahresprävalenz von 47,2 % (2).

Die Einteilung der HI erfolgt in Stadien, welche für die Therapie von besonderer Bedeutung sind, und wird mit Hilfe der NYHA-Klassifikation durchgeführt. Das Stadium I ist weitgehend asymptomatisch, das Stadium II ist durch eine leichte Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bei starker Aktivität charakterisiert. Die NYHA-Klasse III ist gekennzeichnet durch einen Erschöpfungszustand bei bereits geringer körperlicher Anstrengung, im Stadium IV sind diese Beschwerden bereits in Ruhe zu registrieren. Die Mortalität ist hoch - die HI ist eine der häufigsten Todesursachen in der Bundesrepublik (2).

Das Behandlungsziel bei Herzinsuffizienzpatienten mit reduzierter Pumpfunktion („HFrEF“) ist die Verbesserung der Lebensqualität und die Verringerung der Mortalität (1). Hierfür stehen medikamentöse Verfahren wie z.B. die Therapie mit ß-Blockern, ACE-Hemmern bzw. AT-1 Antagonisten, Sacubitril/Valsartan, Spironolacton und Diuretika zur Verfügung (1).

Ist die medikamentöse Therapie jedoch nicht ausreichend, um die klinische Symptomatik des Patienten zu verbessern, können in speziellen Fällen Geräte zur Resynchronisation der elektrischen Kontraktilität des linken und rechten Ventrikels helfen („cardiac resynchronization therapy - CRT“). Die ventrikuläre Dyssynchronisation ist in der Regel durch eine signifikante Verbreiterung des QRS-Komplexes gekennzeichnet.


CRT-Geräte sind indiziert/können indiziert sein (1)

  • bei symptomatischen HI-Patienten im Sinusrhythmus mit einer QRS-Dauer ≥ 150 msec, Linksschenkelblock (LBBB – left bundle branch block)-QRS-Morphologie und einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) ≤ 35 % trotz optimaler medikamentöser Therapie (OMT),
  • bei symptomatischen HI-Patienten im Sinusrhythmus mit einer QRS-Dauer ≥ 150 msec, nicht-LBBB-QRS-Morphologie und einer LVEF ≤ 35 % trotz OMT,
  • bei symptomatischen HI-Patienten im Sinusrhythmus mit einer QRS-Dauer von 130 –149 msec, LBBB-QRS-Morphologie und einer LVEF ≤ 35 % trotz OMT,
  • bei symptomatischen HI-Patienten im Sinusrhythmus mit einer QRS-Dauer von 130 –149 msec, ohne LBBB-QRS-Morphologie und einer LVEF≤ 35 % trotz OMT,
  • bei trotz OMT symptomatischen (NYHA III–IV) Patienten mit LVEF ≤ 35 %, wenn Vorhofflimmern mit einer QRS-Dauer ≥ 130 msec besteht, vorausgesetzt, es existiert eine Strategie, um einen hohen biventrikulären Stimulations­anteil zu gewährleisten bzw. eine Konversion in einen Sinusrhythmus zu erzielen,
  • bei den Patienten mit HFrEF, die einen konventionellen Schrittmacher oder einen ICD erhalten haben und deren HI sich anschließend trotz OMT verschlechtert hat und die einen hohen Anteil einer RV-Stimulation aufweisen. Dies gilt nicht für Patienten mit stabiler Herzinsuffizienz.
  • Bei Patienten mit HFrEF, die - ungeachtet ihrer NYHA-Klasse - eine Indikation zur Kammerstimulation haben und gleichzeitig einen hochgradigen AV-Block aufweisen. Dies schließt Patienten mit AF ein.

Tab. 1: Charakteristika der Patienten
Tab. 1: Charakteristika der Patienten

Eine Kontraindikation für die kardiale Resynchronisations­therapie ist eine QRS-Dauer ≤130 ms (1).

Durch die Dyssynchronie der Ventrikel ist die Auswurfleistung des Herzens reduziert und die kardiale Mortalität steigt. Die „Resynchronisation“ wird mit Hilfe eines 3-Kammer-Schrittmachers (ggfs. mit Defibrillatorfunktion) durch gleichzeitige Stimulation der beiden Ventrikel erreicht (Abbildung 1). Zwei unterschiedliche Gerätetypen werden zur CRT-Implantation angewendet (2). Bei hochgradig reduzierter LVEF kommen v.a. CRT-D zum Einsatz (Geräte zur Resynchronisation mit gleichzeitiger Defibrillatorfunktion). Bei einem CRT-P handelt es sich um einen kardialen Schritt­macher mit Resynchronisationstherapiefunktion, der bei mäßig reduzierter LVEF und hohem ventrikulären Stimulationsanteil eingesetzt wird.

Implantationen von CRT-Geräten sind häufig kompliziert, lang anhaltend und teilweise vielschichtig, so dass es für den Patienten sowie den Operateur zu einer erheblichen Strahlen­exposition kommen kann (3). Eine lange Fluoroskopiezeit, einhergehend mit einer hohen Strahlenexposition, ist vor allem durch das oft komplexe Positionieren der linksventrikulären Elektrode gegeben (4).

Durch Anwendung der Röntgendiagnostik ergibt sich ein großer Teil der Strahlenexposition der Allgemeinheit, wobei die Gefahr zu erkranken auch bei Röntgendiagnostik schon durch eine kleine Strahlendosis gegeben ist (5). Typische langfristige Strahlenschäden sind beispielsweise die Entstehung von Mutationen, welche dann Jahre später Leukämien oder Karzinome verursachen können (5). Aus diesem Grunde ist wichtig, jede Möglichkeit der Reduktion der applizierten Strahlung zu nutzen.

Die neuartige „Medi-Guide®-Technologie“ (MGS) der Fa. Abbott (St. Paul, MN, USA), kann die Dauer der Fluoroskopie und damit die Exposition der Strahlung deutlich reduzieren (3). Das System ermöglicht eine extrem strahlenarme magnetbasierte Katheterführung im dreidimensionalen Raum. Dadurch ist der Implanteur in der Lage, den Koronarsinus zur Implantation der LV-Sonde virtuell dreidimensional darzustellen und zu intubieren.
In Deutschland sind nach Firmenangaben zum jetzigen Zeitpunkt ca. 10 Kliniken mit dem MGS ausgestattet. In der Klinik für Kardiologie und Diabetologie der Klinikum Magdeburg gGmbH wird seit 2017 eine solche Anlage betrieben.

 

Zielstellung

In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob die Verwendung des MGS in der berichtenden Klinik von Anfang an sicher und strahlensparend bei der Implantation von CRT-Geräten eingesetzt werden kann.

 

Abb. 1: Röntgen-Thorax pa postoperativ nach einer CRTP-Implantation mit dem MediGuide®-System (1) LV-Sonde, (2) RV-Sonde, (3) RA-Sonde, (4) CRTP, (5) EKG-Kabel auf Intensivstation CRTP = Schrittmacher zur kardialen Resynchronisationstherapie LV = linker Ventrikel RV = rechter Ventrikel RA = rechtes Atrium
Abb. 1: Röntgen-Thorax pa postoperativ nach einer CRTP-Implantation mit dem MediGuide®-System (1) LV-Sonde, (2) RV-Sonde, (3) RA-Sonde, (4) CRTP, (5) EKG-Kabel auf Intensivstation
CRTP = Schrittmacher zur kardialen Resynchronisationstherapie LV = linker Ventrikel RV = rechter Ventrikel RA = rechtes Atrium

Methodik

Im Zeitraum von 01/2018 bis 06/2019 wurden 20 konsekutive CRT-Implantationen ausgewertet, welche mit einem MGS ausgeführt wurden. Die Durchleuchtungszeit („Fluoroskopiezeit“), die Operations-(OP-)Dauer, die Erfolgsrate der Implantationen der CRT-Geräte sowie das Auftreten typischer Komplikationen der OP (Perikardtamponaden, tranfusionspflichtige Hämatome, Heilungsstörung an den Zugangslokalisationen, Notwendigkeit von Revisonsoperationen) wurden bei den ersten 20 Interventionen mit dem MGS in der Klinikum Magdeburg gGmbH ausgewertet
Die statistische Untersuchung wurde mit der Software SPSS 21 (IBM, NY, USA) durchgeführt. Die Gruppenvergleiche wurden mit dem T-Test initiiert (Signifikanzniveau p< 0,05).

 

Ergebnisse

Die Daten und Charakteristika der behandelten Patienten sind in Tabelle 1 dargestellt.

Abbildung 1 stellt eine Röntgen-Thorax-Aufnahme dar, auf der die postoperative Lage eines zuvor implantierten CRTP kontrolliert wird. Zu erkennen sind die linksventrikuläre Sonde sowie die rechtsventrikuläre und die rechtsatriale Sonde.

Abbildung 2 zeigt die zur Implantation benötigte Fluoroskopiezeit kumuliert über 5 konsekutive Operationen (die Operationen 1-5, 6-10, 11-15 und 16-20 wurden jeweils zusammengefasst und als Boxplot dargestellt). Es zeigt sich eine Abnahme der Durchleuchtungszeiten im Verlauf (p-Wert [1 vs. 4] = 0,04). Die p-Werte (1 vs. 2) und (1 vs. 3) betrugen 0,4 bzw. 0,1.

In Abbildung 3 sind die OP-Zeiten ebenfalls jeweils kumuliert als Boxplot dargestellt. Hier ergaben sich keine signifikanten Änderungen im Verlauf (p[1 vs. 2) = 0,4, p[1 vs. 3] = 0,6 und p[1 vs. 4] = 0,5).

Abb. 2: Durchleuchtungszeiten (in Sekunden, linke Achse) im Verlauf der Implantationen (immer fünf konsekutive Operationen wurden als Boxplot zusammengefasst). P-Wert (1vs. 4) = 0,04.

1= Operation 1-5,
2= Operation 6-10,
3= Operation 11-15,
4 = Operation 16-20
Abb. 3: Operationszeiten (in Minuten, linke Achse) im Verlauf der Implantationen (immer fünf konsekutive Operationen wurden als Boxplot zusammengefasst). P-Wert (1vs. 4) = 0,5.

1= Operation 1-5,
2= Operation 6-10,
3= Operation 11-15,
4 = Operation 16-20
Abb. 4: CRT-Implantation mit Hilfe des MediGuide®-Systems in einem Herzkatheterlabor der Klinikum Magdeburg gGmbH; Die gelben Linien auf den Bildschirmen stellen virtuelle Katheter in verschiedenen Projektionen dar, die blaue Box den Eingang des Koronarsinus.

 

Abbildung 4 stellt das Monitoring auf dem Bildschirm in einer Originalaufnahme aus dem OP während der Implantation eines CRTD dar. Der virtuelle 3D-Eindruck ergibt sich durch die zeitgleiche Darstellung der Projektionen AP 0° (linkes Bild) und LAO 40° (rechtes Bild).

Die Erfolgsrate der Implantation von CRT-Geräten mit dem MGS betrug in der vorliegenden Studie 100 %.

Komplikationen wie Perikardtamponaden, tranfusionspflichtige Hämatome, Heilungsstörung an den Zugangs­lokalisationen oder Revisonsoperationen wurden bei den ausgewerteten Operationen nicht registriert.

 

Schlussfolgerungen:

Die vorliegende Studie zeigt, dass durch die Verwendung eines MGS die Fluoroskopiezeit im Vergleich zu einer konventionellen OP reduziert ist.
Sowohl für den Patienten als auch den Operateur sind Implantationen von Geräten zur Resynchronisationstherapie trotz der vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen mit einer hohen Strahlenexposition verbunden. Durch den gezeigten Rückgang der Strahlungsdauer bei MGS-Anwendung könnte das Risiko hinsichtlich der Applikation von Strahlen deutlich reduziert sein. Dies würde sowohl zu einer Entlastung des Patienten als auch des Operateurs führen. Die Autoren gehen davon aus, dass sich durch die Weiterentwicklung der MGS-Software, den fortschreitenden Lernprozess und neuartige Implantationsinstrumente die Strahlenexposition während der CRT-Implantation weiter reduzieren wird.

Die OP-Dauer war nach 20 Implantationen mit der konventioneller CRT-Operationen vergleichbar (4). Dies bedeutet, dass zur Einarbeitung in die strahlenarme Implantation von CRT-Systemen nur relativ wenige Implantationen benötigt werden und die OP-Dauer auch in dieser Phase nicht signifikant ansteigt. Dies ist für die Patientensicherheit ein entscheidendes Qualitätsmerkmal, da erfahrungsgemäß mit längerer OP-Dauer das Risiko der hämodynamischen Dekompensation der schwerkranken Patienten steigt.

Durch die Verwendung eines MGS zeigten sich in der vorliegenden Studie keine besonderen behandlungsspe­zifischen Risiken. Somit scheint die Verwendung des MGS nach den vorliegenden Daten hinsichtlich des Auftretens von Komplikationen die Präzision der OP nicht zu beeinträchtigen.

 

Literaturverzeichnis

  1. Ponikowski P, Voors AA, Anker SD, Bueno H, Cleland JGF, Coats AJS et al. ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016; 37: 2129–2200.
  2. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftli-chen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale Versorgungsleitlinie Chronische Herzinsuffizienz - Langfassung, 3. Auflage. 2019. DOI: 10.6101/AZQ/000465. www.herzinsuffizienz.versorgungsleitlinien.de.
  3. Thibault B, Mondésert B, Macle L, Dubuc M, Dyrda K, Talajic M et al. Reducing Radiation Exposure During CRT Implant Procedures: Single-Center Experience With Low-Dose Fluoroscopy Settings and a Sensor-Based Navigation System MeediGuide). J Cardiovasc Electrophysiol 2016; 27. DOI: 10.1111/jce.13048.
  4. Sommer P, Rolf S, Richter S, Hindricks G, Piorkowski C. Nicht fluoroskopische Katheternavigation: das MediGuide™-System. Herzschr Elektrophys 2012. 23:289-295. DOI 10.1007/s00399-012-0236-4.
  5. Rosen A. Gefahren durch Ionisierende Strahlung: Mediziner in der Verantwortung. Deutsches Ärzteblatt. 2015. Jg. 112. Heft 48. A-2040.
  6. Fuhrmann A. Zahnärztliche Radiologie. Stochastische und deterministische Strahlenwirkungen. ZMK Praxis. 2013. DOI: 10.1055/b-002-57159.
  7. MediGuide™ Technology: Navigating Away from Live X-Ray. Clinical Compendium. St. Jude Medical. 2013. ID-2000019 A EN (12/13).

 

Foto/Abb. 1+4: Klinikum Magdeburg gGmbH | Abb. 2 + 3: Autorenschaft


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