
Minimalinvasive Rekonstruktion von Mitral- und Trikuspidalklappe
Prof. Dr. med. Jens Wippermann, Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Magdeburg A.ö.R.
Einleitung
Das menschliche Herz ist mit insgesamt vier Herzklappen ausgestattet. Die beiden Taschenklappen (Aorten- und Pulmonalklappe) liegen am Übergang der beiden Herzkammern in die darauffolgenden großen Blutgefäße, während die beiden Segelklappen (Mitral- und Trikuspidalklappe) die Verbindung der Vorhöfe mit den Herzkammern markieren. Bei einem Herzklappenfehler ist die Ventilfunktion einer oder sogar mehrerer dieser Klappen gestört, sodass der Herzmuskel es nur mit großer Kraft schafft, den normalen Körperkreislauf aufrechtzuerhalten. Über kurz oder lang führt diese Kraftanstrengung zu einer terminalen Herzinsuffizienz. Eine Möglichkeit den bzw. die Herzklappenfehler zuverlässig zu behandeln, ist oftmals nur die Operation. Die chirurgische Reparatur oder der Ersatz der Vorhofklappen ist die zweithäufigste Operation an den Herzklappen in der Bundesrepublik [1]. Eine stenotische Klappe wird in der Regel durch eine künstliche Prothese ersetzt, da eine Reparatur in den meisten Fällen nicht möglich ist. Eine insuffiziente Klappe dagegen kann oftmals repariert und die anatomisch gerechte Klappengeometrie und Klappenbeweglichkeit wiederhergestellt werden. Die Rekonstruktion der Klappen und die damit gewonnenen Erfahrungen sind Garant für ein gutes Langzeitergebnis und einer erhöhten Lebensqualität des Patienten.
Zielsetzung
In diesem Artikel sollen nun die neuen minimalinvasiven Techniken vorgestellt und auf deren Vorteile hingewiesen werden. Äußerlich ist die erhaltene Integrität und Stabilität des Brustkorbes von besonderer Bedeutung für die frühe Mobilisation des Patienten. Auch eine geringere Schmerzsymptomatik im Wundgebiet begünstigt die Rekonvaleszenz. Vorstellbar ist auch, dass der Gedanke: „Kleiner Schnitt = kleine OP = schnelle Erholung“ eine wichtige Rolle bei der Genesung des Patienten spielt, denn traditionell wurden Herzklappeneingriffe über eine Längsdurchtrennung des Brustbeins (mediane Sternotomie) durchgeführt.
Operationen an der Mitral- und Trikuspidalklappe werden dagegen zunehmend in minimalinvasiver Technik durchgeführt. Pionier dieser Technik war Prof. Mohr aus Leipzig zu Beginn des zweiten Jahrtausends. Von den 78 herzchirurgischen Kliniken in Deutschland wenden inzwischen 61 diese Methode an, sodass 78 % aller isolierten Operationen an den Vorhofklappen in minimalinvasiver Technik durchgeführt werden [1]. In der Leistungsstatistik der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) wurde für 2019 eine Hospitalletalität von nur 1,2 % angegeben. Die Langzeitergebnisse in den internationalen Veröffentlichungen zeigen eine Freiheit von Re-Operationen von über 90 % für einen Zeitraum von etwa 10 Jahren [2].

Die Mitralklappe
Pathophysiologie
Die Mitralklappenstenose ist weltweit eine der häufigsten erworbenen Herzklappenfehler und betrifft Frauen häufiger als Männer. In den Industrieländern konnte die Inzidenz durch den konsequenten Einsatz von Penicillin bei Infektionen mit Streptokokken in der Vergangenheit deutlich abgesenkt werden, sodass sie dort heutzutage seltener auftritt als erworbene Aortenklappenstenosen und Mitralklappeninsuffizienzen.
Die mit Abstand häufigste Ursache einer Mitralstenose ist das rheumatische Fieber und die damit verbundene Endokarditis. Sie tritt typischerweise mit einer Latenzzeit von 20 bis 30 Jahren nach der durchgemachten Fiebererkrankung auf.

Die Stenose der Mitralklappe ist durch entzündliche und degenerative Veränderungen der Klappensegel und der Chordae tendineae bedingt. Fibrosen und Verkalkungen führen zu einer fortschreitenden Einschränkung der Dehnungs- und Bewegungsfähigkeit des Klappenapparates. Die normale Klappenöffnungsfläche liegt bei 4-6 cm². Verkleinert sich diese Öffnungsfläche um mehr als die Hälfte, kommt es zu Störungen mit der Ausbildung eines Druckgradienten zwischen linkem Vorhof und der linken Kammer. Daraus resultieren zum einen eine Dilatation des linken Vorhofs, was das Auftreten von Vorhofflimmern begünstigt, und zum anderen eine pulmonale Hypertonie. Diese wiederum führt bei fortschreitender Erkrankung zu einer Druckbelastung des rechten Herzens und infolge einer Rechtsherzdilatation auch zu einer Trikuspidal- und Rechtsherzinsuffizienz.

Ein Leitsymptom ist die Dyspnoe bedingt durch den Rückstau von Blut in die Lungen. Die Dyspnoe tritt meist erst bei Belastung auf, wenn das Herzminutenvolumen gesteigert wird. Bei hochgradigen Stenosen kann auch eine Ruhedyspnoe auftreten. Ein weiteres Symptom schwergradiger Mitralstenosen können Hämoptysen sein, die insbesondere nachts bei intensiver Dyspnoe auftreten. Generell ist die körperliche Leistungsfähigkeit betroffener Patienten vermindert.
Die Behandlung der Mitralklappenstenose hängt vom Schweregrad dieser ab. Bei leichter Mitralstenose kann eine konservative Therapie durch körperliche Schonung und die Gabe von Diuretika erfolgen. Liegt zusätzlich ein relevanter pulmonaler Hypertonus vor, kann eine Therapie mit Vasodilatantien hilfreich sein. Eine operative Therapie ist in jedem Fall bei starker Symptomatik und einer hochgradigen Mitralstenose sinnvoll. Eine Intervention (Ballonvalvuloplastie oder Mitralklappenersatz) sollte nicht zu lange hinausgezögert werden, da die Prognose einer Mitralstenose sonst auch nach operativem Klappenersatz verschlechtert wird.

Die Mitralklappeninsuffizienz ist beim Menschen ein häufiger Herzklappenfehler. Es handelt sich um eine „Undichtigkeit“ der Mitralklappe des Herzens, die während der Systole zu einem Rückfluss von Blut aus der linken Herzkammer in den linken Vorhof führt (Abb. 1a). Im Vordergrund stehen heute die Mitralinsuffizienz bei Prolapssyndrom im Zusammenhang mit einem meist angeborenen Mitralklappenprolaps (Abb. 1b) und die sekundäre Mitralinsuffizienz als Folge einer Vergrößerung des linken Ventrikels sowie die „postinfarzielle“ Mitralinsuffizienz nach Herzinfarkt.
Weiterhin können eine bakterielle und auch eine nicht-bakterielle Endokarditis zu einer Zerstörung oder narbigen Schrumpfung von Klappengewebe und so zu einer Mitralinsuffizienz führen. Die akute schwere Mitralinsuffizienz als Komplikation eines Herzinfarktes oder einer Herzklappenentzündung ist ein seltenes, meist aber dramatisches Krankheitsbild, welches einer intensivmedizinischen Behandlung bedarf und häufig nur durch eine notfallmäßige Klappenoperation beherrschbar ist. Die Prävalenz liegt bei ca. 2,4 % [3].

Therapeutischer Ansatz
Bei allen Patienten mit einer schweren symptomatischen Mitralinsuffizienz (III°) und einem vergrößerten linken Vorhof (LA > 45 mm) ist die Indikation für eine Herzklappenoperation indiziert. Die OP-Indikation folgt den geltenden Leitlinien der
Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in den auch verankert ist, dass eine operative Korrektur bei Patienten mit hochgradiger Mitralklappeninsuffizienz ohne Symptomatik in Frage kommt, wenn die Wahrscheinlichkeit für eine klappenerhaltende Korrektur > 80 % liegt [3]. In erfahrenen Zentren wird, bei unauffälliger Klappenmorphologie, deshalb immer eine Rekonstruktion der Klappe angestrebt, bevor die Herzklappe durch eine Neue ersetzt wird. Die Chancen für eine Klappenrekonstruktion lassen sich mit Hilfe der Echokardiografie bereits vorher zuverlässig abschätzen. Postoperativ sind Patienten mit einer rekonstruierten Klappe in der Regel nach einigen Wochen als „herzgesund“ zu betrachten.

Die minimalinvasive Operation an der Mitralklappe erfolgt über einen 4-5 cm langen Schnitt unterhalb der rechten Brustwarze im 4. oder 5. Zwischenrippenraum. (Abb. 2). In Kombination mit einer Videokamera bietet dieses Verfahren speziell im Rahmen der Mitralklappenrekonstruktion eine ideale Sicht auf das OP-Feld und entsprechend optimale Bedingungen. Auch dieser Eingriff erfolgt mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine. Heutzutage kann unter Einbeziehung verschiedener Techniken und der Gewebequalität die insuffiziente Klappe zu einem sehr hohen Prozentsatz (90 %) repariert werden. Ein Durchschlagen von Teilen des vorderen bzw. hinteren Mitralsegels mit daraus resultierender Insuffizienz wird in der eigenen Klinik durch Einziehen künstlicher Sehnenfäden aus Gore-Tex®-Material repariert [5]. Als wesentliche zusätzliche Maßnahme wird routinemäßig ein Kunststoffring (Anuloplastie-Ring) eingesetzt, der die eigentliche Klappe umgibt und der den Klappenring vom Umfang her reduziert (Abb. 3a-c).
Diese Maßnahme trägt zur Langzeit-Stabilisierung des Rekonstruktionsergebnisses wesentlich bei. Der Anuloplastie-Ring erfordert eine vorübergehende dreimonatige orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten bis der Ring eingewachsen ist und kein Embolierisiko mehr darstellt. Aufgrund der durchgeführten Minithorakotomie ist der Patient gut mobilisierbar und oftmals kann der stationäre Aufenthalt nach 7-10 Tagen beendet werden.
Die Trikuspidalklappe
Pathophysiologie

Da die Trikuspidalklappenstenose fast ausschließlich durch das rheumatische Fieber verursacht wird, tritt diese Form der Klappenerkrankung in Ländern wie Deutschland heute nur noch sehr selten auf und spielt klinisch eine untergeordnete Rolle.
Die Trikuspidalklappeninsuffizienz bezeichnet eine Undichtigkeit der Trikuspidalklappe des Herzens, die während der Systole zu einem Rückfluss von Blut aus der rechten Herzkammer in den rechten Vorhof führt.
Meist ist die Trikuspidalinsuffizienz Folge einer Überdehnung des Halterings der Trikuspidalklappe oder eines zu hohen Drucks in der rechten Herzkammer, die Klappe selbst ist meist noch ausreichend funktionstüchtig. Die Trikuspidalklappe funktioniert wie ein Ventil zwischen dem rechten Vorhof und dem rechten Ventrikel des Herzens. Eine bakterielle und auch eine nicht-bakterielle Endokarditis können zu einer Zerstörung oder narbigen Schrumpfung von Klappengewebe und so zu einer Trikuspidalinsuffizienz führen. Ein Sonderfall ist das Auftreten einer geringen Trikuspidalinsuffizienz nach Einführung einer Elektrode in den rechten Ventrikel im Rahmen einer Herzschrittmacherimplantation. Leichtere Formen werden vom Betroffenen nicht bemerkt. Die typischen Symptome der schweren Trikuspidalinsuffizienz sind Beinödeme und Leber- und Halsvenenstauung. Herzrhythmusstörungen, die bei der Trikuspidalinsuffizienz häufiger auftreten, können sich in Form von Herzstolpern oder Herzrasen bemerkbar machen. Nicht selten tastet man eine vergrößerte Leber und teilweise auch einen Aszites.
Therapeutischer Ansatz

Eine operative Therapie der Trikuspidalinsuffizienz muss isoliert selten durchgeführt werden, ist aber in Kombination mit einer Mitralklappenoperation häufig [5]. Dabei kann in den meisten Fällen eine Rekonstruktion der Klappe vorgenommen
werden. Die Operation wird ebenfalls minimalinvasiv durch einen kleinen antero-lateralen Schnitt im 4. oder 5. Zwischenrippenraum rechts durchgeführt. Die chirurgische Rekonstruktion der Trikuspidalklappe erfolgt am „offenen Herzen“, so ist auch hier der Einsatz einer Herz-Lungenmaschine erforderlich. Im Unterschied zur Mitralklappenrekonstruktion kann jedoch auf das „Ausklemmen“ des Herzens aus dem Blutkreislauf verzichtet und die Operation am schlagendem Herzen durchgeführt werden. Die Klappe selbst erreicht man mit speziellen endoskopischen Instrumenten, die auch bei der Mitralklappe zum Einsatz kommen. (Abb. 4a, b).
Interventioneller Ansatz
Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die interventionelle, katheterbasierte Rekonstruktion der Vorhofklappen mittels Clip-Verfahren in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Sie ist für viele Hochrisikopatienten und Patienten mit weit fortgeschrittener Kardiomyopathie eine wirksame Therapieoption geworden. Die Clip-Verfahren stellen jedoch nicht die anatomische Integrität der Herzklappen wieder her.
Welches Verfahren als bestmögliche Behandlung für den jeweiligen Patienten zum Einsatz kommt, ist dann eine Entscheidung des Herz-Teams. Das Team setzt sich aus Fachärzten der Kardiologie, der Kardiochirurgie und der Kardioanästhesie zusammen. Im Konsens wird nach klinischer Beurteilung des individuellen Patienten die Therapie gemeinsam festgelegt und dokumentiert.
Fazit
Die minimalinvasive Chirurgie an den Atrioventrikularklappen ist eine sehr erfolgreiche Weiterentwicklung der chirurgischen Techniken in der Herzchirurgie. Sie verfolgt in erster Linie das Ziel der anatomisch gerechten Reparatur der Klappen. Die Vorteile für den Patienten liegen in der Möglichkeit eines verkürzten Krankenhausaufenthaltes, einer schnellen Rekonvaleszenz und einem sehr guten kosmetischen Ergebnis.
Referenzen:
- DGTHG Leistungsstatistik 2019. www.dghtg.de
- Schwartz CF. Ten-year results of folding plasty in mitral valve repair. Ann Thorac Surg 2010;89:485-8.
- Enriquez-Sarano M. Timing of mitral valve surgery. Heart 2002; 87(1):79-85.
- Baumgartner H. ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular Heart disease. Eurpean Heart Journal 2017,38:2739-91.
- Adams DH. Artificial mitral valve chordae replacement made simple. Ann Thorac Surg 2001;71(4):1377-1378.
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Prof. Dr. med. Jens Wippermann
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