Dr. med. Roland Haase (Foto: Universitätsmedizin Halle/Saale)
Dr. med. Roland Haase
(Foto: Universitätsmedizin Halle/Saale)

Haase, R.
Klinik für Neonatologie und Kinderintensivmedizin, Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle,
Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Universitätsklinikum Halle

Einleitung

Seit der nunmehr 30 Jahre zurückliegenden Neugründung des Bundeslandes Sachsen-Anhalt (SA), größtenteils aus den ehemaligen DDR-Bezirken Magdeburg und Halle, hat es in der hiesigen Krankenhauslandschaft dramatische Veränderungen gegeben. Diese wurden u. a. durch die generelle Neuorganisation des Gesundheitswesens nach 1990, die Einführung des DRG-Systems ab 2006 und die demographische Entwicklung getriggert. Ohne Zweifel verfügen wir heute auch in der Kinder- und Jugendmedizin (KJM) über leistungsfähige Strukturen, gut ausgebildetes Personal und ausgezeichnete medizinische Möglichkeiten. Demographischer Wandel, Ökonomisierung und Fachkräftemangel stellen (auch) die KJM vor neue Herausforderungen. Fast reflexhaft wird bei ökonomischen Problemen die Existenz von Kinderkliniken (und Geburtshilfen) zur Disposition gestellt. Diese andauernde und vermutlich zur Schließung von weiteren Kinderkliniken führende Entwicklung, der Wechsel leitender Ärztinnen und Ärzte (LKÄ) in den ambulanten oder öffentlichen Sektor und die bekannten Schwierigkeiten, freie Positionen in der Pädiatrie neu zu besetzen, führte zur Initiierung einer 30 Punkte umfassenden Umfrage unter den LKÄ der KJM in SA. Ziel war es Ansichten der LKÄ zur stationären KJM des Bundeslandes zu erfragen.


Methodik

Hauptamtlich geführte Kinderabteilungen in Krankenhäusern wurden aus den Angaben der „Deutschen Krankenhausgesellschaft“ sowie dem Verteiler des Vereins leitender Kinderärzte des Landes Sachsen-Anhalt identifiziert. Daten zur Trägerschaft wurden der Website der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt (KGSAN) und den Internetauftritten der Krankenhäuser entnommen (Stichtag: 27.10.2020). Die Einrichtungsleiter*innen erhielten auf dem Postweg einen Fragebogen. Dieser enthielt (Mehrfach-)Auswahl-Fragen zu den jeweiligen Kinderkliniken, der Weiterbildung und der persönlichen Situation der LKÄ. Um eine Identifizierung der Einsender zu vermeiden, wurde der Rückumschlag nach Entnahme des Fragebogens durch das Sekretariat vernichtet. Berücksichtigt wurden alle in einem 6-Wochen-Zeitraum eingegangenen Antworten. Aufnahme und Auswertung der Daten erfolgten in einer fortlaufend nummerierten Excel-Tabelle. Die Daten wurden rein deskriptiv ausgewertet. Signifikanzberechnungen waren nicht notwendig.

Aufgrund der sich auf die stationäre konservative Kinder- und Jugendmedizin beziehenden Fragestellung wurden kinderpsychiatrische und kinderchirurgische Einheiten sowie ambulante Einrichtungen nicht in die Auswertung einbezogen. Kinderkliniken und Abteilungen werden im Folgenden vereinfacht als Kinderklinik (KK), Chefärzte, Klinikdirektoren, komm. Chefärzte, Leiter selbständiger Kinderabteilungen als leitende Kinderärzt*innen (LKÄ) bezeichnet. Wenn Personenbezeichnungen aus Gründen der Lesbarkeit lediglich in der männlichen Form verwendet werden, schließen diese das weibliche Geschlecht ein.


Ergebnisse

Rücklauf: 26 hauptamtlich geführte KK konnten identifiziert werden. 22/26 verschickte Bögen wurden bis zum 27.10.2020 zurückgesendet.

Kinderabteilungen: 10 LKÄ bezeichneten die Trägerschaft als öffentlich (kommunal, Universität), 8 als privat und 4 als konfessionell. Die Anzahl belegbarer Betten liegt zwischen 5 und 80 (Median: 28). 16/22 Einrichtungen verfügen über ein pädiatrisches MVZ. Die Anzahl der Stellenäquivalente für ärztliche Mitarbeiter lag zwischen 1 und 32,5 (Median: 7,5). 3/22 der LKÄ gaben an, eher keine Schwierigkeiten bei der ärztlichen Personalgewinnung zu haben. Von den verbleibenden 18 Einrichtungen (1 Bogen ohne Antwort) sahen 8 eher Probleme bei der Besetzung von Facharztstellen, 1 bei der Besetzung von Stellen für Ärztinnen/Ärzten in Weiterbildung und 9 in beiden Bereichen.

Versorgungsqualität: Die LKÄ wurden nach der Entwicklung der (lokalen) Versorgungsqualität in den KK innerhalb der letzten 5 Jahre befragt. Verschlechterung war als Notwendigkeit der Abverlegung von Kindern, die früher vor Ort behandelt werden konnten definiert, Verbesserung vice versa. 2 LKÄ sahen eine Verbesserung, 6 eine Verschlechterung und 14 LKÄ keine Änderung in ihrer KK. 5/6 LKÄ gaben Personalmangel als Grund für die Verschlechterung der lokalen Versorgungsqualität an.

Weiterbildung: Die minimal angebotene Weiterbildungszeit lag bei 18, der Median bei 54 Monaten. 8 KK bieten mit 60 Monaten die volle Weiterbildungszeit in der Kinder- und Jugendmedizin an. Mit Blick auf die neue Weiterbildungsordnung 2020 erwarten 10 KK eine Reduktion der Weiterbildungszeit, 6 eher keine Änderung, 5 waren sich unsicher. Eine KK rechnet mit einer Erweiterung ihrer Weiterbildungszeit. 100 % der Befragten können sich vorstellen, die Weiterbildung zum Kinderarzt in Zukunft klinikübergreifend bzw. in Zusammenarbeit mit dem ambulanten Sektor anzubieten. 1 LKÄ würde eine derartige Entwicklung trotzdem ablehnen.

Leitende Ärzte: In 3 KK war die Position der Chefärztin/des Chefarztes nicht hauptamtlich besetzt. 5/22 gaben an, den Ruhestand innerhalb der nächsten 5 Jahre, weitere 2 innerhalb der nächsten 10 Jahre zu planen. 2 LKÄ waren sich in diesem Punkt nicht sicher. 12/22 der LKÄ schlossen eine Aufgabe ihrer jetzigen Tätigkeit vor dem Erreichen der Altersgrenze aus (1x keine Antwort). Die Frage, ob sich die LKÄ in Bezug auf ihre Arbeit eher von ihren Vorgesetzten anerkannt fühlen, wurde in 14/22 Fällen mit “ja” beantwortet. Eine zufriedenstellende “work-life“-Balance wurde in 4/22 Fragebögen bejaht. 10/22 der LKÄ beantworteten die Frage, ob sie rückblickend denselben Karrierepfad erneut beschreiten würden, uneingeschränkt mit „ja“. Dabei wurden in Kommentaren vor allem nichtmedizinische Aspekte des Berufes als negative Faktoren angegeben.

Zukunft: 12/22 der KK sind nach Überzeugung ihrer LKÄ nicht in ihrem Bestand bedroht. In den 10 nach Ansicht der LKÄ in ihrer Existenz gefährdeten KK wurden ärztlicher (n=7) und pflegerischer Personalmangel (n=6) sowie ökonomische (n=8) und demographische Gründe (n=6) als mögliche Ursachen angeführt. Mit einer Bettenreduzierung in den nächsten 5 Jahren wird in 13/22 KK gerechnet. Als Ursachen werden ärztlicher (n=5) und pflegerischer (n=5) Personalmangel sowie ökonomische (n=7) und demographische Gründe (n=6) angegeben. 13/22 der LKÄ erwarten, dass sich die infektiologische Situation mittelfristig wieder dem Niveau vor der COVID-19-Pandemie annähern wird. Sorgen um die zukünftige stationäre bzw. ambulante pädiatrische Versorgung im Einzugsbereich werden von 16 bzw. 14 LKÄ angegeben.


Diskussion

Die Zahl der Krankenhäuser in SA hat sich seit 1990 von ca. 100 etwa halbiert. Hiervon waren in vergleichbarem Ausmaß auch KK betroffen. Im selben Zeitraum sank die Zahl der Kinderabteilungen in Deutschland von 440 auf 354, die Zahl der Kinderbetten um 33 % [7]. Trotz der erfolgten überproportionalen Anpassungsleistung sehen die LKÄ die stationäre Pädiatrie in SA analog zu früheren Äußerungen in der vorliegenden Umfrage als gefährdet an [1]. Die hohe Rücklaufquote (85 %) zeigt die Bedeutung des Themas für die LKÄ.

Die Krankenhausgesellschaft SA gibt auf ihrer Website insgesamt 48 Krankenhäuser mit 69 Standorten an [5]. 18 Krankenhäuser betreiben KK (teils mit mehreren Standorten) [6]. In einigen Krankenhäusern (z. B. Halle) ist die Kinder- und Jugendmedizin in einzelne jeweils durch LKÄ vertretene selbstständige Bereiche geteilt, andere Standorte (z. B. Wernigerode, Quedlinburg) teilen sich einen Chefarzt. Tabelle 1 zeigt eine Zusammenfassung von in den Qualitätsberichten veröffentlichten Daten der KK des Jahres 2018 [3]. Die Zahl der in Kinderkliniken tätigen Ärzte (VK) hat sich bei sinkender Patientenzahl kaum reduziert. Vor allem in den größeren Städten war es möglich, die Vollkraft (VK)-Zahl zu erhöhen bzw. zu halten, während die Mehrzahl der Mittelstädte kinderärztliches Personal abbauen musste. Die Werte müssen vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass die Zahl der in den berücksichtigten Krankenhäusern angegebenen ärztlichen VK insgesamt um etwa 10 % stieg und ein Teil der Leistungen zum Beispiel über MVZ-Gründungen aus den KK heraus verlagert werden konnte.

Tabelle 1: Krankenhäuser mit Kinderabteilungen in Sachsen-Anhalt. Alle Daten sind den Qualitätsberichten 2012 bzw. 2018 entnommen [3] Letzter Zugriff 26.10.2020.
*keine Angaben. **Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara: aus methodischen Gründen keine Trennung beider KK. ***Universitätsklinikum: aus methodischen Gründen keine Trennung der 3 KK und Einbeziehung der Klinik für Kinderchirurgie (entsprechend Angaben im Qualitätsbericht 2018). Da verlegte Patienten 2012 (separate Auflistung Pädiatrie I, II und Kinderchirurgie) mehrfach gezählt werden, ergibt sich der starke Abfall der Patientenzahlen für das UKH aus den unterschiedlichen Berechnungsmethoden, d. h. die Patientenzahlen waren 2012 vermutlich geringer. ****Universitätsklinikum: inklusive Bereich Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Patientenzahl aufgrund Mehrfachzählung bei Verlegung möglicherweise geringer.

 
Die Resultate der Umfrage machen analog zu den Qualitätsberichten des „Instituts für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen“ (IQTIQ) die große Heterogenität der Kinderabteilungen, insbesondere in Hinsicht auf verfügbares Personal und Bettenzahl deutlich. Keine KK im Bundesland ist für sich allein genommen in der Lage, die gesamte fachliche Breite der Pädiatrie durch Spezialisten abzudecken. Dies bedeutet nicht, dass Kinder mit entsprechenden Krankheitsbildern nicht vor Ort behandelt werden können, solange die medizinische Kompetenz hierfür vorhanden ist. Tatsächlich werden Gewinnung und Bindung notwendiger Kompetenzen für die KK im ärztlichen wie im pflegerischen Bereich schwerer. 77 % der LKÄ sehen Schwierigkeiten im Bereich der Fachärzt*innen (FÄ). Es gelingt zudem nicht ausreichend, Absolventen des eigenen bzw. anderer Bundesländer von einer Berufstätigkeit in Sachsen-Anhalt zu überzeugen. Unter Studierenden ist SA mit -64 % das Land mit dem größten negativen Wanderungssaldo am Übergang von der Hochschule zum Berufsleben [10]. In der Zeit allgemeinen Ärztemangels fällt es insbesondere dem unser Bundesland prägenden ländlichen Raum schwer, mit Ballungsgebieten und deren Angebot an beruflicher und privater Entwicklung zu konkurrieren. Die neue, noch stärker auf Inhalte ausgerichtete Weiterbildungsordnung führt nach Ansicht von etwa der Hälfte der LKÄ zu einer Einschränkung ihrer Weiterbildungsmöglichkeiten. Wir benötigen ein attraktives und schon im Studium beginnendes Angebot, welches eine vollständige, qualitativ hochwertige und strukturierte (d. h. geplante) Weiterbildung mit einer den gestiegenen Ansprüchen entgegenkommenden „Work-Life-Balance“ kombiniert. Selbst größere KK werden die vollständige Weiterbildung in der KJM nur in Kooperation mit ambulanten und stationären Partnern anbieten können. Hierzu ist die große Mehrheit der LKÄ auch bereit bzw. hat z. B. mit der Betreibung von MVZs bereits Schritte in diese Richtung unternommen. Vermutlich benötigt die KJM in SA Weiterbildungsverbünde von großen und kleinen, ambulanten und stationären Partnern. Derartige Kooperationen werden die vom Fachkräftemangel besonders bedrohten kleineren Häuser in die Lage versetzen, Ärzt*innen über die gesamte Zeit der Weiterbildung und darüber hinaus zu beschäftigen. Hiervon wird auch der auf FÄ angewiesene ambulante Sektor profitieren. Eine Ausweitung des positiv hervorzuhebenden Programms der Kassenärztlichen Vereinigung zur (ambulanten) Weiterbildung in der KJM auf Zeiträume zur Erlangung von Schwerpunkt- und Zusatzbezeichnungen (wie in Mecklenburg-Vorpommern) und auch stationärer Abschnitte (wie in der Allgemeinmedizin) wäre wünschenswert. Zudem muss die Kindermedizin Frauen stärker fördern. Während die überwiegende Mehrzahl der Berufseinsteiger und Studierenden weiblich ist [4], beträgt der Frauenanteil unter den LKÄ lediglich 33 %. Die von LKÄ mitverantworteten Strukturen müssen Familiengründung und Kindererziehung für Mütter (und Väter) unterstützen.

Eine gewisse Sonderstellung der Pädiatrie ist durch verschiedene Faktoren bedingt, u. a.:

  1. hohe Personalaufwände im pflegerischen und ärztlichen Bereich zur altersgerechten Versorgung von Kindern und Jugendlichen
  2. vergleichsweise hohe strukturelle Vorhaltekosten zur Betreuung verschiedener Altersgruppen und einer Vielzahl von Erkrankungen
  3. in ihrer Prävalenz schwankende Akutfälle als eine Kernaufgabe der stationären Versorgung bei wenig Elektivfällen
  4. steigende Anzahl von Kindern mit schweren, chronischen und seltenen Erkrankungen mit erhöhten Aufwänden in Diagnostik und Therapie bei mangelnder Abbildung dieser und vieler Zusatzentgelte im DRG-System.


Kostenträger und Politik verweisen gern auf die theoretisch zur Kostendeckung führende Kalkulation der DRG-Erlöse über Modellkliniken [2]. Diese Aussage blendet die gegenwärtig geringe Beteiligung des Landes an Investitionen und demographische wie geographisch bedingte Probleme der KK des Landes aus. Eine ausschließlich an ökonomischen Kriterien orientierte Kinderklinikstruktur führt zur Reduktion auf wenige Zentren und inakzeptable Wege in der stationären pädiatrischen Grund- und Spezialversorgung. Infektionserkrankungen gehören zu den wichtigsten DRG von KK. Unter den Top 15 DRG finden sich lediglich bei den 3 größten KK und der Abteilung Kindergastroenterologie und Kinderdiabetologie im Krankenhaus St. Marienstift Magdeburg 5 oder weniger „Infektions“-DRG [3]. Die Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigen seit Frühsommer 2020 einen stetigen Rückgang von typischen pädiatrischen Infektionserkrankungen. So sank die Anzahl der für alle Altersstufen 2020 gemeldeten Gastroenteritiden durch Noroviren von 6317 auf 1656 und durch Rotaviren von 2361 auf 307 [8]. Diese Entwicklung ist vermutlich auch durch weniger Kontakte und mehr Alltagshygiene im Rahmen des COVID-19-Geschehens erklärbar. Ein anhaltender Rückgang wäre natürlich zu begrüßen, verschärft aber perspektivisch die Probleme der stationären KJM. Hinzu kommt ein seit 2016 anhaltender Rückgang der Geburtenzahlen, welche 2019 das niedrigste Niveau seit 20 Jahren erreichten [9]. Die jetzt auch die Pädiatrie einschließenden, vom GBA beschlossenen Sicherstellungszuschläge für einige Krankenhäuser sind zu begrüßen, verhindern aber nicht unbedingt die „Abwicklung“ von KK. Die verschiedenerseits propagierte Herausnahme der KK aus dem DRG-System wurde von der Bundesregierung abgelehnt [2]. Vor diesen Hintergründen überrascht es nicht, dass ein Großteil der LKÄ eher sorgenvoll in die Zukunft der ambulanten und stationären KJM im Einzugsbereich schaut. Die Umfrage macht auch deutlich, dass ein unter den gegebenen ökonomischen und strukturellen Bedingungen schwierig zu bewältigender Generationswechsel bei den LKÄ ansteht. Lediglich 18 % der LKÄ gaben an, mit ihrer persönlichen „Work-Life-Balance“ zufrieden zu sein. Trotzdem würden 10/22 denselben Karrierepfad erneut einschlagen, 12/22 nicht oder mit Einschränkungen. Nachfolgende Generationen werden keine schlechteren Ärzte sein, aber der Typus des sich bis zur Selbstaufgabe einbringenden Chefarztes verschwindet in den nächsten Jahren. Tatsächlich erscheint das Berufsbild des vielfach beanspruchten und gelegentlich wenig anerkannten Chefarztes schon Studierenden nicht erstrebenswert [4].

Die Pädiatrie ist vom Wesen und Anspruch her einmal ein ambulantes Fach. Trotzdem benötigen Kinder mit auch scheinbar „banalen“ Erkrankungen wie gastrointestinalen- und Atemwegsinfektionen – weltweit häufige Todesursachen bei Kindern – nicht selten eine stationäre Behandlung. Deshalb ist die wohnortnahe stationäre pädiatrische Grundversorgung Teil der Daseinsvorsorge und Standortfaktor. Denkbar sind sektoren-übergreifende Formen ambulanter, tagesklinischer und stationärer Angebote, die bei Bedarf zum Beispiel auch kindermedizinische Aufgaben der Gesundheitsämter mit übernehmen könnten. Eine wohnortnahe Vorhaltung aller pädiatrischen Subspezialitäten ist in der Fläche nicht möglich. Es geht darum, bestimmte hochspezialisierte und nur wenige Kinder betreffende Teilgebiete in akzeptabler Entfernung anbieten zu können. Hierzu sind entsprechende Kooperationen, zum Beispiel das „Pädiatrische Zentrum Sachsen-Anhalt Süd“ im Entstehen. Darüber hinaus sollte die Entwicklung auch als Chance für die weitere Entwicklung telemedizinischer Konzepte (Beispiel „Tele-Kasper“) [11] angesehen werden.


Zusammenfassung

Die LKÄ sehen die stationäre kindermedizinische Versorgung gegenwärtig auf einem hohen Niveau, sind aber skeptisch, ob dieses gehalten werden kann. Die berufliche Belastung zeigt sich in einer niedrigen Zufriedenheit mit der persönlichen „Work-Life-Balance“. Um Engpässe in Leitungspositionen zu verhindern, ist weniger eine Aufwertung der Position an sich, sondern eine Verbesserung der strukturellen Probleme der KJM nötig. Dies betrifft insbesondere Personalgewinnung und Bindung über alle Bereiche. Ob Politik und Kostenträger dies möchten, muss durch Taten beantwortet werden. Die Reaktion der Bevölkerung auf geplante Schließungen von KK und Geburtshilfen hat noch einmal sichtbar gemacht, dass diese auch Identifikations- und Standortfaktoren sind. Auch die KJM wird ihren Beitrag zu leisten haben. Wir können Vorreiter sein in einer stärkeren Verzahnung ambulanter, stationärer und öffentlicher Strukturen. Wir müssen in allen Fragen mehr in Kooperationen denken. Nachwuchsförderung heißt gerade in der KJM Frauenförderung. Sachsen-Anhalt nimmt die Entwicklung der KJM in bevölkerungsarmen Flächenländern in vielen Punkten voraus. Dies ist eine Chance, neue Modelle in der medizinischen Versorgung, der Weiter- und Fortbildung zu entwickeln. Wenn uns dies gelingt, werden Kinder dieses Landes auch in der Zukunft die medizinische Betreuung erhalten, die ihnen zusteht.

Literatur

  1. dpa/aerzteblatt.de. Kinderaerzte sehen pädiatrische Versorgung in Sachsen-Anhalt gefährdet. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/107642/Kinderaerzte sehen-paediatrische-Versorgung-in-Sachsen-Anhalt-gefaehrdet. 22.11.2019. Letzter Zugriff 26.10.2020.
  2. fos/aerzteblatt.de. Regierung plant keine Herausnahme der Pädiatrie aus DRG-System. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/115989/Regierung-plant-keine-Herausnahme-der-Paediatrie-aus-DRG-System. 27. 8 2020. Letzter Zugriff 26.10.2020.
  3. Gemeinsamer Bundesausschuss. Qualitätsberichte der Krankenhäuser. https://www.g-ba-qualitaetsberichte.de/#/search. Letzter Zugriff 26.10.2020.
  4. Kassenärztliche Bundesvereinigung. Berufsmonitoring Medizinstudierende 2018. - Trier, 2019 - ISBN: 978-3-00-063534-2.
  5. Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt. Unsere Krankenhäuser im Land. https://www.kgsan.de/wnf/navbar/wnf.php?oid=7211&sid=. Letzter Zugriff 26.10.2020.
  6. Landesregierung Sachsen-Anhalt. Krankenhausplanung. https://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/bsst/document/VVST-VVST000010828. 26.11.2019. Letzter Zugriff 26.10.2020.
  7. Osterloh F. Pädiatrie: Wege aus der Unterfinanzierung. Dtsch Arztebl. 2020; 117(9) : A-421/B-367/C-355.
  8. Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten. 53. Woche 2020 (Datenstand: 06.01.2021) Epidemiologisches Bulletin. 2021; 01: 26-28.
  9. Rudnicka J. Geburten in Sachsen-Anhalt bis 2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/588945/umfrage/anzahl-der-geburten-in-sachsen-anhalt/. 29.07.2020 Letzter Zugriff 26.10.2020.
  10. Studitemps GmbH und Maastricht University. Studentische Wanderungsbewegungen innerhalb Deutschlands zwischen Schule, Studium und Beruf. 2019. https://studitemps.de/wp-content/uploads/2019/03/fachkraft2030-binnenmigration.pdf. Letzter Zugriff 26.10.2020.
  11. Innovative Forschungskooperation „Tele-Kasper“ soll Einsatz von Antibiotika bei Kindern um mindestens 20 Prozent verringern. 15.10.2020. https://www.uk-halle.de/index.php?id=2847&tx_ttnews[tt_news]=6440&cHash=a. Letzter Zugriff 26.10.2020.


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