Dr. rer. nat. Martha A. L. Böning¹, Dr. med. Jacqueline Färber¹, Dr. med. Wilfried Obst²Prof. Dr. med. Verena Keitel², Prof. Dr. med. Achim J. Kaasch¹

Prof. Dr. med. Achim J. Kaasch
Prof. Dr. med. Achim J. Kaasch

¹,² Zentrum für Infektionsmedizin,
¹ Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene,
² Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R., Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Aktuelles

Vor allem in Europa verbreiten sich die Affenpocken, so dass die WHO am 26.07.2022 eine „Gesundheitliche Notlage mit internationaler Tragweite“ erklärt hat, um die internationale Koordination zu erleichtern. Mit Stand 31.08.2022 wurden weltweit mehr als 50.000 Fälle erfasst, davon mehr als 22.500 aus Europa (1). Auf Deutschland entfielen dabei 3.467 Affenpockenfälle, welche aus allen 16 Bundesländern an das Robert Koch Institut (RKI) gemeldet wurden, 5 Fälle davon weiblich. Pro Woche kommen aktuell etwa 80 Fälle dazu (2). Die aktuellen Risikogruppen sind derzeit Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben.

Vorkommen

Die Affenpocken verursachen eine seltene vesikulär-pustulöse Viruserkrankung, die bisher vor allem in den Regenwäldern Zentral- und Westafrikas auftrat. Sie sind seit Ausrottung des „klassischen“ Pockenvirus (Menschenpocken, Variola-Virus) die bedeutendste Orthopoxvirus-Infektion, die auch den Menschen befallen kann. Jedes Jahr werden mehr als 1.000 Fälle in der Demokratischen Republik Kongo beschrieben. Im aktuellen Ausbruch haben sich die weltweite Verteilung und die Übertragungswege grundlegend verändert.

Erreger

Das Affenpockenvirus (auch monkeypox virus, MPXV oder Orthopoxvirus simiae) ist ein DNA-Virus vom Genus „Orthopoxviren“ und wurde 1958 in Zooaffen (Makaken) entdeckt, woher das Virus seinen Namen hat. Das tierische Reservoir sind vermutlich nicht Affen, sondern Nagetiere.

Erkrankung

Eine Affenpockenerkrankung verläuft bei den meisten Menschen mild und heilt im Normalfall von allein ab. Schwere Verläufe oder Todesfälle sind selten, können aber insbesondere bei jüngeren und/oder immunsupprimierten Patientinnen und Patienten vorkommen.

Die Inkubationszeit beträgt etwa 5 bis 21 Tage, zuletzt wurden auch kürzere Zeiten von 2 bis 4 Tagen beschrieben. Klinisch äußert sich die Virusinfektion zunächst mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Muskel- und Rückenschmerzen und Lymphknotenschwellungen. Diese Symptome treten meist vor den charakteristischen makulopapulösen bis vesikulopustulösen Effloreszenzen an Haut und Schleimhäuten auf, welche teilweise sehr schmerzhaft sind oder mit Juckreiz einhergehen können. Typischerweise durchlaufen diese Hautveränderungen die Stadien Macula, Papula, Vesicula und Pustula, welche verkrusten und dann abfallen.

Im Gegensatz zur wichtigen Differentialdiagnose der Windpocken befinden sich die Effloreszenzen alle im gleichen Stadium. Sie beginnen häufig im Gesicht, auf Handinnenflächen und Fußsohlen, können aber auch am ganzen Körper vorkommen. Im aktuellen pandemischen Infektionsgeschehen finden sich die Läsionen teils ausschließlich lokal im Intimbereich (perianal, rektal und genital), was auf eine Übertragung im Rahmen sexueller Aktivität hindeutet (Bildmaterial unter [3]).

Personen, die gegen Pocken mit dem Vaccinia-Virus geimpft wurden (Pflichtimpfung in Westdeutschland bis 1976, in der DDR bis 1982), haben weniger Hautläsionen und einen milderen Krankheitsverlauf.

Differentialdiagnose

Die wichtigste Differentialdiagnose zu Affenpocken sind die Windpocken und der Herpes zoster (Varizella-Zoster-Virus, VZV). Bei VZV sind Hautläsionen an den Handflächen und Fußsohlen eher selten, die Lymphknoten sind nicht betroffen und werden von einer asynchronen sowie schnellen Progression begleitet. Weitere mögliche Differentialdiagnosen sind andere Pockeninfektionen (Vaccinia-Virus, [Pocken-Impfvirus], Kuhpockenvirus), Molluscum contagiosum, Herpes simplex, Masern aber auch bakterielle Hautinfektionen, Scharlach, Syphilis, Krätze und Medikamenten-assoziierte Allergien.

Übertragung und Infektiosität

Bislang waren Übertragungen zwischen Menschen selten und die Erkrankung durch den direkten Kontakt zu wildlebenden infizierten Tieren oder deren Ausscheidungen erworben (Zoonose). Im aktuellen Infektionsgeschehen erfolgt die Übertragung von Mensch zu Mensch vor allem durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder engen Haut- und Schleimhautkontakt, z. B. durch Wunden oder Schorf, Intimverkehr sowie Kontakt mit kontaminierten Objekten oder Oberflächen, z. B. Handtücher und Bettwäsche. Eine Übertragung durch ausgeatmete Tröpfchen ist auch in der frühen Krankheitsphase vor dem Auftreten der Hautläsionen möglich. Eine Ausbreitung über Aerosole ist unwahrscheinlich. Erkrankte sind von Beginn an infektiös, insbesondere beim ersten Auftreten von Hauteffloreszenzen. Die Ansteckungsfähigkeit endet erst, wenn alle Läsionen verheilt und der Schorf abgefallen ist.

Das Affenpockenvirus kann auf unbelebten Oberflächen über Tage bis Monate überleben. Daher setzt der Umgang mit potentiell infizierten Patienten eine konsequente Umsetzung der Basishygienemaßnahmen (Händehygiene, Desinfektion und Reinigung kontaminierter Oberflächen, Abfallentsorgung) gemäß KRINKO-Empfehlung voraus. Insbesondere ist während der patientennahen Versorgung das Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung (Schutzkittel, Einweghandschuhe, FFP2-Maske, Schutzbrille, Haube) erforderlich, welche durch die Einhaltung organisatorischer Aspekte wie z. B. Distanzierung oder Isolierung von infektionsverdächtigen bzw. infizierten Patienten ergänzt wird.

Therapie

Für die topische Anwendung eignen sich Zink-Schüttelmixturen. Nach strenger Indikationsstellung (Resistenzentwicklung) steht für die systemische Therapie einer Infektion das in Europa zugelassene Medikament Tecovirimat (in der EU Tecovirimat SIGA®) in begrenztem Ausmaß zur Verfügung. Eine Indikation besteht bei einem erwarteten schweren Krankheitsverlauf durch Immundefizienz, z. B. nach Organ- oder Stammzelltransplantation oder einer HIV Infektion mit einer CD4-Zellzahl < 200/µl. Bei Kontraindikationen oder fulminantem Verlauf kann auch die Anwendung humaner Vaccinia-Immunglobuline erwogen werden. Das regional zuständige STAKOB Behandlungszentrum sollte einbezogen werden (4).

Impfung

Seit 2013 ist der Impfstoff Imvanex® (Bavaria Nordic) zur Prophylaxe der Pocken zugelassen, der ein nicht-vermehrungsfähiges Vacciniavirus enthält und eine Kreuzimmunität gegenüber Affenpocken erzeugt. Die STIKO empfiehlt die Verwendung als Postexpositionsprophylaxe bei Hochrisikokontakten so rasch als möglich bis zu 14 Tage nach der Exposition (sexuelle Kontakte, nach engem Kontakt ohne persönliche Schutzausrüstung, Personal in Laboratorien mit ungeschütztem Kontakt zu Laborproben). Weiterhin wird die Impfung von Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko empfohlen, z. B. Personen mit Immundefizienz oder als Ringimpfung während eines Ausbruchsgeschehens. In Sachsen-Anhalt wird die Impfung demnächst ebenfalls, u. a. über die Infektionsambulanzen der Universitätsklinika, verfügbar sein (Stand 01.09.2022).

Zur vollständigen Grundimmunisierung wird eine zweite Impfstoffdosis im Abstand von ≥ 28 Tagen empfohlen. Allerdings aufgrund des aktuell nur eingeschränkt verfügbaren Impfstoffes, kann dieses Impfintervall verlängert werden. Ein guter Basisschutz ist bereits nach der 1. Impfung vorhanden (4). Personen, die bereits früher eine Pocken-Impfung erhalten haben und keine Immundefizienz haben, sind durch eine einmalige Auffrischungsimpfung mit Imvanex® ausreichend immunisiert. Pocken-vakzinierte Patienten mit Immunschwäche bedürfen hingegen einer zweiten Impfung. Für Schwangere und Kinder ist der Impfstoff zurzeit nicht zugelassen.

Labornachweis

Je nach Verfügbarkeit der Nachweismethoden gelingt der Erregernachweis während der akuten Krankheitsphase mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR), Viruszellkultur oder Elektronenmikroskopie aus Exsudat, Vesikelflüssigkeiten oder Abstrichen von Hautläsionen bzw. Krusten.

Die derzeit sensitivste und schnellste Methode zum Virusnachweis ist der Nachweis der Nukleinsäure mittels einer real-time PCR, mit der sowohl die Gattung der Orthopoxviren als auch die direkte Virusspezies nachgewiesen werden können. Bei Verwendung einer gattungsspezifischen PCR sollte die Spezies nachträglich differenziert werden, z. B. im zuständigen Konsiliarlabor (RKI). Diese zweistufige Diagnostik wurde in der Universitätsklinik Magdeburg etabliert und steht auch für externe Einsender zur Verfügung.

Meldepflicht und Public Health-Maßnahmen

Um eine Verbreitung der Erkrankung zu verhindern, ist der Verdacht auf eine Affenpockeninfektion, die Erkrankung und der Tod nach §6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG vom behandelnden Arzt oder Ärztin bzw. der direkte Erregernachweis nach §7 des IfSG durch das bestimmende Labor an das Gesundheitsamt zu melden. Bei Nachweis einer Infektion erfolgt eine häusliche Isolation für mindestens 21 Tage bis zum Abfallen aller Krusten und Abheilung aller Läsionen. Kontaktpersonen werden je nach Risikokategorie ebenfalls isoliert (5). Eine stringente Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsbehörden zur Begrenzung des Ausbruchs ist obligat.

Fazit

Die Affenpocken sind eine nicht zu unterschätzende virale Erkrankung, die sich aktuell vor allem in Europa und den Vereinigten Staaten verbreitet. Die Übertragungen von Mensch-zu-Mensch sind vor allem durch engen Haut-zu-Haut-Kontakt möglich, wobei die Risikogruppe MSM am meisten gefährdet ist.
Dennoch ist ein Übergreifen des Ausbruchs auf andere Bevölkerungsgruppen möglich. Geeignete Maßnahmen zur Erregereindämmung sind ein frühzeitiges Erkennen der Erkrankung, die rasche Isolation Erkrankter sowie eine stringente Kontaktnachverfolgung und Impfung.

Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Achim J. Kaasch
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene
Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R.
Medizinische Fakultät der
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Haus 44
Leipziger Straße 44
39120 Magdeburg
Tel.: 0391/67-13392
Fax: 0391/67-13384
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Foto: Uniklinikum Magdeburg

Literatur

  1. https://extranet.who.int/publicemergency
  2. https://survstat.rki.de
  3. http://www.rki.de/affenpocken-bilder
  4. Hinweise zur Therapie der Affenpocken, Stand 29.07.2022, DOI 10.25646/10113.4 Veröffentlicht unter: www.rki.de/stakob-stellungnahmen
  5. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Flussschema.html