Axel Schlitt 1, 2
1 Paracelsus-Harz-Klinik, Abteilung Kardiologie und Diabetologie
2 Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Abbildung 1: Überblick über die Covid-19-Nomenklatur (aus 2)
Abbildung 1: Überblick über die Covid-19-Nomenklatur (aus 2)

Einleitung

Die Infektion mit SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus Type 2) und die häufig daraus resultierende Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) haben zu einer Pandemie mit mehr als 550 Millionen Erkrankten geführt. Bis Anfang September 2022 sind weltweit mehr als 6,5 Millionen an und mit dieser Erkrankung verstorben, in Deutschland mehr als 147.000 Menschen (1).

Long-COVID und Post-COVID-Syndrom

Eine große Anzahl der Betroffenen entwickelt nach der akuten Erkrankungsphase Symptome, die unter den Begriffen Long-COVID- und Post-COVID-Syndrom zusammengefasst werden. Wie groß dieser Anteil ist, wird in der Literatur kon-trovers diskutiert. In der S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) wird die Häufigkeit mit bis zu 15 % angegeben. (2). Die Definition der Begrifflichkeiten entsprechend der aktuellen Literatur ist Abbildung 1 zu entnehmen. Im Wesentlichen klassifiziert man Symptome, die jenseits von vier Wochen nach der Infektion anhalten, als Long-COVID, jenseits von zwölf Wochen als Post-COVID-Syndrom (2).

Die Bedeutung der Erkrankung für die Gesellschaft machen Daten der Techniker Krankenkasse (TK) deutlich. Im TK-Gesundheitsreport 2022 mit dem Schwerpunkt Long-COVID konnte gezeigt werden, dass Betroffene im Jahr 2021 mehr als 100 Tage arbeitsunfähig waren (3).

Die Symptome sind vielfältig, wobei Fatigue, Dyspnoe sowie Abnahme der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit am häufigsten zu finden sind. In der Regel leiden die Betroffenen jedoch nicht nur an einem, sondern an einer Vielzahl von Symptomen (Abbildung 2) (2).

Die Pathophysiologie ist unverstanden. Diskutiert werden Persistenz des Virus, Neuro-Inflammation, Störungen der Mikrovaskularisation, Bildung von Autoantikörpern u. a.

Ein Post-COVID-Syndrom kann weder durch Laboruntersuchungen diagnostiziert noch objektiviert werden. Ebenso schließen normale, apparativ gewonnene Werte diese Erkrankung nicht aus. Die Diagnose beruht somit auf der klinischen Einschätzung anhand der Symptomatik des Betroffenen.

Aus dem mangelhaften Verständnis des Post-COVID-Syndroms resultiert das Fehlen einer evidenzbasierten Therapie. Nach Ansicht des Autors ist nach aktuellem Kenntnisstand die Durchführung einer ambulanten oder stationären, dem führenden Symptomenkomplex angepassten, interdisziplinären psychosomatischen, pneumologischen, neurologischen oder kardiologischen Rehabilitationsmaßnahme die einzig zu empfehlende Therapiemaßnahme. In der im August 2022 aktualisierten S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID der AWMF wird diese Empfehlung jedoch schwächer formuliert: „Es gibt erste Hinweise, dass Rehabilitation für eine unterstützende Genesung bei Post-/Long-COVID sorgen kann.“ (2).

Situation in Sachsen-Anhalt

Wie viele Menschen in unserem Bundesland an einem Post-COVID-Syndrom leiden ist unklar. Wenn man bundesweit eine Häufigkeit von ca. 15 % zu Grunde legt (1) und es auf die bis Mitte August 2022 dokumentierten ca. 815.000 Covid-19-Fälle laut Robert Koch-Institut (RKI) überträgt (2), wäre eine Zahl von ca. 122.000 Post-COVID-Fällen in Sachsen-Anhalt anzunehmen, die unter anderem einen Rehabilitationsbedarf haben. Diese Kalkulation hat jedoch zahlreiche Limitationen, z. B. werden Re-Infektionen nicht mit einberechnet.

Abbildung 2: Symptome und deren Häufigkeit bei Long-COVID und Post-COVID-Syndrom (aus 2)
Abbildung 2: Symptome und deren Häufigkeit bei Long-COVID und Post-COVID-Syndrom (aus 2)

In Sachsen-Anhalt sind viele Institutionen in der Betreuung und Behandlung von Patienten mit einem Post-COVID-Syndrom aktiv:

  • Die Möglichkeit der Betreuung in einer Post-COVID-Ambulanz ist nach Kenntnisstand des Autors im Klinikum Bergmannstrost in Halle (Saale) für Patienten, die über die Unfallversicherungen oder Berufsgenossenschaften gemeldet werden, möglich.
  • Es sind Selbsthilfegruppen (SHG) im ganzen Bundesland entstanden. Zwei der Selbsthilfegruppen sind bereits in der Datenbank der nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) (4) zu finden: Zum einen in Sangerhausen die Selbsthilfegruppe „Long-COVID/Post-COVID“:
    - https://www.selbsthilfekontaktstellen-lsa.de/shg-long-covid-post-covid-im-landkreis-mansfeld-suedharz/, zum anderen in Lutherstadt-Wittenberg die Selbsthilfegruppe „Long-COVID-Erkrankte, Post-COVID-Erkrankte“:
    - https://www.wittenberg.de/leben/selbsthilfegruppen-und-soziale-vereine.html.
  • In den Rehabilitationskliniken in Sachsen-Anhalt werden zahlreiche Patienten mit einem Post-COVID-Syndrom rehabilitiert, beispielhaft in der Paracelsus-Harz-Klinik mehr als 700 Patienten im Jahr 2021 und die Zahl der Anträge steigt stetig.
  • Der Behindertensportverband Sachsen-Anhalt ist bestrebt, Post-COVID-Rehasportgruppen zu etablieren. Die Auf-taktveranstaltung fand am 17.09.2022 in der Paracelsus-Harz-Klinik Bad Suderode statt.


Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird noch eine große Anzahl weiterer Aktivitäten in unserem Bundesland zur Behandlung und Betreuung der Patienten mit einem Post-COVID-Syndrom angeboten, wobei nur die dem Autor Bekannten hier aufgeführt sind.

Wissenschaftliche Projekte werden insbesondere am Universitätsklinikum Magdeburg aber auch am Universitätsklinikum Halle (Saale) und in den Rehabilitationskliniken durchgeführt.
In der Paracelsus-Harz-Klinik konnte beispielhaft eine erste, prämierte Arbeit mit dem Schwerpunkt auf spiroergometrischen Daten von mehr als 100 Rehabilitanden mit einem Post-COVID-Syndrom auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR) im Juni 2022 in Berlin vorgestellt werden.

Zusammenfassung

Auch wenn die genaue Zahl der Betroffenen nicht bekannt ist, ist davon auszugehen, dass das Post-COVID-Syndrom viele Menschen in Sachsen-Anhalt betrifft. Die Therapie beruht aktuell im Wesentlichen auf Rehabilitationsmaßnahmen, die erfolgreich u. a. in den Rehabilitationsklinken in unserem Bundesland durchgeführt werden.

Literatur

  1. rki.de
  2. S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID. AWMF-Register Nr. 020/027. Stand: 17.08.2022 (in Überarbeitung), gültig bis 31.08.2023.
  3. https://www.tk.de/resource/blob/2129682/70045874c0f603398581fe24de20219f/tk-gesundheitsreport-2022-schwerpunkt-long-covid-data.pdf
  4. https://www.nakos.de/data/Online-Publikationen/2022/NAKOS-Corona-Selbsthilfegruppen.pdf


Korrespondierender Autor
apl. Prof. Dr. med. Axel Schlitt
Paracelsus-Harz-Klinik
Abteilung Kardiologie und Diabetologie
Paracelsusstrasse 1, 06485 Quedlinburg
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