Die kombinierte Oberflächenhyperthermie/hypofraktionierte Radiotherapie (HRT) für lokal rezidivierte Mammakarzinome, Plattenepithelkarzinome sowie Basalzellkarzinome der Haut

Dr. med. Peter Hass 1, 2, Dr. med. Ahmed Gawish 1, Dr. med. Franziska Thele 3, Prof. Dr. med. Thomas Tüting 4Prof. Dr. med. Atanas Ignatov 3, Prof. Dr. med. Thomas B. Brunner 1, 5
1 Universitätsklinik für Strahlentherapie, Universitätsmedizin Magdeburg
2 jetzt: Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Helios-Klinikum Erfurt
3 Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Geburts- und Reproduktionsmedizin, Universitätsmedizin Magdeburg
4 Universitätshautklinik, Universitätsmedizin Magdeburg
5 jetzt: Universitätsklinik für Strahlentherapie-Radioonkologie Graz, Österreich

Einleitung

Brustkrebs ist der häufigste Krebs der Frau und jede achte Frau ist in ihrem Leben davon betroffen. Registerdaten aus Deutschland zeigen, dass innerhalb von zehn Jahren bei 8 % der Patientinnen mit Brustkrebs nach einer Resektion im Gesunden (R0-Resektion) lokoregionäre Rezidive auftreten [1].

Auch wenn für die meisten Patientinnen das Auftreten einer Fernmetastasierung am meisten mit einer hohen psychischen Belastung einhergeht, darf die Bedeutung eines lokoregionären Rezidives für die Lebensqualität der Patientinnen nicht unterschätzt werden. Inoperable Lokalrezidive belasten die Patientinnen durch Schmerzen, Ulzera, Blutungen und Einschnürungen („cancer en cuirasse“). Darüber hinaus können sie zu Superinfektionen und Lymphödemen führen.

Solche Situationen treten typischerweise auf, nachdem mehrere Linien einer systemischen Therapie durchlaufen sind, sodass zu diesem Zeitpunkt weder wirksame operative noch systemische Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen. Weiterhin sind diese Patientinnen häufig vorbestrahlt und die Möglichkeiten einer erneuten Bestrahlung mit ausreichender Dosis für eine lokale Kontrolle sind äußerst begrenzt.

Ziel

Mit der Kombination aus Oberflächenhyperthermie/hypofraktionierter Radiotherapie (HRT) steht für strahlentherapeutisch vorbehandelte Patientinnen unter Berücksichtigung der Vorbelastung eine wirksame und zugleich schonende Re-Bestrahlungsoption zur Verfügung. Mit diesem Artikel soll auf diese, in Deutschland nicht flächendeckend angebotene Behandlungsmöglichkeit hingewiesen werden. Insbesondere sollen onkologisch tätige Gynäkologen, Onkologen, Hautärzte aber auch mitbetreuende Hausärzte angesprochen werden.

Material und Methoden

Abb. 1: Durchführung einer Oberflächenhyperthermie-Sitzung mit zwei wassergefilterten Infrarot-A-Hyperthermiequellen. (Foto: Universitätsklinik für Strahlentherapie, Universitätsmedizin Magdeburg)
Abb. 1: Durchführung einer Oberflächenhyperthermie-Sitzung mit zwei wassergefilterten Infrarot-A-Hyperthermiequellen. (Foto: Universitätsklinik für Strahlentherapie, Universitätsmedizin Magdeburg)

Die kombinierte Oberflächenhyperthermie/hypofraktionierte Radiotherapie stellt gerade für die in der Einleitung beschriebene Situation eine wertvolle Ergänzung der sonstigen Behandlungsmethoden dar. Eine unmittelbar vor der Re-Bestrahlung durchgeführte Oberflächenhyperthermie wirkt strahlensensibilisierend, wofür wissenschaftlich meh-rere Hyper-Mechanismen verantwortlich gemacht werden: die Vorbehandlung mit einer Hyperthermie führt zu einer verbesserten Durchblutung des Tumormikromilieus, sodass auch eine bessere Sauerstoffversorgung resultiert. Die Anwesenheit von Sauerstoff macht Strahlen 2 bis 3 mal wirksamer im Vergleich zu einem anoxischen Milieu, weil die durch Sauerstoff freigesetzten Radikale Schäden an der Tumor-Erbsubstanz durch die ionisierende Strahlung verstärken [2]. Vor allem Doppelstrangbrüche entstehen in höherer Zahl, die in Tumorzellen besonders schlecht repariert werden können, sodass die Tumorzellen sich nicht mehr teilen können und daher absterben. Darüber hinaus gibt es auch Studien, die Hinweise auf eine Verstärkung immunologischer Reaktionen durch die hier thematisierte Kombinationstherapie geben. Gerade in den vergangenen Jahren haben zahlreiche radiobiologische Analysen gezeigt, dass die Interaktion zwischen ionisierender Strahlung und immunologischen Mechanismen die antitumorale Wirkung der Radiotherapie potenzieren kann. Die Patienten an der Klinik für Strahlentherapie der Universität Magdeburg wurden mit dem Gerät Hydrosun THW 1500 (Heckel Medizintechnik GmbH) behandelt.

Ergebnisse

Die klinische Praxis der kombinierten Oberflächenhyperthermie/hypofraktionierte Radiotherapie (HRT) ist durch folgende Charakteristika geprägt: die Oberflächenhyperthermie dauert für die Patientinnen pro Sitzung 45 bis 60 Minuten und sie wird von diesen als angenehm und nicht als belastend beschrieben. Dabei werden Temperaturen bis zu 43° C erreicht, die durch eine automatische Temperaturmessung (Thermographie) limitiert werden, sodass Hitzeschäden zuverlässig vermieden werden können. Die Anwendung erfolgt entspannt im Liegen und wird durch die Anwesenheit einer Pflegekraft oder MTRA, welche die Hyperthermie durchführt, begleitet. Unmittelbar im Anschluss erfolgt die Bestrahlung der vorbehandelten Tumorregion.

Nach dem etablierten Berner Schema [3] wird nur eine Kombinationsbehandlung pro Woche durchgeführt mit insgesamt fünf HRT-Sitzungen zu jeweils 4 Gy. Die eher niedrige Dosis der Re-Bestrahlung ist damit nebenwirkungsarm und sie kann im Bedarfsfall auch wiederholt werden. Schon während der laufenden Behandlungsserie tritt in der Regel ein deutliches Ansprechen des Tumors ein.

In der aktuellen S3-Leitlinie der AWMF „Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms“ vom Juni 2021 [4] wird die simultane Kombinationstherapie bei Patientinnen mit Lokalrezidiven nach Resektion empfohlen, weil sie bei niedriger dosierter Re-Bestrahlungsdosis eine effektivere lokale Tumorkontrolle erreichen kann als eine alleinige Bestrahlung [5, 6]. Zusätzlich zur in der AWMF-Leitlinie angeführten Literatur beschreibt eine 2020 erschienene retrospektive Analyse von 201 Patientinnen in dieser Krankheitssituation die Ergebnisse dieser Kombination [7]. Bei diesen Patientinnen wurde das Ansprechen der Behandlung entsprechend der Tumorlast nach der Klassifikation von Class evaluiert, die die Ausdehnung des Tumors in der Fläche angibt (Tabelle 1).

Die in dieser Studie berichteten akuten Nebenwirkungen waren maximal Grad I und II der CTCAE-Klassifikation mit sehr wenigen Fällen von Teleangiektasien und Hyperpigmentierungen als Spättoxizitäten vom Grad I.

Tumorausdehnung nach Class komplette Remission partielle Remission stabile Erkrankung Progression
Class I: Ipsilaterale Thoraxwand,
Ø ≤ 10 cm oder
≤ 100 cm² kontinuierliches Tumorareal
76 % 24 % 0 % 0 %
Class II: Ipsilaterale Thoraxwand,
> 100 cm²
61 % 36 % 3 % 0 %
Class III: Mehr als ipsilaterale Thoraxwand* 36 % 61 % 2 % 0 %
Class IV: Ausdehnung auf dem Rücken („Cancer en cuirasse“) 2 % 83 % 10 % 5 %

 Tabelle 1: Ansprechraten bei 201 Patientinnen mit Lokalrezidiven eines Mammakarzinoms [7]

In Abbildung 2 ist der Verlauf des Ansprechens eines blutenden exulzerierten Mammakarzinoms einer 51-jährigen Patientin im Stadium IV dargestellt. Die in der Universitätsklinik für Strahlentherapie Magdeburg behandelte Patientin erhielt im Verlauf multiple Linien Systemtherapie und hatte dann eine reduzierte Knochenmarksreserve. Drei Monate nach Abschluss der simultanen Kombinationstherapie lag eine partielle Remission mit einer Reduktion um 80 % der Tumorfläche vor. Auch bei rezidivierten Plattenepithelkarzinomen der Haut und bei Basalzellkarzinomen kann diese Behandlung eingesetzt werden. In Abbildung 3 ist der eindrucksvolle Fall des Ansprechens eines Patienten mit einem lokal sehr ausgedehnten Basalzellkarzinom des Vertex dokumentiert.

Abb. 2: Ansprechen auf die kombinierte Oberflächenhyperthermie/hypofraktionierte Radiotherapie (HRT) vom 10.03. – 14.04.21 einer Patientin mit Mammakarzinom UICC-Stadium IV und Lokalbefund Class II. (1) 22. März 2021: ausgedehntes rechtsseitiges Mamma-karzinom vor HRT (Class II, 2 Behandlungsfelder), (2-6) Verlauf bis 3 Monate nach HRT wie datiert: nach HRT, 5 x 4 Gy, 1 Fraktion/Woche. (Fotos: Universitätsklinik für Strahlentherapie, Universitätsmedizin Magdeburg)
Abb. 2: Ansprechen auf die kombinierte Oberflächenhyperthermie/hypofraktionierte Radiotherapie (HRT) vom 10.03. – 14.04.21 einer Patientin mit Mammakarzinom UICC-Stadium IV und Lokalbefund Class II. (1) 22. März 2021: ausgedehntes rechtsseitiges Mamma-karzinom vor HRT (Class II, 2 Behandlungsfelder), (2-6) Verlauf bis 3 Monate nach HRT wie datiert: nach HRT, 5 x 4 Gy, 1 Fraktion/Woche. (Fotos: Universitätsklinik für Strahlentherapie, Universitätsmedizin Magdeburg)

 

Abb. 3: Ansprechen auf die HRT vom 18.06. – 11.08.2021 eines Basalzellkarzinoms (BCC). A: ein 94-jähriger Mann mit einem protuberanten BCC am Vertex. A-B: vor TRT bei blutendem BCC und Notfall-RT mit 1 x 8 Gy. C-D: Tumor vor der 2. Fraktion HRT und nach HRT am 09.07.2021 mit spontaner Lösung des protuberierenden BCC nach der Sitzung. E-H: weiterer Lokalbefund bis zum Abschluss der Therapie am 11.08.2021 bei einer HRT-Dosis von 25 Gy in 5 Fraktionen. (Fotos: Universitätsklinik für Strahlentherapie, Universitätsmedizin Magdeburg)
Abb. 3: Ansprechen auf die HRT vom 18.06. – 11.08.2021 eines Basalzellkarzinoms (BCC). A: ein 94-jähriger Mann mit einem protuberanten BCC am Vertex. A-B: vor TRT bei blutendem BCC und Notfall-RT mit 1 x 8 Gy. C-D: Tumor vor der 2. Fraktion HRT und nach HRT am 09.07.2021 mit spontaner Lösung des protuberierenden BCC nach der Sitzung. E-H: weiterer Lokalbefund bis zum Abschluss der Therapie am 11.08.2021 bei einer HRT-Dosis von 25 Gy in 5 Fraktionen. (Fotos: Universitätsklinik für Strahlentherapie, Universitätsmedizin Magdeburg)

Fazit

Zusammenfassend kann die Kombination der Oberflächenhyperthermie mit einer hypofraktionierten Radiotherapie eine gute klinische Wirksamkeit mit geringem Nebenwirkungsrisiko aufweisen und stellt daher eine wertvolle Ergänzung zur Behandlung von Patientinnen mit lokal rezidivierten Mammakarzinomen dar. Für die prospektive weitere Evaluation der simultanen Kombinationstherapie bei rezidivierten Mammakarzinomen mit der in Magdeburg vorhandenen Technik ist eine Teilnahme an einer Studie vorgesehen, welche das Universitätsklinikum Freiburg leitet. Darüber hinaus befindet man sich in der Planungsphase einer prospektiven Studie bei Patienten mit Plattenepithelkarzinomen und Basalzellkarzinomen der Haut.
Anmerkung: Derzeit wird die ambulante Hyperthermie nicht vergütet.

Danksagung

Wir danken Schwester Manuela Zydorek für die Unterstützung bei der Therapie der Patienten und für die Fotodokumentation der Behandlungsverläufe.

Erklärung

Ethische Richtlinien wurden eingehalten und Interessenskonflikte liegen nicht vor.

Literaturverzeichnis

  1. Holleczek B, Stegmaier C, Radosa JC, Solomayer EF, Brenner H. Risk of loco-regional recurrence and distant metastases of patients with invasive breast cancer up to ten years after diagnosis - results from a registry-based study from Germany. BMC Cancer. 2019;19(1):520.
  2. Vaupel P, Piazena H, Muller W, Notter M. Biophysical and photobiological basics of water-filtered infrared-A hyperthermia of superficial tumors. Int J Hyperthermia. 2018;35(1):26-36.
  3. Notter M, Piazena H, Vaupel P. Hypofractionated re-irradiation of large-sized recurrent breast cancer with thermography-controlled, contact-free water-filtered infra-red-A hyperthermia: a retrospective study of 73 patients. Int J Hyperthermia. 2017;33(2):227-36.
  4. Leitlinien. AdWMFA-SK. Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms Langversion 4.4 – Juni 2021 AWMF-Registernummer: 032-045OL http://www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk.html2021 [Available from: http://www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk.html.
  5. McCormick B. Counterpoint: Hyperthermia with radiation therapy for chest wall recurrences. J Natl Compr Canc Netw. 2007;5(3):345-8.
  6. Notter M, Thomsen AR, Nitsche M, Hermann RM, Wolff HA, Habl G, et al. Combined wIRA-Hyperthermia and Hypofractionated Re-Irradiation in the Treatment of Locally Recurrent Breast Cancer: Evaluation of Therapeutic Outcome Based on a Novel Size Classification. Cancers (Basel). 2020;12(3):606.


Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. med. Thomas B. Brunner
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