„Assessment – Therapieplanung – Lebensqualität“

Start eines neuen patientenzentrierten interdisziplinären Behandlungs- und Versorgungskonzeptes für onkologisch-geriatrische Patienten (PIVOG) im Universitätsklinikum Halle; Förderung durch das Wilhelm-Roux-Programm der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Wenn ältere Menschen an Krebs erkranken, stellen sich andere Fragen an die behandelnden Ärzte, die Betroffenen und deren Angehörige als bei jungen Patienten, da bei gleichem Lebensalter der Gesamtzustand sehr stark variieren kann. Ziel ist es, auch bei älteren Krebspatienten die Möglichkeiten moderner Tumortherapie zu nutzen, ohne die Lebensqualität der Betroffenen stark zu beeinträchtigen.

Während jüngere Patienten mit dem Ziel der Lebensverlängerung vorübergehende Einschränkungen durch Therapien in Kauf nehmen und sich auch davon erholen, sind bei älteren Patienten die Regenerationsfähigkeit, die Stresstoleranz des Organismus und dessen Organreserven in unterschiedlichem Maße eingeschränkt. Ältere Patienten leiden häufig unter verschiedenen Begleiterkrankungen. Körperliche und geistige Funktionalität, die Bewältigung des Alltags und die psychosoziale Situation können sich sehr stark unterscheiden, was wiederum die individuellen Behandlungsziele beeinflussen kann. Daher wird vor der Planung einer onkologischen Therapie die Durchführung eines umfassenden geriatrischen Assessments („Comprehensive Geriatric Assessment“, CGA) empfohlen. Ziel ist es, therapierelevante Risikofaktoren zu identifizieren und zu entscheiden, welche Therapien und Begleitbehandlungen den älteren Krebspatienten angeboten werden können. Diese Empfehlung hat jedoch noch keinen Eingang in den klinischen Alltag gefunden. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass es keine klaren Behandlungspfade gibt, die es erleichtern würden, die Befunde des CGA in ein Gesamtkonzept zur onkologischen Behandlung älterer Krebspatienten einzubeziehen.

Ärzteteamo.v.l.n.r.: PD Dr. med. Karin Jordan, Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin IV, Hämatologie und Onkologie (Projektleitung), Dr. med. Monika Cristofolini, Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Kardiologie, Angiologie, internistische Intensivmedizin, Geriatrie (Studienärztin), Prof. Dr. med. Ursula Müller-Werdan, Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Kardiologie, Angiologie, internistische Intensivmedizin, Geriatrie (Projektleitung), Prof. Dr. med. Dirk Vordermark, Universitätsklinik und Poliklinik für Strahlentherapie (Projektleitung) u.v.l.n.r.: Dr. med. Heike Schmidt, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinische Fakultät der MLU Halle-Wittenberg (Projektleitung, wissenschaftliche Koordination), Sigrid Roggendorf (Studienassistenz), Frau Katharina Lampe, Universitätsklinik und Poliklinik für Strahlentherapie (Studienärztin), Evelyn- Susanne Teuber (Studienschwester), Dr. Stefanie Boese, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft (wissenschaftliche Mitarbeiterin)

Im Universitätsklinikum Halle soll diese Empfehlung ab Dezember 2014 im Rahmen der PIVOG-Studie in den Universitätskliniken für Strahlentherapie und Innere Medizin IV (Hämatologie und Onkologie) in Zusammenarbeit mit der Klinik für Innere Medizin III und dem Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft umgesetzt werden. Ziel der Studie ist es, ein mit Experten aus der Onkologie, Geriatrie und Allgemeinmedizin entwickeltes patientenzentriertes interdisziplinäres Behandlungs- und Versorgungskonzept für onkologischgeriatrische Patienten (PIVOG) in der Praxis umzusetzen und auf Machbarkeit und Akzeptanz zu prüfen. Zentrales Ziel der Studie ist es, die Lebensqualität der Patienten im Behandlungsverlauf möglichst konstant zu halten. Dafür wird ein Konzept umgesetzt, welches individuelle Problembereiche und Einschränkungen aber auch Ressourcen der Patienten, ihre Lebenssituation und persönliche Behandlungsziele sowohl für die stationäre Behandlung als auch für die Nachsorge berücksichtigt. Im Folgenden sollen kurz die zentralen Elemente des Konzeptes PIVOG vorgestellt werden (Abb. 1).

Zentrale Element des PIVOG-Konzeptes

Abb. 1: Zentrale Element des PIVOG-Konzeptes

Aufgrund einer eingehenden interdisziplinären onkologisch-geriatrischen Untersuchung, der Bestimmung des biologischen Alters, der patientenberichteten Lebensqualität und ergänzender Auskünfte des behandelnden Hausarztes wird eine Behandlungsempfehlung erstellt. Diese Empfehlung wird dann gemeinsam mit dem Patienten und ggf. seinen Angehörigen und/oder dem gesetzlich bestimmten Betreuer besprochen und mit den Behandlungszielen des Patienten abgestimmt. Aufgrund der ausführlichen Assessments können bislang noch nicht identifizierte Risikofaktoren (z.B. Gangunsicherheit, reduzierte Handkraft, Mangelernährung) in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Während des stationären Aufenthaltes werden den Patienten frühzeitig therapiebegleitend bedarfsgerechte unterstützende Maßnahmen (z.B. Physiotherapie, Ergotherapie, Ernährungsberatung) angeboten, die nach der Entlassung bei Bedarf fortgeführt werden. Da ein wichtiges Ziel des Programms die Erhaltung der Lebensqualität auch nach der stationären Behandlung ist, ist die frühzeitige Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit den behandelnden Hausärzten von besonderer Bedeutung (Abb. 2).

Anfrage an die behandelnden Hausärzte

Abb. 2: Anfrage an die behandelnden Hausärzte

Die hausärztliche Sicht soll sowohl in die Planung der stationären Behandlung als auch der Nachsorge einbezogen werden. Die Patienten werden nach der Entlassung von einer speziell geschulten Pflegekraft weiter betreut. Die Patienten bekommen ein persönliches Patiententagebuch, in dem sie angeleitet werden, auftretende Symptome und Beschwerden zu beobachten und zu notieren. Je nach persönlicher Problemlage werden die Patienten beispielsweise auch gebeten, regelmäßig ihr Gewicht zu kontrollieren. Die Studienschwester wendet sich in regelmäßigen Abständen telefonisch an die Patienten oder die benannten Ansprechpartner, um sich nach dem aktuellen Zustand zu erkundigen. Aufgabe der Studienschwester ist es, die Patienten zu beraten und, falls notwendig, einen ärztlichen Termin oder andere Maßnahmen zu organisieren. Falls außerhalb der verabredeten Telefontermine Probleme oder Fragen auftreten sollten, können Patienten und Angehörige die Studienschwester auch selber anrufen.
Ab Dezember 2014 soll die Teilnahme onkologischen Patienten angeboten werden, die älter als 70 Jahre sind und außer der Tumorerkrankung mindestens eine Komorbidität und/oder eine Einschränkung der Selbstversorgung haben. Mit ersten Ergebnissen der Studie ist voraussichtlich im Sommer 2016 zu rechnen.

Kontakt:
Dr. med. Heike Schmidt
Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft
Medizinische Fakultät
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Telefon: 0345/557-4194
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Foto: UKH/zentrale Fotostelle/Arvid Rostek

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