Kunsttherapeutisches Angebot beeindruckt Patienten und Behandler
Die Kunsttherapie ist kein populärer Bestandteil der palliativmedizinischen Behandlung – und doch sollte sie es sein. In der HELIOS Bördeklinik bewies eine Patientin eindrucksvoll, wie nachhaltig das kunsttherapeutische Angebot Patienten und Behandler beeindrucken kann. Behandelnde Ärzte sollten öfter gezielt künstlerische Interessen und Fertigkeiten des Patienten erkennen und diese spezifisch in dessen Behandlung integrieren. Alle Werke sind bewusst weitgehend unkommentiert, da ein Bild oft mehr enthält als der Verstand gerade erkennen kann.
Die HELIOS Bördeklinik in Neindorf
In der Nähe des Motoparks Oschersleben liegt der Ortsteil Neindorf - hier befindet sich die HELIOS Bördeklinik. An eine internistische Station des Krankenhauses angegliedert, findet sich seit Juni 2014 in einem räumlich angrenzenden Bereich die „Palliativeinheit“. Die fünf Zimmer werden sowohl als Einzel- wie auch als Doppelzimmer (z.B. für Angehörige) genutzt. Drei ausgebildete Palliativmediziner, vier Fachschwestern, Physio- und Ergotherapeuten, eine Ernährungsberaterin, ein Psychologe und eine Kunsttherapeutin bilden das „Kernteam“.
Die Behandlung erfolgt meist bei Patienten mit einer weit fortgeschrittenen, nicht heilbaren Erkrankung – mit begrenzter Lebenserwartung, belastenden Symptomen, wie z. B. Atemnot, Schmerzen, Angst, Übelkeit und Erbrechen. Alle Maßnahmen der „Palliativ-einheit“ sollen den Schwerstkranken wie einen Mantel (lat.: „pallium“) schützend umhüllen.
Kunsttherapie – aber wozu?
Eine Form der Behandlung und Unterstützung in der Palliativmedizin stellt die Kunsttherapie dar, oft belächelt, geduldet, „sie gehört halt dazu“. Und doch ist sie inzwischen ein fester Bestandteil der Therapie geworden, die nicht nur Patienten, sondern auch Behandler bereichert und vor allem einen ganz anderen Zugangsweg zu den Erkrankten bietet.
Die Kunsttherapie führt in die Welt der Symbole, der Bilder und all dessen, was im Unterbewusstsein lebt und doch schwer zu fassen ist. Sie ist ein möglicher Weg, Gefühlen einen Platz und eine Stimme zu verschaffen. Über das Malen, Zeichnen oder Arbeiten mit Ton und anderen Materialien kann man wieder einen Zugang zum scheinbar verborgenen Wissen der Seele finden. Es kommt darauf an, sich selbst kennen zu lernen und wertzuschätzen. Jeder Einzelne entwickelt dabei unterschiedliche Ausdrucksweisen. Das Resultat spielt nur eine untergeordnete Rolle, aber der Weg dorthin ist von großer Bedeutung. Freie Assoziationen zum entstandenen Bild können Inspiration sein und Klarheit über „innere Prozesse“ liefern. Kunsttherapie bedeutet also auch, einen Weg zu finden, die eigenen Selbstheilungskräfte zu aktivieren und einen Zugang zu sich selbst zu bekommen, um auch die ängstlichen, traurigen, wütenden, verzweifelten, schönen und geheimnisvollen Seiten (wieder) zu entdecken und besser zu verstehen (Bild 1, S. 13) – fernab der üblichen „Schulmedizin“.Bilder mit bleibendem Eindruck
Im Januar 2015 wurde eine 45 Jahre alte Patientin in der Klinik aufgenommen, auf der Seite liegend, unter Übelkeit leidend, weinend, sich krümmend vor Schmerzen. Ein Mammakarzinom war seit 2009 bekannt, inzwischen existierten Metastasen in Pleura, Knochen und Gehirn. Die letzten Jahre waren geprägt von Chemotherapien und Bestrahlungen. Es gibt eine 9jährige Tochter und einen Lebensgefährten, der seit 5 Jahren immer an ihrer Seite weilt. Trotz der Schmerzen lächelte sie noch. Ihr Markenzeichen: immer lächelnd, auch unter Tränen. Eine relativ introvertierte Frau, Anwältin von Beruf, die immer alles „im Griff“ hatte, wie sie später erzählte, auch ihre Erkrankung. Bis jetzt regelte sie ihr Leben allein, war nie auf fremde Hilfe angewiesen und hätte sie auch nicht annehmen wollen, doch jetzt waren ihre Grenzen erreicht. Nach einigen Behandlungstagen war die Symptomlast fast genommen, die Patientin konnte wieder Nahrung zu sich nehmen, sich im Zimmer und auf der Station bewegen, Physiotherapie nahm sie gern an. Die Kunsttherapeutin wurde anfänglich nur sehr zögerlich ins Zimmer gelassen. Es stellte sich dann heraus, dass die Kunst und besonders das Zeichnen die große Leidenschaft der Patientin darstellte und sie oft zu Hause einen Skizzenblock bei sich trug. „Wenn ich zeichne, finde ich wieder zu mir selbst, komme runter und kann meine Angst erkennen und bekämpfen und meinen Gefühlen freien Lauf lassen“, erklärt sie. Sie zeigte dann einige ihrer während des stationären Aufenthaltes angefertigten Bilder (Bilder 1, 2, 3, S. 13), hier in chronologischer Reihenfolge, wobei die Beschriftungen der Bilder von der Patientin stammen (einige Bildbereiche wurden aus datenrechtlichen Gründen geschwärzt).Die Patientin wurde nach 10 Tagen beschwerdefrei entlassen, um sich einer Chemotherapie zu unterziehen. Mitte März 2015 kam es erneut zu einer stationären Aufnahme, die Patientin wies diesmal große Zukunftsängste auf. Außerdem klagte sie wieder über Übelkeit und Luftnot. Es erfolgte eine Infusionstherapie, unter der es ihr rasch besser ging. Außerdem musste sie sich einer Pleurapunktion unterziehen, nach der sie sich deutlich wohler fühlte. Auch dieses Mal hatte sie ihren Skizzenblock und ihre Stifte mitgebracht und saß oft in ihrem Bett und zeichnete (Bilder 4 und 5). Die Patientin wurde nach einer Woche wieder in die Häuslichkeit entlassen. Ihren Skizzenblock hat sie weiter oft dabei.
Christine Germer, Caterin Schmidt, Sabine Rothämel, Jürgen Sopora, Steffen RickesKorrespondenzanschrift:
Oberärztin Dr. med. Christine Germer
HELIOS Bördeklinik
Abteilung Palliativmedizin
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