14. Bad Kösener Groddeck-Symposium am 16.09.2016
Schizophrenien sind sicher mit die eindrucksvollsten Störungsbilder in der Psychiatrie. Neben dem bunten psychopathologischen Erscheinungsbild gehen die Krankheitsverläufe aber häufig auch mit kognitiven, sozialen und beruflichen Beeinträchtigungen einher. Das Krankheitsbild zählt zu den fünf Erkrankungen, die zu der größten Anzahl von Lebensjahren mit einer Behinderung (disability adjusted life years – DALY) führen. Trotz der Verbesserung medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten und der Erweiterung der Therapieoptionen (z. B. um die kognitive Verhaltenstherapie) stellt die Behandlung dieser Patientengruppe bis heute eine Herausforderung dar. Daher und danach wie vor die Behandlung von Patienten mit Schizophrenien keine Selbstverständlichkeit in Rehakliniken darstellen, widmete sich das 14. Groddeck-Symposium der SRH Medinet Burgenlandklinik in Bad Kösen den therapeutischen und rehabilitativen Möglichkeiten bei dieser Patientengruppe.
Nach einer kurzen Vorstellung der S3-Leitlinien zur Schizophrenie durch den Chefarzt der Klinik Herrn Dr. Ballaschke referierte Frau Prof. Dr. T. Lincoln aus Hamburg über Mechanismen der Entstehung und Aufrechterhaltung von Wahn und Halluzination. In ihrem Ansatz fokussierte sie, im Unterschied zu historischen Ansätzen, darauf, dass es sich bei psychotischen Symptomen um ein Kontinuum von gesundem zu krankhaftem Erleben handelt. In ihren Studien (mit subklinischen Populationen) untersuchte Lincoln die Auswirkung von Stress auf die Entstehung einer Wahnsymptomatik. Sie legte dar, dass Stresseinflüsse bei hoch vulnerablen Menschen zu einem Anstieg paranoider Gedanken führt, wobei der Effekt durch die erlebte Angst und den Selbstwert mediiert wird.
Frau Prof. Dr. S. Mehl aus Marburg knüpfte daran an und stellte Ansätze der kognitiven Verhaltenstherapie bei Schizophrenie vor. Vordergründiges Ziel der Therapie ist laut Mehl eine Reduktion von Stress und Belastung, welche Betroffene in Folge des Wahnerlebens empfinden. Ausgehend von einem „entpathologisierendem“ Krankheitsmodell werden nach psychoedukativer Vermittlung von Informationen (u. a. zu Denkverzerrungen/-fehlern) alternative Erklärungen erarbeitet und vermutlich logische aber real fehlerhafte Annahmen mittels kognitiver Techniken aufgedeckt, was schließlich in eine Modifikation subjektiver Erklärungsmodelle der Patienten münden soll.
Herr Prof. Dr. Weisbrod, Chefarzt der psychiatrischen Abteilung am SRH Klinikum Karlsbad-Langenstein, widmete seinen Vortrag kognitiven Funktionen bei Psychosen. Besonders Einschränkungen in den Bereichen der geteilten Aufmerksamkeit und der Response Inhibition führten häufig zu berufsbezogenen Einschränkungen (vor allem bei Konfrontation mit komplexen Situationen). Er betonte zudem, dass es sich bei dem Ausmaß, in dem kognitive Funktionen bei Erkrankten erhalten bleiben, um den besten Prädiktor für alltagsbezogene Leistungsfähigkeit und berufsbezogenes Bestehen handelt. Auch soziale Fähigkeiten beeinflussen entscheidend den Verlauf, so Weisbrod, jedoch seien diese wiederum von kognitiven Funktionen abhängig. In der Arbeit mit den Patienten sei es von großer Bedeutung, diese Einschränkungen für die Betroffenen verstehbar zu machen, um global negativen Selbsturteilen entgegen zu wirken bzw. vorzubeugen. Die besten Effekte zeigten laut Weisbrod eine Kombination aus kognitivem Training und social skills Training (z. B. nach Boey), bei denen inzwischen positive Auswirkungen auf den Alltag als auch bzgl. der Reintegration in die Arbeitswelt nachweisbar seien.
Frau Dr. U. Gühne von der Universität Leipzig erläuterte anschließend Möglichkeiten, Patienten mit Schizophrenie, welche hinsichtlich der Teilhabe am beruflichen Leben häufig benachteiligt sind, in den Arbeitsmarkt zu (re)integrieren. Sie stellte sowohl das „traditionelle Stufenleitermodell“ berufsvorbereitender Maßnahmen („erst trainieren dann platzieren“) als auch den Ansatz des supported Employment („erst platzieren, dann trainieren“) beispielsweise mit Hilfe eines Jobcoaches vor. In vergleichenden Untersuchungen gebe es Hinweise für die Überlegenheit des letzteren Ansatzes im Hinblick auf die Dauer der Zeit auf dem Arbeitsmarkt als auch auf nicht arbeitsbezogene Outcomes (u. a. geringere Klinikzeiten).
Im Abschlussreferat gewährte Herr Dr. T. Rösler interessante Einblicke in das Schaffen schizophrener Patienten in verschiedenen Epochen im Bereich der Kunst („Meist wird das zum Wahnsinn erklärt, was nicht in das Kunstkonzept des jeweiligen Autors passt.“). Er brillierte mit der Darstellung zahlreicher Kunstwerke, Geschichten darum herum und man konnte förmlich im Raum spüren, mit welcher Hingabe der Leiter der Prinzhorn Sammlung der Universität Heidelberg sich diesem Thema widmet.
Nachdem die Zeit der Mittagspause zu Stärkung, Klinikrundgang und Erfahrungsaustausch genutzt wurde, konnte am Ende der Veranstaltung bei Kaffee und Kuchen im Wintergarten der Klinik der kollegiale Austausch vertieft werden.
Wir freuen uns auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr, dann wird die „Motivation“ im Zentrum unserer Veranstaltung stehen.
Korrespondenzanschrift:
Dr. med. Olaf Ballaschke
Chefarzt, FA für Psychiatrie und
Psychotherapie, Suchtmedizin
SRH Medinet Burgenlandklinik
Fachklinik für Verhaltenstherapie,
Verhaltensmedizin, Psychosomatische Rehabilitation & Abhängigkeitserkrankungen
Käthe-Kruse-Str. 2
06628 Naumburg/Saale
Fotos: SRH Medinet Burgenlandklinik