Im Jahr 1982 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den 24. März zum Welttuberkulosetag mit dem Ziel, auf die Tuberkulose (TB) aufmerksam zu machen. Seit 2011 findet anlässlich des Welttuberkulosetages in Berlin eine Tagung statt, die sich an die Fachöffentlichkeit richtet. In diesem Jahr stand die Veranstaltung am 20. März 2017, welche federführend vom Robert Koch-Institut (RKI) veranstaltet wurde, unter dem Motto „Tuberkulose: Neues zu Surveillance, Management und Kontrolle“.
Tuberkulose kommt weltweit vor. Eine Infektionsgefahr geht von Menschen aus, die an einer offenen Lungentuberkulose erkrankt sind. Eine Ansteckung erfolgt jedoch nicht so leicht wie bei anderen über die Luft übertragbaren Krankheiten. Sie ist abhängig von der Häufigkeit, Dauer (i.d.R. mehrere Stunden) und Enge des Kontakts zu Erkrankten (1). Es besteht eine Arzt- und Labormeldepflicht in Deutschland: Erkrankung und Tod an einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose sowie der direkte Nachweis von Mycobacterium tuberculosis/africanum/bovis sind namentlich meldepflichtig. Nachdem bundesweit der Trend viele Jahre rückläufig war, wird seit 2013 eine Zunahme der gemeldeten TB-Fallzahlen beobachtet, welche durch die aktuellen demografischen Entwicklungen, insbesondere durch die Migration beeinflusst werden. Laut dem RKI-Bericht zur „Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2015“ (2) wurden 2015 5.865 TB-Fälle regis-triert. Dies entspricht einer Inzidenz von 7,3 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner. Die Ergebnisse des Berichtes unterstreichen, dass die Tuberkulose in Deutschland weiterhin von großer Public-Health-Relevanz ist.
Tuberkulose-Meldungen in Sachsen-Anhalt (Stand: 20.2.17)
Trends und Manifestationen
Während der Jahre 2001 bis 2009 ist die TB-Inzidenz in Sachsen-Anhalt stetig gesunken und lag von 2008 bis 2014 unter 6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Im Vergleich zu 2014 mit 5,1 Fällen pro 100.000 Einwohner war 2015 ein Anstieg der kumulativen TB-Inzidenz um 61 % auf 8,2 Fälle pro 100.000 Einwohner zu verzeichnen. Im Jahr 2016 wurden mit 6,5 Fällen pro 100.000 Einwohner 21 % weniger Tuberkulosen in Sachsen-Anhalt gemeldet als 2015. Dies liegt auch daran, dass 2016 deutlich weniger Fälle unter Personen deutscher Herkunft aufgetreten sind (2015: 89, 2016: 57). In den Jahren 2015 und 2016 war bei fast 80 % der TB-Fälle die Lunge betroffen. Bei den übrigen Fällen waren Lymphknoten-Tuberkulosen und Tuberkulosen der Pleura relativ häufig.
Demografische Merkmale (2015)
Von den insgesamt 194 im Jahr 2015 in Sachsen-Anhalt gemeldeten TB-Fällen waren 89 (46 %) in Deutschland geboren und 105 (54 %) im Ausland. Die TB-Inzidenz bei Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft lag bei 4,2 Fällen pro 100.000 Einwohner und bei Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft bei 120 Fällen pro 100.000 Einwohner. Zwischen in Deutschland und im Ausland geborenen Fällen fällt die in beiden Gruppen sehr unterschiedliche Altersverteilung auf (siehe Abbildung). Die in Deutschland geborenen TB-Fälle waren überwiegend älter als 49 Jahre, während fast 90 % der im Ausland geborenen TB-Fälle unter 50 Jahre waren. Sowohl die im Ausland geborenen als auch die in Deutschland geborenen Betroffenen waren überwiegend männlich (79 % bzw. 61 %). Im Ausland geborene TB-Fälle kamen 2015 vor allem aus Somalia, Syrien, Guinea-Bissau, Indien, dem Kosovo, Eritrea, Rumänien und Afghanistan. Seit Oktober 2015 wurde der Status „asylsuchend“ zusätzlich in den Meldedaten erfasst. Unter insgesamt 60 TB-Fällen, welche in Sachsen-Anhalt im letzten Quartal 2015 gemeldet wurden, waren 19 (32 %) Asylbewerber. Bei der Bewertung der Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass bei Asylbewerbern durch die gesetzlich vorgeschriebenen TB-Screeninguntersuchungen gemäß § 36 Infektionsschutzgesetz (IfSG) aktive Fallfindung betrieben wird. Dadurch werden höchstwahrscheinlich mehr Fälle identifiziert als in anderen Bevölkerungsgruppen.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Deutschland ist ein TB-Niedriginzidenzland, im Gegensatz zu TB-Hochinzidenzländern kommt die Erkrankung innerhalb der deutschen Bevölkerung selten vor und dies hat sich in den letzten Jahren nicht geändert. Eine Ursache für den Anstieg von TB-Fällen seit 2015 in Sachsen-Anhalt liegt in der Flüchtlingsbewegung. Viele Asylbewerber kommen aus Ländern, in denen Tuberkulose häufiger vorkommt als in Deutschland.
Gemäß § 36 Absatz 4 IfSG haben Personen, die in eine Gemeinschaftsunterkunft aufgenommen werden sollen, ein ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen, dass bei ihnen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer infektiösen Lungentuberkulose vorhanden sind. Das Zeugnis muss sich bei Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben (mit Ausnahme von Schwangeren), auf eine Röntgenaufnahme der Lunge stützen. In Sachsen-Anhalt werden diese Untersuchungen von Asylbewerbern in der Zentralen Aufnahmestelle (ZASt) bzw. der zuständigen Erstaufnahmeeinrichtung vorgenommen. Bei der Röntgenuntersuchung während der Erstuntersuchung von Asylbewerbern können in der Regel jedoch nur aktive Lungentuberkulosen und keine anderen Manifestationen oder latente Infektionen erkannt werden. Psychosoziale Belastungen, z. B. durch die Bedingungen auf der Flucht, können dazu beitragen, dass bei Asylbewerbern, welche zum Zeitpunkt der Erstuntersuchungen bereits infiziert sind ohne erkrankt und ohne ansteckend zu sein (latente Infektion), später die TB-Erkrankung ausbricht. Dies geschieht bei Migranten häufig innerhalb der ersten 5 Jahre nach ihrer Ankunft. Bei der gesundheitlichen Versorgung von Asylbewerbern und auch von anderen Personen aus TB-Hochinzidenzländern, die in Osteuropa, dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika liegen, sollte daher immer auch an Tuberkulose, einschließlich der nichtpulmonalen Formen, gedacht werden (3, 4).
- Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose New Recommendations for Contact Tracing in Tuberculosis German Central Committee against Tuberculosis (2011) Neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose
- RKI-Bericht zur „Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2015“
- Schönfeld, N (2016) Von der Diagnostik bis hin zu psychosozialen Aspekten: Tuberkulose bei Geflüchteten – was Sie beachten sollten.
- Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK), Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) (2012) Empfehlungen zur Therapie, Chemoprävention und Chemoprophylaxe der Tuberkulose im Erwachsenen- und Kindesalter
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