am 13. Januar 2018 im Schloss Teutschenthal
Unter dem Motto „Was hat sich in 2017 getan?“ fassten die Vertreter der Schwerpunkte im Department für Innere Medizin des Universitätsklinikums Halle aktuelle Entwicklungen ihres Gebietes zusammen. Von Jahr zu Jahr steigt die Zahl der interessierten Zuhörer, die lebhaft mit den Referenten diskutierten.

Den Einstieg machte Dr. Thomas Weber, der aus dem Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie berichtete. Neue gentherapeutische Ansätze bei Hämophilie A und B bieten für die Erkrankten erstmalig die Perspektive einer Heilung (NEJM 2017;377:2519; NEJM 2017;377:2215), auch wenn Langzeitdaten bezüglich der Sicherheit ausstehen.
Im Rezidiv einer Chronischen Lymphatischen Leukämie zeigte eine Phase III-Studie die Überlegenheit einer „chemofreien“ Therapie (Blood 2017;130:LBA-2) und unterstreicht den aktuellen Wandel in der Behandlung indolenter Lymphome. Der bcl-2 Inhibitor Venetoclax mit Rituximab zeigte über alle Risikogruppen hinweg ein besseres progressionsfreies und Gesamtüberleben als der Standard, Bendamustin und Rituximab.
Konsolidiert haben sich die bemerkenswerten Erfolge der Therapie von refraktären Leukämien und Lymphomen mit chimäre-T-Zell-Rezeptoren tragenden autologen T-Lymphozyten (CAR-T Therapie; NEJM 2017;377:2531). Erste Zulassungen in Europa sind 2018 zu erwarten. Patienten mit Hodgkin-Lymphom haben auch in fortgeschrittenen Stadien eine sehr gute Prognose. Durch eine – jetzt als Standard zu betrachtende – PET-basierte Therapiestratifikation nach 2 Zyklen BEACOPPesc konnten bei 50 % der Patienten Toxizitäten reduziert und das Überleben weiter verbessert werden (Lancet 2017;390:2790). Aktuell ist die Kostenübernahme dieses PETs individuell zu beantragen. Checkpointinhibitoren bieten im Vergleich zur Chemotherapie bei metastasierten, Platin-refraktären Urothelkarzinomen einen Überlebensvorteil. Ein in den USA zugelassener Ansatz um Patienten, die von einer Therapie mit Checkpointinhibitoren profitieren, über verschiedene Tumorentitäten hinweg zu identifizieren, ist der Nachweis einer erhöhten Mikrosatelliteninstabilität.
Neue Entwicklungen aus Nephrologie und Hypertensiologie referierte Herr Prof. Girndt. Er berichtet über positive Entwicklungen bei der Prävention der diabetischen Nephropathie, tendenziell könnte der GLP-1 Agonist Liraglutid die Diabeteskomplikation verzögern (NEJM 2017; 377:839). Bei der häufigsten Glomerulonephritis des Erwachsenen, der IgA-Nephropathie, ist weiter die Frage offen, ob eine Steroidtherapie vorteilhaft ist. Das TESTING-Trial (JAMA 2017; 318:432) spricht dagegen und wurde wegen Überwiegen der Steroidnachteile abgebrochen. Das NEFIGAN-Trial (Lancet 2017; 389:2117) hingegen lässt hoffen, dass sich die Erkrankung durch Budesonid in einer auf das Immunsystem des Darms gerichteten Formulierung nebenwirkungsarm beeinflussen lässt. Bei autosomal dominanter polyzystischer Nierenerkrankung kann die Progression durch den ADH-Antagonisten Tolvaptan auch in fortgeschrittenen Stadien noch gebremst werden (NEJM 2017; 377:1930).
Die mit Abstand größte und aussagekräftigste Studie zur Vermeidung der Nierenschädigung durch Röntgenkontrastmittel (Weisbord, NEJM e-pub 12. Nov.) könnte ein „game changer“ sein, zeigt sie doch, dass weder Natriumbicarbonat noch Acetylcystein beim euhydrierten Patienten einen Vorteil bieten. Dies erlaubt eine deutliche Vereinfachung der Präventionsmaßnahmen im klinischen Alltag.
In der Folge der SPRINT-Studie (NEJM 2015; 373:2103) haben die US-Fachgesellschaften ihre Empfehlungen zur Hypertoniedefinition (Absenkung des Grenzwertes auf 130/80mmHg) geändert (Whelton, Hypertension 2017 e-pub). Dies führt zu einer erheblichen Steigerung der Hypertonieprävalenz in der Bevölkerung (Circulation 2018; 137:109). Zumindest für Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz erscheint Vorsicht geboten, gibt es doch Hinweise auf einen rascheren GFR-Verlust bei zu tiefen Blutdruckzielen (JASN 2017;28:2812). Bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten führt die LDL-Cholesterinsenkung auf Werte um 1,0 mmol/L durch den Einsatz von PCSK9-Inhibitoren zu einer weiteren Sterblichkeitssenkung (NEJM 2017; 376:1713). Nicht zuletzt aufgrund der hohen Kosten wird sich die Indikation hierfür auf Höchstrisikopatienten konzentrieren.
Herr Prof. Keyßer berichtete Entwicklungen aus der Rheumatologie. Für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) gilt nach wie vor die Empfehlung, in der Erst-Therapie auf Methotrexat (MTX) zu setzen. Die Daten der CAMERA-Studie zeigen, dass die günstigen Effekte einer Initial-Behandlung mit MTX und niedrigdosiertem Prednisolon noch nach 12 Jahren messbar sind, im Vergleich mit MTX alleine – und das, obwohl bei fast 90 % der Patienten nach dieser Zeit keine Steroide mehr verabreicht wurden (Ann Rheum Dis 2017; 76:1432). RA-Patienten sollen gegen Influenza geimpft werden. Unter MTX ist die Impfantwort abgeschwächt. Die Impfantwort fällt deutlich stärker aus, wenn MTX nach der Impfung für 4 Wochen pausiert wird. Die Therapieeffizienz leidet darunter nicht (Ann Rheum Dis 2017; 76:1559). Die Zahl der für die RA verfügbaren Biologika ist durch neue Präparate und die Einführung von Biosimilars weiter gestiegen. Darüber hinaus sind 2017 zwei Tyrosinkinaseinhibitoren (Tofacitinib und Baricitinib) für die RA in den Handel gekommen. Beide Präparate werden z. Z. auch für Spondyloarthritiden (M. Bechterew und Psoriasis-Arthritis) getestet, sodass künftig mit einer Indikationserweiterung gerechnet wird. Zudem sind mehrere Antikörper gegen Interleukin 17 für die gleiche Erkrankungsgruppe in Entwicklung oder bereits im Einsatz.
Der systemische Lupus erythematodes (SLE) kann erfolgreich mit Mycophenolatmofetil (MMF) behandelt werden; ein Präparat, das Azathioprin überlegen ist (Ann Rheum Dis 2017; 76:1557). Neue Daten zeigen, dass Ustekinumab, ein Anti-Interleukin 12/23-Antikörper, bei nicht-lebensbedrohlichen Verläufen wirkt. Retrospektive Analysen belegen, dass Sklerodermie-Patienten von einer Immunsuppression (z. B. MTX oder MMF) profitieren, sodass eine Therapie trotz schlechter Studienlage vertreten werden kann.
Aus dem Schwerpunkt Gastroenterologie berichtete Prof. Michl über Neuigkeiten zum Hepatozellulären Karzinom (HCC): Hier wurden 2017 neue Studien zur Wertigkeit der Selektiven Internen Radiotherapie (SIRT) als lokales Therapieverfahren präsentiert, welches interdisziplinär durch Gastroenterologie, Nuklearmedizin und interventionelle Radiologie geplant und durchgeführt wird. Die SIRT Therapie ist bei lokal-fortgeschrittenen HCCs einer systemischen Therapie mit Sorafenib bzgl. des Gesamtüberlebens ebenbürtig und stellt somit eine Therapieoption bei Versagen oder Unverträglichkeit gegenüber Sorafenib dar (Lancet Oncol 2017; 18: 1624).
Ein schwieriges Thema ist das Vorgehen bei zystischen Pankreasläsionen. Hierbei weisen muzinöse Läsionen (IPMN, MCN) ein nicht unerhebliches malignes Potenzial auf. 2017 wurden neue Konsensus-Leitlinien veröffentlicht, die bei IPMN insbesondere die Wertigkeit der KM-Endosonographie zur Detektion solider Zystenanteile mit erhöhtem Malignitätsrisiko betonen. Die Empfehlungen bzgl. bildgebender Überwachung oder Operation sollten interdisziplinär in erfahrenen Zentren getroffen werden (Pancreatology 2017; 17: 738).
Die Opiat-induzierte Obstipation ist ein häufiges Problem bei Schmerzpatienten. Hier gibt es durch die ausschließlich peripher wirkenden Opiatantagonisten (Methylnaltrexon s.c., Naloxegol p.o.) eine gute Therapieoption. Studien konnten zeigen, dass die Gabe von Methylnaltrexon positive Effekte auf das Überleben von Tumorpatienten hat (Janku, Ann Oncol 2017; e-pub 13. Dez.).
Bei der Therapie des Reizdarmsyndroms deuten neue Studien auf eine wichtige Rolle der FODMAP-Diät (Gastroenterology. 2017; 153: 936).
Beim schwierigen Thema des fäkalen Mikrobiomtransfers („Stuhltransplantation“) deuten erste Studien darauf hin, dass möglicherweise auch Sterilfiltrate standardisierter Stuhlpräparationen effektiv sein könnten, wodurch das Transmissionsrisiko potenzieller Pathogene vermindert werden könnte (Gastroenterology 2017; 152: 799).
Zum Schwerpunkt Pneumologie berichtete Herr Dr. Eisenmann. Für das Asthma bronchiale wurde eine neue deutsche Leitlinie vorgestellt. Essentiell ist die Einfachheit der Symptomkontrolle (Beschwerden tags, nachts, Nutzung Bedarfsspray, Einschränkung der Aktivität, ggf. Lungenfunktion, Exazerbationsneigung). Im schweren Asthma sollte vor Beginn einer oralen Steroidtherapie nach Phänotypisierung eine Behandlung mit Biologika (z. B. anti-IL5 Antikörper) geprüft werden. Die internationalen COPD-Leitlinien verdeutlichen, dass eine Therapie sich nicht an der Lungenfunktion, sondern v. a. an der Exazerbationshäufigkeit und der Einschränkung der Lebensqualität orientiert. Inhalative Steroide sind nur noch in Subgruppen einzusetzen. Bei suffizienter Entblähung, die neben medikamentöser Therapie auch durch gute Trainingstherapie erreichbar ist, erhöht sich die Aktivität und verbessert sich – unabhängig von einer kardialen Grundkrankheit – auch die Linksherzfunktion, wie Daten der Acitvate- und CLAIM-Studie zeigten. Eine nichtinvasive Beatmung verlängert das Überleben bei stabiler Hyperkapnie und kann aber auch nach einer Exazerbation die stationäre Wiederaufnahme reduzieren.
Die endoskopische Volumenreduktion bei symptomatischem Lungenemphysem mit Ventilen ist in Subgruppen erfolgversprechend und kann das Überleben verlängern, wie Langzeitdaten der Stelvio-Trial sowie der Thoraxklinik Heidelberg zeigten. Eine neue Therapieoption besteht in der Heißdampfapplikation, die nach den positiven Daten der Step-Up-Studie zugelassen wurde und – so auch am UK Halle – in Registerstudien möglich ist. Die endoskopische Coil-Einlage gerät aufgrund mäßiger Studiendaten ins Hintertreffen.
Erstmals wurde eine Leitlinie für Mukoviszidose-unabhängige Bronchiektasen veröffentlicht. Als ein wichtiger Exazerbationstrigger gilt die neu aufgetretene Pseudomonas-Kolonisation, die einen Eradikationsversuch mittels 3-monatiger Inhalationsantibiose rechtfertigt.
In der Therapie des metastasierten Lungenkarzinoms nimmt die Immuntherapie einen zentralen Stellenwert ein. Bei fehlendem Nachweis anderer Treibermutationen ist sie bei hohem PD-L1-Status nun bereits in der First-Line-Therapie zugelassen. Weitere erfolgreiche Therapiedaten existieren neben der Zweitlinienbehandlung auch für eine Konsolidierung nach Radiochemotherapie im Stadium IIIA/B, wodurch die Prognose nochmals deutlich verbessert werden kann.
In seinem Bericht zum Schwerpunkt Kardiologie wies Herr PD Dr. Noutsias auf die wegweisende Präventionsstudie unter Einsatz des gegen das PCSK9 gerichteten RNA-Hemmers Inclisiran (NEJM 2017, 376:1430) hin. Dieses subkutan verabreichte Medikament hat eine lange Wirkzeit von über 84 Tagen, und konnte in dieser Studie mit einer nachhaltigen Senkung von PCSK9 und LDL-Cholesterin um 40-60 % überzeugen.
In der interventionellen Kardiologie zeigte die DESSOLVE-III Studie, an der der Vortragende als Co-Autor beteiligt war, die Nicht-Unterlegenheit des neuen bioabsorbierbaren Medikamenten-beschichteten Mi-Stents gegenüber dem etablierten Xience Stent (de Winter, Lancet 2017, e-pub 1. Dez.). In der CULPRIT-SHOCK-Studie konnte eindeutig die lange diskutierte Frage geklärt werden, dass bei kardiogenem Schock und Mehrgefäß-KHK die alleinige Stent-Versorgung der Herzinfarkt-Arterie einen Überlebensvorteil gegenüber der gleichzeitigen Stent-Versorgung aller relevanten Koronarstenosen bot (NEJM 2017; 377:2419). In dieser Veröffentlichung bestätigte sich auch der zunehmende Einsatz des perkutanen mechanischen Herzunterstützungssystems Impella für die Therapie des kardiogenen Schocks (ca. 40 % der Patienten). Der Einsatz der Impella bei kardiogenem Schock und bei der geschützten perkutanen Koronarintervention von komplexen Hochrisiko-KHK-Patienten wurde 2017 vom komm. Direktor an der Universitätskardiologie Halle etabliert, und wird bei diesen Indikationen als Standard verwendet.
Für die Herzinsuffizienz (HI) war die Subgruppen-Analyse aus der PARADIGM-HF Studie (de Diego, Heart Rhythm 2017; e-pub 14. Nov.) essenziell, die zeigte, dass die Reduktion der Sterblichkeit von HI-Patienten unter Sacubitril/Valsartan entscheidend auch auf die Reduktion des plötzlichen Herztodes zurückzuführen ist. Diese Daten implizieren einen relevanten Rückgang des bindegewebigen Umbaus bei HI durch Sacubitril/Valsartan. In der Neuauflage der MOGE(S)-Klassifikation, die PD Dr. M. Noutsias leitete, wird eine systematische und klinisch relevante Einteilung von Kardiomyopathien vorgenommen (Heart Fail Rev 2017; 22:743). In der MOMENTUM-3 Studie konnte die Überlegenheit des neuen, miniaturisierten Herzunterstützungssystems HeartMate-III gegenüber dem herkömmlichen HeartMate-II belegt werden (NEJM 2017; 376:440).
Den Abschluss fand PD Dr. M. Noutsias mit der SURTAVI-Studie, die die rasante Entwicklung beim interventionellen Aortenklappen-Ersatz (TAVI/TAVR) unterstreicht und eine Nicht-Unterlegenheit gegenüber dem operativen Aortenklappen-Ersatz (SAVR) auch bei Patienten mit intermediärem perioperativen Risiko nachweisen konnte (NEJM 2017; 376:1321).
In ihrem Bericht zu den Schwerpunkten Diabetologie und Endokrinologie zeigte Frau Dr. Spens auf, dass die erste deutschlandweite Berechnung der Übersterblichkeit an Diabetes, durchgeführt von einer Arbeitsgruppe des Deutschen Diabetes-Zentrums, nachweist, dass 21 % aller Todesfälle auf einen Diabetes mellitus zurückzuführen sind, allein 16 % auf einen Typ-2-Diabetes (Dia Care 2017;40:1703). Ein zweiter SGLT2-Inhibitor Canagliflozin (nach Empagliflozin) hat in zwei randomisierten klinischen Studien bei Typ-2-Diabetes und hohem kardiovaskulären Risiko die Zahl der kardiovaskulären Ereignisse signifikant gesenkt und eine mögliche nephroprotektive Wirkung erzielt. Unklar blieb, warum Canagliflozin einen Anstieg an Amputationen auslöste (NEJM 2017; 377:644).
Bei Typ 1 Diabetes zeigte eine Studie, dass Dapagliflozin als Zusatztherapie zu Insulin die Glukosekontrolle bei Patienten mit unzureichender Stoffwechselkontrolle verbessern kann, ein Anstieg von Ketoazidosen war nicht nachweisbar (Lancet Diabetes Endocrinol. 2017; 5:864).
Neue Aspekte in der Therapie des chronischen Hypoparathyreoidismus bringt die Einführung eines rekombinanten humanen Parathormons. Das Medikament vermag den Bedarf an Kalzium und Vitamin D zu reduzieren bei gleichzeitiger Erhaltung des Serum-Kalziumspiegels und teilweiser Verbesserung der Parameter des Calcium-Phosphat-Metabolismus (Endocrine 2017; 55:273) Thermoablative Verfahren zur Behandlung von benignen Schilddrüsenknoten bei Struma nodosa wie Radiofrequenzablation, Mikrowellenablation und hochintensiv fokussierter Ultraschall könnten eine organerhaltende wirksame Alternative zur Thyreoidektomie oder Radiojodtherapie sein. Voraussetzung ist eine gute Vordiagnostik und Selektion der zu therapierenden benignen Schilddrüsenknoten (Korkusuz, Eur Radiol. 2017 e-pub 11. Sept.).
Der Bericht des Universitätsklinikums Magdeburg, welches ebenfalls jährlich einen internistischen Rückblick anbietet, folgt in Kürze.
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