
Was haben das Alte Testament (1. Buch Moses), die Mimose (Mimosa pudica), die Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) und der Nobelpreis für Medizin gemeinsam? Sie alle haben einen wichtigen Bezug zur Postulierung und Erforschung des circadianen Rhythmus, der unser aller Leben auf dieser Erde bestimmt. Doch was hält diesen Rhythmus (oft auch als „innere Uhr“ bezeichnet) am Laufen? Wer oder was sind die inneren und äußeren Taktgeber? Was passiert, wenn diese nicht mehr im Einklang miteinander sind? Wieviel Stabilität bzw. Flexibilität braucht oder verträgt ein solch kompliziertes System?
Diesen und ähnlichen Fragen widmeten sich die rund 140 Teilnehmer des diesjährigen 16. Groddeck-Symposiums der SRH Medinet Burgenlandklinik Bad Kösen am 21. September 2018. Wie immer war es den Veranstaltern gelungen, hochkarätige Referenten aus Deutschland und der Schweiz nach Bad Kösen zu locken.
Herr Chefarzt Dr. Ballaschke machte bereits in seiner Einleitung deutlich, dass die Chronobiologie häufig zwar als relativ junge Wissenschaft deklariert wird, in Wirklichkeit aber zum Teil auf über 4 Milliarden Jahre alten kosmischen Rhythmen basiert und damit eine der ältesten Disziplinen darstellt.
Frau Dr. Violetta Pilorz vom Institut für Chronobiologie der Universität Lübeck erläuterte mit viel Enthusiasmus und Leidenschaft die Fortschritte bei der Entschlüsselung der grundlegenden genetischen Netzwerke unserer inneren Uhr.
Darauf aufbauend widmete sich die Wissenschaftsautorin Barbara Knab dem Thema „Timing des Schlafes“ und dabei vor allem der Frage, warum es schadet, biologische Rhythmen zu missachten. Auch der bekannte Jetlag war Thema. Dabei gilt als Faustregel: Für eine Stunde Zeitverschiebung braucht der Körper einen Tag Umgewöhnungszeit. Für acht Stunden sind es entsprechend acht Tage (auch wenn es natürlich von Mensch zu Mensch verschieden sein kann). Was eine Stunde ausmacht, zeigt sich ja aber auch schon bei der normalen Zeitumstellung in Deutschland: Wenn den Menschen im Frühjahr eine Stunde fehlt, steige die Unfallwahrscheinlichkeit um bis zu zehn Prozent, sagen Schlafforscher.
Auf großes Interesse stieß erwartungsgemäß der Vortrag von Frau Dr. Olga Pivovarova der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité Berlin zum Thema „Circadiane Einflüsse auf den Metabolismus – Essen zur richtigen Zeit“. Auch wenn viele Fragen dazu noch weiteren Forschungsbedarf offenbarten, konnte sie gut darlegen, dass ein bidirektionaler Zusammenhang zwischen circadianen Rhythmen und Ernährung besteht. Also nicht nur unser innerer circadianer Rhythmus bestimmt, wann die beste Zeit zur Nahrungsaufnahme ist, sondern auch die Nahrungsaufnahme hat Einfluss auf unseren inneren Rhythmus. Dabei schlug sie einen faszinierenden Bogen über Gemeinsamkeiten und zum Glück auch Unterschiede hinsichtlich möglicher Ernährungsfehler bei Mäusen und Menschen.
Den weitesten Anreiseweg hatte mit Sicherheit Herr Dr. Oliver Stefani, welcher direkt aus der Schweiz (dort am Zentrum für Chronobiologie der Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel tätig) zum Symposium kam. Er berichtete über die neusten Erkenntnisse hinsichtlich der Einflüsse des (nicht nur blauen) Lichtes auf unsere innere Uhr. Letztendlich wurde ja auch in den öffentlichen Medien in letzter Zeit immer wieder darauf hingewiesen, dass Arbeiten am Laptop oder iPad kurz vor dem Einschlafen aufgrund des hohen Anteils an blauem Licht und dessen hemmenden Effektes auf die Melatoninproduktion ungünstig ist, tagsüber aber die Arbeitsqualität verbessern kann.
„Last but not least“ berichtete Herr Lothar Ursinus über Rhythmen unserer inneren Organe und „woher die Leber weiß, wie spät es ist“. Er konnte dabei neben Anregungen aus der traditionellen chinesischen Medizin auf seine über 30-jährige Erfahrung als Heilpraktiker in Hamburg zurückgreifen.
Wie immer gab es im Rahmenprogramm ein leckeres Mittagessen aus der hauseigenen Küche der Klinik, Führungen durch die Klinik für Interessenten sowie einen abschließenden, nachmittäglichen Erfahrungsaustausch mit Kaffee und selbstgebackenem Kuchen.
Korrespondenzanschrift:
Dr. med. Olaf Ballaschke, Chefarzt
FA für Psychiatrie und Psychotherapie, Suchtmedizin
SRH Medinet Burgenlandklinik
Fachklinik für psychosomatisch-psychiatrische Rehabilitation und Suchtmedizin
Käthe-Kruse-Str. 2, 06628 Naumburg
Fotos: SRH Medinet Burgenlandklinik Bad Kösen