Ethiktag 2019
Die Mitglieder des Klinischen Ethikkomitees der UMMD bei der konstituierenden Sitzung am 27. November 2018. Vorsitzende ist Prof. Dr. Eva Brinkschulte (vordere Reihe, Zweite von rechts).

„Ethik – das geht uns alle an!“

Am Freitag, dem 26. Oktober 2018, fand im Hörsaal der Universitätsfrauenklinik der erste Ethiktag der Universitätsmedizin Magdeburg (UMMD) statt. Es war die Auftaktveranstaltung des neu gegründeten Klinischen Ethikkomitees (KEK). Der Ethiktag diente der Fortbildung und richtete sich an Ärztinnen, Ärzte und Pflegende sowie an alle interessierten Beschäftigten der UMMD.

Ein professioneller Umgang mit Fragen, die ethische Aspekte berühren, zählt zu einer qualitativ hochwertigen und den Menschen in der Gesamtheit seiner Lebensbezüge betrachtenden Versorgung von Patientinnen und Patienten. Befragungen in den vergangenen Jahren hatten gezeigt, dass es unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Universitätsklinikums einen großen Bedarf an Fortbildungsveranstaltungen zur ethischen Konfliktlösung und an klinischer Ethikberatung gibt (siehe Tabelle). An der Universitätsmedizin Magdeburg wurde hierzu ein Klinisches Ethikkomitee unter der Leitung von Prof. Dr. Eva Brinkschulte (Geschichte, Ethik und Theorie der Medizin) eingerichtet.

Das Ethikkomitee arbeitet unabhängig und dient der Beratung, Orientierung und Information von Beschäftigten und Patient*innen der UMMD sowie deren Angehörigen. Es bietet ein Forum zur Reflexion ethischer Fragen und Konflikte im klinischen Alltag. Die konkreten Aufgaben des KEK sind dabei:

  • Konzeption, Organisation und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen
  • Organisation und Durchführung ethischer Fallbesprechungen
  • Entwicklung von ethischen Handlungsempfehlungen/Leitlinien für die UMMD.


Die Mitglieder des KEK wurden im Rahmen des ersten Ethiktages der UMMD durch den Ärztlichen Direktor des Universitätsklinikums und den Dekan der Medizinischen Fakultät (Dr. Jan L. Hülsemann und Prof. Dr. H.-J. Rothkötter) ernannt. Das Gremium setzt sich interdisziplinär aus Beschäftigten folgender Bereiche zusammen: Ärzteschaft und Pflege, Medizinethik, Krankenhausseelsorge, Sozialdienst und Interkulturelle Kompetenz. Eine Vertreterin aus der Stabsstelle Recht sowie eine Vertreterin aus dem Qualitätsmanagement konnten ebenfalls als Mitglieder gewonnen werden. Auch die Einbindung von Emeriti und Externen zeichnet dieses Gremium aus. Zudem wurden Medizinstudierende und Auszubildende der Pflege ins KEK integriert – eine Besonderheit, die an anderen Standorten so meist nicht vorzufinden ist. Neben der Vorstellung der KEK-Mitglieder wurden beim ersten Ethiktag aktuelle Fragen der Medizin- und Pflegeethik diskutiert.

Den ersten Vortrag hielt Dr. phil. Daniela Ringkamp, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Praktische Philosophie der Fakultät für Humanwissenschaften der Otto-von-Guericke-Universität (OvGU). Sie referierte zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen der Willensbekundung und Willensfindung von Demenzbetroffenen“. Jeder medizinische Eingriff bedarf einer informierten Zustimmung des Patienten. Ringkamp führte aus, dass es aufgrund des schubweisen, teils auch schleichenden Verlaufs der Demenzerkrankungen schwierig sei, eine Einwilligungs(un)fähigkeit des Betroffenen zweifelsfrei festzustellen. Auch stand die Frage nach der Gewichtung von vorausverfügtem Willen und sogenanntem natürlichem Willen – geäußert zum Zeitpunkt der bereits manifest gewordenen Demenz – im Zentrum ihrer Ausführungen. Wichtig sei es daher, bereits zu Beginn der Erkrankung eine Behandlung gemeinsam mit Betroffenen und Angehörigen im Voraus zu planen (Advanced Care Planning) und im Verlauf immer wieder an den aktuellen Bedürfnissen zu prüfen.

Bei dem zweiten Redner handelte es sich um Prof. Dr. Jan Schildmann, M. A., Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Medizinischen Fakultät der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg. Schildmann ist Mitglied in der Zentralen Ethikkommission (ZEKO) der Bundesärztekammer und in der Akademie für Ethik in der Medizin e. V. (AEM) sowie in der Dt. Gesellschaft für Palliativmedizin. Er stellte Ergebnisse seiner empirischen Forschungen zur „Ethik und Evidenz der Entscheidungsfindung am Lebensende“ vor. Dazu hatte Schildmann qualitative Interviews mit Onkolog*innen aus Deutschland und Großbritannien durchgeführt, um die Indikationsstellung bei Patient*innen mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen aus der Perspektive der behandelnden Ärzt*innen zu rekonstruieren. Neben den „medizinischen“ Kriterien (Diagnose, Behandlungsoptionen) hätten auch „nicht medizinische“ Kriterien einen Einfluss auf die Indikation. Dabei hätte sich laut Schildmann gezeigt, dass subjektive Werturteile zu Lebensumständen und Alter der Patient*innen eine signifikante Rolle bei der Empfehlung für eine curative oder palliative Therapie spielen.

Der letzte Referent, Dr. Gerald Neitzke, ist kommissarischer Leiter des Instituts für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover und Vorstandsmitglied in der AEM. Neitzke hat bisher viele Einrichtungen bei der Implementierung einer Ethikberatung begleitet. In seinem Vortrag gab er einen Überblick über die Geschichte und den aktuellen Stand der klinischen Ethikberatung in Deutschland und stellte die verschiedenen Modelle vor. Dabei appellierte Neitzke, beim Aufbau und insbesondere bei der Schwerpunktsetzung der Arbeiten eines KEK vor allem die jeweils örtlichen Bedingungen und Bedürfnisse zu berücksichtigen.

Am Nachmittag wurden die Vortragsthemen in parallel laufenden Workshops anhand von Fallbeispielen vertieft und die Ergebnisse im abschließenden Plenum zusammengetragen. Themen und Umsetzung fanden bei den Teilnehmer*innen des Ethiktages großen Anklang. Die Termine für die beiden nächsten Ethiktage stehen bereits fest, es sind der 14. Juni und der 15. November 2019.

Umfragen im Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen „Ethische Entscheidungen am Lebensanfang an klinischen Fallbeispielen“ in den Jahren 2016 und 2018
Die Umfragen fanden im Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen „Ethische Entscheidungen am Lebensanfang an klinischen Fallbeispielen“ in den Jahren 2016 und 2018 an der Universitätsmedizin Magdeburg statt, organisiert durch das Monitoringzentrum – Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt (MONZ) (Leitung: Dr. med. Anke Rißmann). Unter den Befragten waren sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte sowie Seelsorger, Mitarbeiter von Beratungsstellen und andere Berufsgruppen vertreten.



Korrespondenzadresse:
Klinisches Ethikkomitee (KEK)
Prof. Dr. Eva Brinkschulte
c/o Geschichte, Ethik und Theorie der Medizin
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Medizinische Fakultät
Leipziger Straße 44
39120 Magdeburg

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Sekr.: Britta Schulze
Tel.: 0391/67-24340