apl. Prof. Dr. med.  Axel Schlitt (Foto: Fotostelle UKH)
apl. Prof. Dr. med. Axel Schlitt (Foto: Fotostelle UKH)

Einleitung

Die mittlerweile 5. Mitteldeutschen Herztage fanden in diesem Jahr pandemiebedingt vom 9. bis 10. Juli 2021 als reine Online-Veranstaltung statt. Die wissenschaftliche Leitung hatten die Direktoren des Herzzentrums des Universitätsklinikums Halle (UKH) Daniel Sedding und Gábor Szábo. An beiden Tagen gelang es, das Publikum in vielen Vorträgen auf den neuesten Stand in den wichtigsten Gebieten der Herzmedizin zu bringen.

Auch in diesem Jahr wurde die Konsensuskonferenz der Kardiologen und Herzchirurgen Sachsen-Anhalts in die Mitteldeutschen Herztage integriert. Eingeladen hatten erneut die in Halle niedergelassene Kardiologin Simone Heinemann-Meerz sowie Axel Schlitt aus der Rehabilitationsklinik Paracel-sus-Harz-Klinik Bad Suderode.

Im ersten Vortrag der Konsensuskonferenz wurde das schwierige Thema der anti-diabetischen Erstlinientherapie bei Patienten mit Diabetes mellitus und Herzerkrankung durch Antje Spens, in Leipzig niedergelassene Diabetologin und Mitarbeiterin der Klinik für Innere Medizin IV des UKH diskutiert. Zusammenfassend gilt es, die Primärtherapie mit Metformin und/oder SGLT2-Inhibitoren anhand von Unverträglichkeiten, Nebenerkrankungen, Nieren- und Herzfunktion abzuwägen. Idealerweise sollte man entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft mit der Kombination beider Medikamente beginnen.

Im zweiten Teil der Konsensuskonferenz wurde die optimale Therapieeskalation bei weiterhin symptomatischen Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz (Heart Failure with reduced ejection fraction = HFrEF), die bereits mit Betablockern, ACE-Hemmern (alternativ Angiotensin-Rezeptorblocker = ARB) und Mineralorezeptorkortikoid-Antagonisten (MRA) durch Sacubitril/Valsartan und/oder SGLT2-Inhibitoren durch Axel Schlitt diskutiert. Beide Therapiestrategien haben Vor- und Nachteile, die es abzuwägen gilt. Um nach diesem Vortrag ein Meinungsbild der Kardiologen und Herzchirurgen Sachsen-Anhalts einzuholen, wurde aufgrund des Online-Formates nach der Veranstaltung ein Fragebogen die ca. 200 Kardiologen und Herzchirurgen in unserem Bundesland postalisch versendet. Die Rücklaufquote schien auf den ersten Blick mit 36,5 % mäßig zufriedenstellend aber im Vergleich zu den Konsensuskonferenzen der letzten Jahre mit dem Versuch der Konsensbildung durch 73 Kardiologen und Herzchirurgen hervorragend. Die Quintessenz des Vortrages von Axel Schlitt war Bestandteil der ersten Frage:

1. Bei Patienten mit HFrEF sollen bei fortgesetzter Symptomatik trotz Standardtherapie (ACE-Hemmer/ARB, Betablocker, MRA) ...

   ... Sacubitril/Valsartan und SGLT2-Inhibitoren direkt kombiniert eingesetzt werden.
   ... zunächst Sacubitril/Valsartan und bei fortgesetzter Symptomatik SGLT2-Inhibitoren eingesetzt werden.
   ... zunächst SGLT2-Inhibitoren und bei fortgesetzter Symptomatik Sacubitril/Valsartan eingesetzt werden.


Ein Konsens konnte nicht erzielt werden, 47,9 % der Befragten wählten die erste, 46,5 % die zweite und 4,1 % die dritte Antwort.

Abbildung 1: Standardtherapie für alle Patienten (NYHA II-IV) mit HFrEF (LVEF ≤ 40 %) zur Reduktion der Mortalität (Klasse I-Empfehlung) nach der aktuellen ESC-Leitlinie (MRA: Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten, ARB: Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten, ARNI: Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor)
Abbildung 1: Standardtherapie für alle Patienten (NYHA II-IV) mit HFrEF (LVEF ≤ 40 %) zur Reduktion der Mortalität (Klasse I-Empfehlung) nach der aktuellen ESC-Leitlinie (MRA: Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten, ARB: Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten, ARNI: Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor)

 

Abbildung 2: Algorithmus zum Erreichen der LDL-C-Zielwerte (Zielwert LDL-C < 1,4 mmol/l bzw. < 1,0 mmol/l bei sehr hohem Risiko) zur Standardtherapie für alle Patienten mit manifester Atherosklerose
Abbildung 2: Algorithmus zum Erreichen der LDL-C-Zielwerte (Zielwert LDL-C < 1,4 mmol/l bzw. < 1,0 mmol/l bei sehr hohem Risiko) zur Standardtherapie für alle Patienten mit manifester Atherosklerose

Jedoch ist der Inhalt dieser Frage mittlerweile von den Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) zur Herzinsuffizienz aus dem Jahr 2021 auf einen neuen Stand gebracht worden (1): In dieser Leitlinie werden mittlerweile Betablocker, MRA, SGLT2-Inhibitoren und die Gruppe ACE-Hemmer/ARB/Sacubitril+Valsartan gleichrangig in ihrer Wertigkeit zur Prognoseverbesserung bei Patienten mit HFrEF gesehen (Abbildung 1). Diese Medikamente sollten so schnell als möglich, idealerweise nach Neudiagnose der HFrEF, in dieser Viererkombination noch im Krankenhaus eingesetzt werden. Das vormals empfohlene Stufenschema/Eskalationsschema ist durch diese neue Empfehlung verlassen worden. Ob diese Viererkombination insbesondere im Hinblick auf Nierenfunktion und Hypotonien im Behandlungsalltag umsetzbar ist, wird abzuwarten sein.

Im dritten Vortrag stellte Karin Rybak, niedergelassene Kardiologin in Dessau, ein Schema zu Therapieeskalation zum Erreichen der LDL-C-Zielwerte bei Patienten mit manifester Atherosklerose vor. Dieses Schema sollte in der dritten Frage des Fragebogens konsentiert werden:

2. Algorithmus lipidsenkende Therapie zur LDL-Cholesterinsenkung bei manifester Atherosklerose (Zielwert LDL-C < 1,4 mmol/l bzw. < 1,0 mmol/l bei sehr hohem Risiko)

 1.  Statine (Atorvastatin 40 mg und Rosuvastatin 20 mg bevorzugt)
 2.  Bei Nichterreichen des Zielwertes zusätzlich Ezetemib 10 mg
 3.  Bei Nichterreichen des Zielwertes unter Statinen und Ezetemib zusätzlich Bempedoinsäure
 4.  Bei Nichterreichen des Zielwertes unter Statinen, Ezetemib und Bempedoinsäure PCSK9-Inhibitoren (alternativ Inclisiran) erwägen
   Zustimmung
   Keine Zustimmung


Es gelang, einen breiten Konsens zu erzielen. 94,5 % der Befragten stimmten dem vorgeschlagenen Schema (Abbildung 2) zu, sodass dieses Schema als neue Standardtherapie in Sachsen-Anhalt anzuwenden ist.

Im zweiten Teil ihres Vortrages thematisierte Karin Rybak die Problematik der Statin-Unverträglichkeit bei Patienten mit einer Indikation zur lipidsenkenden Therapie. Hier stellte sie ebenfalls ein Schema vor, das in der dritten Frage zur Konsensfindung an die Kardiologen und Herzchirurgen Sachsen-Anhalts versendet wurde:

3. Algorithmus lipidsenkende Therapie bei Statin-Intoleranz

 1.  Versuch, mindestens zwei Statine einzusetzen
 2.  Falls nicht möglich, Ezetemib als Monotherapie
 3.  Bei Nichterreichen des Zielwertes unter Ezetemib zusätzlich Bempedoinsäure
 4.  Bei Nichterreichen des Zielwertes unter Ezetemib und Bempedoinsäure PCSK9-Inhibitoren (alternativ Inclisiran) erwägen
   Zustimmung
   Keine Zustimmung

 

Abbildung 3: Algorithmus zum Vorgehen bei Verdacht auf Statin-Intoleranz bei Patienten mit Indikation zur lipidsenkenden Therapie
Abbildung 3: Algorithmus zum Vorgehen bei Verdacht auf Statin-Intoleranz bei Patienten mit Indikation zur lipidsenkenden Therapie

Auch hier gelang es, Konsens zu erzielen. 84,9 % der Befragten stimmten dem vorgeschlagenen Algorithmus zu, sodass auch dieses Schema (Abbildung 3) als verbindlich für die Therapie von Patienten mit einer Indikation zur lipidsenkenden Therapie und Verdacht auf Statin-Intoleranz in Sachsen-Anhalt anzusehen ist.

Zusammenfassung

Auch das Online-Format der Konsensuskonferenz hat es ermöglicht, schwierige Themen in der Behandlung von Patienten mit Herzerkrankungen zu diskutieren und gemeinsam (wenn auch retrospektiv) abzustimmen. Es gelang einen Konsens (> 75 % Zustimmung) in beiden vorgestellten Themen zur lipidsenkenden Therapie zu erzielen (Abbildungen 2 und 3).

Es war jedoch nicht möglich, das Vorgehen zur Eskalation der medikamentösen Therapie der systolischen Herzinsuffizienz (HFrEF) zu konsentieren. Dieses Vorgehen zur stufenweisen Optimierung der medikamentösen Therapie ist aber mittlerweile durch das in der ESC-Leitlinie zur Herzinsuffizienz 2021 empfohlene Vierer-Schema abgelöst worden (Abbildung 1). Eine Fortsetzung der Veranstaltung ist für 2022 geplant.

Korrespondierender Autor
apl. Prof. Dr. med. Axel Schlitt, MHA
Paracelsus-Harz-Klinik Bad Suderode
Paracelsusstraße 1
06485 Quedlinburg
Tel.: 03 94 85/99 901
Fax: 03 94 85/99 814
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Literatur
1. McDonagh TA, Metra M, Adamo M, Gardner RS, Baumbach A, Böhm M, Burri H, Butler J, Čelutkienė J, Chioncel O, Cleland JGF, Coats AJS, Crespo-Leiro MG, Farmakis D, Gilard M, Heymans S, Hoes AW, Jaarsma T, Jankowska EA, Lainscak M, Lam CSP, Lyon AR, McMurray JJV, Mebazaa A, Mindham R, Muneretto C, Francesco Piepoli M, Price S, Rosano GMC, Ruschitzka F, Kathrine Skibelund A; ESC Scientific Document Group. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J. 2021 Sep 21;42(36):3599-3726. doi: 10.1093/eurheartj/ehab368. PMID: 34447992.