Ein Jahr Berufung von Prof. Dr. rer. nat. Ulf Kahlert an die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Im Oktober 2021 hat Dr. rer. nat. habil. Ulf Dietrich Kahlert die W2-Professur für Molekulare und Experimentelle Chirurgie (MEC, eingegliedert in die Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie des Universitätsklinikums Magdeburg unter der Leitung von Prof. Dr. med. Roland Siegfried Croner), an der Fakultät für Medizin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg angetreten.

Anlässlich des Jahresjubiläums werden die Schwerpunkte der Arbeiten in der MEC und deren Perspektiven für verbesserte klinische Versorgung von morgen vorgestellt. 

Prof. Dr. Ulf Kahlert, neuer Leiter der Abteilung Molekulare und Experimentelle Chirur-gie (MEC) in der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschi-rurgie am Universitätsklinikum Magdeburg.
Prof. Dr. Ulf Kahlert, neuer Leiter der Abteilung Molekulare und Experimentelle Chirur-gie (MEC) in der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschi-rurgie am Universitätsklinikum Magdeburg.

Stammzell-abgeleitete Tumormodelle als Technologieplattform

Neue Erkenntnisse durch die Erforschung von Stammzellen sind eine Schlüsseltechnologie Deutschlands. Prof. Kahlert und sein Team nutzen Stammzell-gerichtete Laboransätze, um im präklinisch-translationalen Kontext neue Diagnostik- und Behandlungsoptionen für alterungsassoziierte Prozesse zu erforschen. Dabei steht die Entschlüsselung der molekularen Biomarker von degenerierenden oder entarteten Geweben des intestinalen und hepatobiliären Systems im Vordergrund, ebenso wie die Identifizierung von biologischen und chemischen Substanzen zur gezielten Beeinflussung der Stammzellaktivität, insbesondere der Zerstörung von Tumorstammzellen. Ziel ist dabei, durch personalisierte, den individuellen Eigenschaften der Tumorerkrankung jedes Patienten entsprechende maßgeschneiderte Interventionen die Nachhaltigkeit einer chirurgischen Therapie sowie den Prozentsatz von Patienten, die von chirurgischen Therapien profitieren können, zu erhöhen. Ebenso wird durch die Erforschung von biologischen Antworten der Tumorzellen auf Variationen von physischen, chemischen und mechanischen Parametern untersucht, die durch Weiterentwicklung chirurgischer Verfahren – insbesondere von minimalinvasiven Eingriffen – gezielt verändert werden können. Die Ergebnisse sollen helfen, Operationsrobotik weiter zu optimieren. Die zellbasierten Arbeiten der MEC gliedern sich nahtlos in die Agenda aktueller nationaler und internationaler Wissenschaftspolitik zur Etablierung von Alternativen zu Tierversuchen ein (3R-Strategie des Bundes – reduction, refinement, replacement (1)). Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung der Techniken der Arbeitsgruppe und deren Zielstellungen:

  • Herstellung von gewebespezifischen Vorläuferzellen sowie spezifizierten Zelltypen aus pluripotenten Stammzellen durch anwendungsoptimierte Differenzierungsprotokolle: Hierbei fokussiert sich die Gruppe auf Neuronen (zur Modellierung der Tumormikroumgebung) und Hepatozyten und intestinale Zellen (zur Herstellung von Nicht-Tumor-Zellsystemen als biologische Kontrolle für Biomarker- oder Interventionsstudien sowie als Zellmodelle zur Grundlagenforschung im Kontext Leberregeneration).
  • Reprogrammierung von somatischen Zellen: Herstellung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPSZ) aus Haut- oder Blutzellen der Magdeburger Patienten als Bioressource für Gewebeersatztherapien von morgen sowie zur Etablierung von zellulär-stabilen Langzeit-in vitro Kulturen zur Entwicklung neuer Therapieverfahren. Zusammen mit einem Portfolio von kommerziellen hiPSZ besitzt MEC somit eine der größten hiPSZ-Banken im Bundesland.
  • Tumorpatientinnen und -patienten der Klinik für Chirurgie Magdeburg haben die Möglichkeit biologische Tumor-Zwillinge (twin technology) etablieren zu lassen. Tumor-Zwillinge erlauben die Identifizierung von Individualisierten Chemotherapien und die Entwicklung von neuen, personalisierten Verfahren zur Therapieverlaufskontrolle. Tumor-Gewebe abgeleitete Organoide können aus Gewebe-Resektaten wie auch aus Biopsien abgeleitet werden.

 
Molekulares Engineering mittels CRISPR*-Technologien als Partner in der Medikamentenentwicklung und Biosensorik

Systematische Sammlung und Langzeitlagerung von Patientenproben und davon abgeleiteten Krankheitsmodellen in der MEC Biobank: Prof. Kahlert bei der Entnahme von tiefgekühlten Organoidmodellen. Mittels funktioneller Genomik auf patienten-individuellen Tumorzellzüchtungen oder der molekularen Charakterisierung von Körperflüssigkeiten der Patienten möchte die MEC neue Companion Diagnostika zur Individualisierung und damit Optimierung der Behandlung von Krebspatienten entwickeln. Zudem werden Untersuchung von biologischen Effekten auf Tumorzellen und deren Mikroumgebung auf veränderte physikalische, chemische oder akustische Reize – mit dem Ziel, neue wissenschaftliche Grundlagen für die Weiterentwicklung der minimalinvasiven Chirurgie zu erarbeiten – durchgeführt.
Systematische Sammlung und Langzeitlagerung von Patientenproben und davon abgeleiteten Krankheitsmodellen in der MEC Biobank: Prof. Kahlert bei der Entnahme von tiefgekühlten Organoidmodellen. Mittels funktioneller Genomik auf patienten-individuellen Tumorzellzüchtungen oder der molekularen Charakterisierung von Körperflüssigkeiten der Patienten möchte die MEC neue Companion Diagnostika zur Individualisierung und damit Optimierung der Behandlung von Krebspatienten entwickeln. Zudem werden Untersuchung von biologischen Effekten auf Tumorzellen und deren Mikroumgebung auf veränderte physikalische, chemische oder akustische Reize – mit dem Ziel, neue wissenschaftliche Grundlagen für die Weiterentwicklung der minimalinvasiven Chirurgie zu erarbeiten – durchgeführt.

Genetisches Engineering zur Erzeugung und Korrektur von Genommutationen oder zur Modulation von Genexpressionsaktivitäten in Zellen zur Herstellung von genetisch und zellulär präzise kontrollierten in vitro Systemen: Im Rahmen eines EU-Netzwerks zur Nanotechnologie-vermittelten Herstellung neuer Krebsmedikamente wird diese Plattform zur Effizienztestung neuer zielgerichteter Medikamente vielfältig eingesetzt. Im Rahmen eines BMBF geförderten Projektes entwickelt die MEC in Kooperation mit Dr.-Ing. Can Dincer aus Freiburg einen CRISPR/Cas Biosensor zur Detektion von tumorstämmigen Nukleinsäuren im Blut von Tumorpatienten als ressourcenschonenden, sensitiven und spezifischen Multiplex-point-of-care-test. Ziel ist hierbei insbesondere durch den zukünftigen Einsatz in ländlichen Regionen die Versorgung von Patienten mit erschwertem Zugang zu infrastrukturell adäquat ausgestatteten Tumorzentren zu verbessern.

Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen

Die unzureichend hohe Frequenz der erfolgreichen Reproduzierbarkeit von publizierten Forschungsergebnissen der Biomedizin stellt ein signifikantes sozioökonomisches und ethisches Dilemma dar (2). Prof. Kahlert ist Teil einer wachsenden internationalen Wissenschaftlergruppe, die sich zum Ziel gesetzt hat, Optionen zur Verbesserung in der Wissenschaft zu identifizieren und diese dann möglichst nachhaltig ins Wissenschaftssystem zu implementieren. Er fokussiert sich dabei nah am Kernbereich seiner experimentellen Arbeit – der Durchführung von Laborversuchen. Hier ist bspw. das Erstellen von Richtlinien zum vollständigen Beschreiben von eingesetzten Laborutensilien und angewendeter Methoden in gutachterbasierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu nennen, welche zur Durchführung einer konfirmatorisch angelegten Studie befähigen, erhöht die Chance auf erfolgreiche Reproduzierbarkeit der explorativen Studie.

Eine aktuelle Arbeit eines literatur-basierten Forschungsprojekts seiner Gruppe zeigt diesbezüglich den alarmierenden Nachholbedarf der in-vitro-Krebsforschung. „Der Einsatz eines elektronischen Laborbuchs, wie wir es in der Abteilung pflegen, unterstützt das interne Reporting und erleichtert die einfache Verfügbarkeit von Forschungsdaten (open science).“ Aktueller Fokus der Metaforschung der MEC ist der Vergleich der Reproduzierbarkeit von Ergebnissen zwischen Tiermodellen und hiPSZ-Modellen bestimmter Krankheiten.

„Am Campus wurden ich und meine Forschung gut aufgenommen. Eine Vielzahl an Kooperationsansätzen, bspw. mit dem Institut für Molekulare und Klinische Immunologie, Klinik für Gastroenterologie, Kinderklinik oder der Klinik für Radiologie, aber auch in anderen Fakultäten, wie der Elektrotechnik und Informationstechnik, wurden initiiert, welche sich anteilig bereits in ersten gemeinsamen Veröffentlichungen widerspiegeln“, resümiert Prof. Dr. Ulf Kahlert.

*) Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats

Autor:
Ulf D. Kahlert
Molekulare und Experimentelle Chirurgie Universitätsklinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Tel.: 0391/67-15538
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.mes.ulf-kahlert.com,
https://kchi.med.ovgu.de/MEC.html

Referenzen:

  1. Neuhaus W, Reininger-Gutmann B, Rinner B, Plasenzotti R, Wilflingseder D, De Kock J, u. a. The Rise of Three Rs Centres and Platforms in Europe. Altern Lab Anim. März 2022;50(2):90–120.
  2. Errington TM, Mathur M, Soderberg CK, Denis A, Perfito N, Iorns E, u. a. Investigating the replicability of preclinical cancer biology. Pasqualini R, Franco E, Herausgeber. eLife. 7. Dezember 2021;10:e71601.


Foto: Universitätsklinik Magdeburg
Foto: MEC