Einleitung

Prof. Dr. med. Oliver Weingärtner Foto: Universitätsklinikum Jena
Prof. Dr. med. Oliver Weingärtner (Foto: Universitätsklinikum Jena)

Die mittlerweile 6. Konsensuskonferenz der Kardiologen und Herzchirurgen Sachsen-Anhalts fand in diesem Jahr in und mit Unterstützung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt am 22.02.2023 statt. Bei diesmal geringer Beteiligung sollten keine Konsensusempfehlungen ausgesprochen, jedoch die diskutierten Themen und Fragen im Folgenden dargestellt werden.

Im ersten Vortrag stellte als Gastredner Prof. Dr. med. Oliver Weingärtner aus dem Universitätsklinikum Jena sein Projekt „Jena auf Ziel“ vor, das mittlerweile in vielen Städten, u. a. in Halle (Saale) ebenfalls durchgeführt wird. Das Konzept von „Jena auf Ziel“ ist es, eine möglichst frühzeitige, optimale LDL-C-senkende Therapie bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) einzusetzen.

Konkret werden im Rahmen dieses Projektes schon während des stationären Aufenthaltes ein hochdosierte Atorvastatin-Therapie in Kombination mit Ezetemib eingesetzt. Durch dieses Prinzip gelingt es, viele Patienten schon während des stationären Aufenthaltes auf LDL-C-Werte unter 1,4 mmol/l zu bringen.

Im ersten Statement wurde aber zunächst auf eine potentielle Stufentherapie fokussiert, die bereits im Jahr 2021 Thema der damals 5. Konsensuskonferenz war:
1. Bei manifester KHK (PAVK, cerebrovaskulärer Insuffizienz, Diabetes mit Risikofaktoren) sind zum Erreichen der Zielwerte in erster Linie hochpotente Statine (Atorvastatin 40 mg oder Rosuvastatin 20 mg), in zweiter Linie Ezetemib, in dritter Linie Bempeodinsäure und in vierter Linie PCSK9-Hemmer einzusetzen
100 % der Anwesenden stimmten dem vorgeschlagenen Prozedere zu.

Im zweiten Statement wurde auf das Therapieprinzip von „Jena auf Ziel“ fokussiert.
2. Um nach akutem Koronarsyndrom schnellstmöglich den therapeutischen LDL-C-Bereich zu erreichen, sollte direkt im akutstationären Verlauf mit einer Kombination aus hochpotentem Statin (Atorvastatin 80 mg oder Rosuvastatin 40 mg) mit Ezetemib, idealerweise als Kombi-Präparat, begonnen werden.
Auch hier stimmten 100 % der Anwesenden dem vorgeschlagenen Prozedere zu.

Zuletzt stellte sich die Frage, ob das Bundesland Sachsen-Anhalt sich in seiner Gesamtheit an diesem Projekt beteiligen sollte.
3. Am Projekt „Sachsen-Anhalt auf Ziel“ würde ich mich aktiv beteiligen.
Alle Anwesenden erklärten ihre Bereitschaft, sich an diesem Projekt zu beteiligen.

 

Dr. med. Tom Giesler Foto: Helios Kliniken/Thomas Oberländer
Dr. med. Tom Giesler (Foto: Helios Kliniken/Thomas Oberländer)

Im zweiten Vortrag stellte der kardiologische Chefarzt des Helios Klinikums Jerichower Land Dr. med. Tom Giesler das komplexe Thema der Thrombozytenaggregationshemmung nach Koronarintervention an Hand der aktuellen Leitlinien vor. Insgesamt wurde über sieben Statements abgestimmt.

1. Nach NST-ACS ist bei niedrigem Blutungsrisiko für 12 Monate (zusätzlich zu ASS 100 mg) Prasugrel 10 mg Mittel der ersten Wahl, Ticagrelor 90 mg 2 x tgl. Mittel der zweiten Wahl, Clopidogrel 75 Mittel der dritten Wahl.
62 % Zustimmung, 37 % Ablehnung, 0 % Enthaltung

2. Nach STEMI ist bei niedrigem Blutungsrisiko für 12 Monate (zusätzlich zu ASS 100 mg) Prasugrel 10 mg Mittel der ersten Wahl, Ticagrelor 90 mg Mittel der zweiten Wahl, Clopidogrel 75 Mittel der dritten Wahl
87 % Zustimmung, 0 % Ablehnung, 13 % Enthaltung

3. Bei Patienten mit Vorhofflimmern nach akutem Koronarsyndrom und Koronarintervention ist nach kurzer, z. B. 7-tägiger Phase einer Triple-Therapie (inklusive ASS) eine zwölfmonatige duale Therapie mit einem NOAK + Clopidogrel indiziert.
62 % Zustimmung, 37 % Ablehnung, 0 % Enthaltung

4. Bei Patienten mit Vorhofflimmern nach akutem Koronarsyndrom ist nach der zwölfmonatigen Phase der dualen Therapie mit einem NOAK + Clopidogrel die alleinige Gabe eines NOAK indiziert.
100 % Zustimmung

5. Bei Chronischem Koronarsyndrom (CCS) ist nach Koronarintervention Clopidogrel für 6 Monate indiziert, ASS dauerhaft
87 % Zustimmung, 0 % Ablehnung, 13 % Enthaltung

6. Bei Chronischem Koronarsyndrom (CCS) ist bei Vorliegen von Vorhofflimmern nach Koronarintervention Clopidogrel für 6 Monate indiziert, NOAK dauerhaft.
87 % Zustimmung, 0 % Ablehnung, 13 % Enthaltung

7. Bei Chronischem Koronarsyndrom (CCS) sind nach aortokoronarer Bypassoperation bei Vorliegen von Vorhofflimmern NOAK dauerhaft indiziert
87 % Zustimmung, 0 % Ablehnung, 13 % Enthaltung

 

PD Dr. med. Harald Hausmann Foto: Herzzentrum Coswig
PD Dr. med. Harald Hausmann (Foto: Herzzentrum Coswig)

Im dritten Vortrag präsentierte der ärztliche Direktor des Herzzentrums Coswig PD Dr. med. Harald Hausmann das komplexe Thema der Therapie mittels TAVI oder biologischem/mechanischem Aortenklappenersatz bei hochgradiger, symptomatischer Aortenklappenstenose. Nach seinem Vortrag wurde kontrovers diskutiert, jedoch gelang es in zwei von drei Statements eine 100%ige Zustimmung zu erlangen.

1. Ein Patient mit hochgradiger Aortenklappenstenose, 75 Jahre alt, keine PAVK, BMI von 27 kg/m2, kein Diabetes, Hobby: Golf. Was ist die richtige Therapiewahl?
a. Sollte eine transfemorale TAVI erhalten.
100 % Zustimmung

b. Sollte einen minimal-invasiven chirurgischen, biologischen Aortenklappenersatz erhalten
0 % Zustimmung

c. Sollte selber entscheiden, ob er eine TAVI oder eine chirurgisch implantierte Klappenprothese möchte
0 % Zustimmung

2. Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose und einem Lebensalter von unter 60 Jahren sollten einen mechanischen Aortenklappenersatz erhalten?
29 % Zustimmung, 57 % Ablehnung, 14 % Enthaltung

3. Ein 70-jähriger Patient mit einer degenerierten, stenosierten biologischen Aortenklappenprothese und schwerer Dyspnoe, Diabetes mellitus, schwerste PAVK, KHK-1 mit Stent im RIVA sollte eine TAVI (Valve in Valve) über einen alternativen Zugangsweg (Transapical, A. sub-clavia) bekommen?
100 % Zustimmung

Univ.-Prof. Dr. med. Daniel Sedding Foto: Universitätsklinikum Halle (Saale)
Univ.-Prof. Dr. med. Daniel Sedding (Foto: Universitätsklinikum Halle (Saale))

Zuletzt wurde das Thema Herzinsuffizienz durch den Direktor der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikums Halle (Saale) Universitätsprofessor Dr. med. Daniel Sedding vorgestellt und in drei Statements abgestimmt, die alle eine > 70%ige Zustimmung erlangten:

1. Bei Patienten mit HFrEF ist bei Neudiagnose in einem möglichst kurzen, idealerweise nicht mehr als vier Wochen dauernden Zeitintervall, die Kombination aus SGLT2-Inhibitoren, MRA, Betablockern und Sacubitril/Valsartan (alternativ ACE-Hemmer) in maximal tolerabler Dosis einzusetzen.
100 % Zustimmung

2. Während eines akut-stationären Verlaufs sollte bei Neudiagnose einer HFrEF nach Rekompensation bei niedrigem Blutdruck (systolisch < 110 mmHg) mit einem SGLT2-Inhibitor, sowie niedrigdosierten Betablocker und Sacubitril/Valsartan begonnen werden. Empfehlungen für weitere Therapieeskalation sollten bei Entlassung vorgegeben werden. Die weitere Therapieeskalation erfolgt durch den weiterbehandelnden Arzt (ambulant tätige Ärzte und/oder Reha-Einrichtung).
71 % Zustimmung, 29 % Ablehnung, 0 % Enthaltung

3. Vericiguat kann bei Patienten mit NYHA-Klasse II–IV in Betracht gezogen werden, wenn sich ihr Zustand trotz einer optimalen Therapie-Kombination aus SGLT2-Inhibitoren, MRA, Betablockern und Sacubitril/Valsartan (alternativ ACE-Hemmer) in maximal tolerabler Dosis weiter verschlechtert, um das Risiko für kardiovaskuläre Mortalität und herzinsuffizienzbedingte Klinikeinweisungen zu reduzieren.
100 % Zustimmung
 

Zusammenfassung

Auch wenn die Beteiligung an der diesjährigen Konsensuskonferenz gering war, waren alle Anwesenden der Meinung, dass die Veranstaltung gelungen und eine erneute Auflage im Jahr 2024 anzustreben ist.


Korrespondierender Autor
apl. Prof. Dr. med. Axel Schlitt, MHA
Paracelsus-Harz-Klinik Bad Suderode
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